Abgaberangfolge weiterhin einhalten |
Juliane Brüggen |
02.11.2023 13:00 Uhr |
Die Lieferengpässe bereiten aktuell vielen Apothekenmitarbeitern Kopfzerbrechen. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Im Detail geht es um die mit dem Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) geschaffenen neuen Regelungen in § 129 Abs. 2a Sozialgesetzbuch V (SGB V). Demnach dürfen Apotheken abweichend von den gesetzlich und vertraglich vereinbarten Abgaberegeln (SGB V, Rahmenvertrag) »bei Nichtverfügbarkeit eines nach Maßgabe des Rahmenvertrags […] abzugebenden Arzneimittels« dieses durch ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. In den folgenden Punkten darf die Apotheke ohne Rücksprache mit dem Arzt von der Verordnung abweichen, sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
Zu der Frage, wie § 129 Abs. 2a SGB V im Detail auszulegen ist, vertraten der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband unterschiedliche Auffassungen. Hintergrund ist, dass Apotheken bei einer Nichtverfügbarkeit üblicherweise eine im Rahmenvertrag festgelegte Abgaberangfolge durchlaufen, um bevorzugt preisgünstige Arzneimittel abzugeben. Der DAV ging davon aus, dass die Apotheke nur die erste Stufe dieser Rangfolge prüfen muss: Bei Nichtverfügbarkeit des entsprechenden Mittels sei die Apotheke in der Abgabe frei, so die Sicht des DAV. Der GKV-Spitzenverband war hingegen der Ansicht, dass die Apotheke die komplette Abgaberangfolge durchlaufen muss.
Angesichts der Differenzen hat der DAV beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nachgefragt. Das BMG bestärkt allerdings die Kassensicht: »Daher ist die Regelung aus Sicht des BMG so zu verstehen, dass sie erst greift, wenn nach den Regelungen des Rahmenvertrags zur Abgabe-Reihenfolge kein verfügbares Arzneimittel vorhanden ist.« Eine andere Auslegung würde nicht zuletzt dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 121 SGB V entgegenstehen.
Apotheken prüfen die Verfügbarkeit nach einer vertraglich festgelegten Reihenfolge, der Abgaberangfolge. Nummer 1 sind die Rabattarzneimittel, also Arzneimittel, für die die jeweilige Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Falls diese nicht verfügbar sind, folgen im Aut-idem-Bereich die vier preisgünstigsten Arzneimittel, wobei das abgegebene Präparat nicht teurer als das verordnete sein darf. Im Import-Bereich stehen wiederum Original- und Importarzneimittel zur Auswahl, die nicht teurer als das verordnete Präparat sind – bevorzugt aber preisgünstige Importarzneimittel, die zum Import-Einsparziel zählen.
Sind all diese Optionen nicht zu bekommen, bleibt Apotheken schließlich die Abgabe des nächstpreisgünstigsten, verfügbaren Arzneimittels – sowohl im Aut-idem- als auch im Import-Bereich. Soweit die Regeln des Rahmenvertrages – erst darüber hinaus kommen nach Auslegung des BMG und der Krankenkassen die Neuregelungen in § 129 Abs. 2a SGB V zum Tragen.
Nicht vergessen: Die Nichtverfügbarkeit wird auf dem Papierrezept mit der Sonder-PZN 02567024 und dem entsprechenden Faktor (2, 3 oder 4) kenntlich gemacht, ein zusätzlicher Vermerk ist nicht erforderlich. Liegt ein E-Rezept vor, erfolgt die Kennzeichnung im elektronischen Abgabedatensatz.
Im sogenannten importrelevanten Markt gilt es zwei Sonderregeln zu beachten: Apotheken sind angehalten, Arzneimittel ohne Mehrkosten oder mit den geringsten Mehrkosten bevorzugt abzugeben – unabhängig davon, ob damit eine ärztlich gesetzte Preisgrenze überschritten wird.
Eine weitere Besonderheit ist der Parallelvertrieb. Das ist der Fall, wenn ein patentgeschütztes Arzneimittel mit mehreren Handelsnamen im Vertrieb ist, es also mehr als ein Originalarzneimittel gibt (Parallelarzneimittel). Die Preisgrenze ist dann immer das preisgünstigste Parallelarzneimittel, sofern der Arzt nicht ein noch günstigeres verordnet hat.