Ab in die Natur – ohne Kopfhörer und Telefon |
Nicht nur das bewusste Erlebnis im Wald oder im Park, sondern auch die unmittelbare Umgebung kann die Gesundheit fördern: Grünflächen in der Innenstadt können das Wohlbefinden im Alltag von Stadtbewohnern unmittelbar verbessern, zeigte 2019 eine interdisziplinäre Studie des Karlsruher Instituts für Technologie, des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim und der Universität Heidelberg. Eine Erkenntnis der Studie: Von den Grünflächen profitieren vor allem Menschen, bei denen die Gehirnkapazität, um negative Gefühle selbst zu regulieren, vermindert ist. Diese Erkenntnisse seien auch für die Stadtplanung unter dem Aspekt der Gesundheitsförderung interessant. Denn Grünflächen, die entsprechend gut über eine Stadt verteilt seien, könnten zur Prävention psychischer Erkrankungen dienen.
Frühere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Städter anders auf Stress reagierten als Landbewohner: Sie hätten ein deutlich höheres Risiko, an Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen zu erkranken. Schon bei Kindern kann die Landschaft, die sie umgibt, Auswirkungen auf ihre Belastbarkeit haben. Psychologin Anja Göritz verweist auf eine vergleichende Studie unter Schulkindern, wonach Kinder, die in einer weniger grünen Umgebung lebten, stressige Lebensereignisse schlechter verarbeiten konnten: »Sie hatten mehr damit zu kämpfen als Kinder, die in einer grüneren Umgebung lebten. Diese kamen mit Stress besser klar und erholten sich schneller.«
Wer nicht auf dem Land wohnt oder das Glück hat, regelmäßig ein paar Stunden im Grünen zu verbringen, kann dennoch von der Kraft der Natur profitieren: »Schon ein schöner Ausblick aus dem Fenster oder bereits Bilder von Naturszenen wirken«, sagt Göritz. Zudem seien aktuelle Forschungen in ihrer Abteilung für Wirtschaftspsychologie bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass sogar die Simulation von Naturerleben mit Hilfe virtueller Realität das Wohlbefinden fördere.
Andreas Michalsen geht davon aus, dass neben Topfpflanzen im Raum oder Bäumen vor dem Fenster auch bioaromatische Düfte mit natürlichen Essenzen oder eine Zwitscher-Box mit Vogelstimmen positive Effekte für Geist und Körper haben können. Der Charité-Professor appelliert aber, jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen, ein Stück Grün leibhaftig unter freiem Himmel zu erleben. Und zwar je öfter, desto besser: Statt einmal im Jahr eine Woche Intensiv-Wanderurlaub zu buchen, sei es sinnvoller, mehrmals in der Woche kleinere Spaziergänge im Grünen zu unternehmen. Zumal man auch eine »Aufsummierung« bei den Naturerlebnissen und ihren Wirkungen feststellen könne, so Michalsen. Jede Auszeit zählt also. Zweieinhalb Stunden pro Woche sollten seiner Ansicht nach das Mindestmaß sein.