Abnehmen mit »Glukose-Trick« |
Salat gibt es meistens vor der Hauptspeise. Das Gemüse könnte dazu beitragen, schnelle Blutzuckeranstiege zu bremsen. / Foto: Adobe Stock/karepa
Wer abnehmen will, braucht ein Kaloriendefizit. Das ist selten ohne Verzicht möglich. An die Stelle von Fastfood und zucker- oder fetthaltigen Snacks wandern gesündere und kalorienbewusstere Alternativen. Die französische Buchautorin und Biochemikerin Jessie Inchauspé erklärte jetzt jedoch in ihrem Buch »Der Glukose-Trick«, dass die Lebensmittelauswahl zweitrangig sei, solange zehn Regeln beachtet würden. Menschen würden alleine durch diese Regeln Gewicht verlieren und energiegeladener durch den Tag gehen.
Wer von diesem Booster für den Alltag profitieren möchte, trinkt 20 Minuten vor dem Essen ein Glas Wasser mit einem Esslöffel Essig. Die Mahlzeit beginnt mit einer Portion Gemüse, zum Beispiel einem Salat. Auf den Gemüsegang folgen Fette und Eiweiße, die unter anderem in Fleisch oder Fisch enthalten sind. Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Kartoffeln, Reis oder Nudeln folgen. Am Ende der Mahlzeit darf ein süßes Dessert genossen werden. Das ersetzt dann einen süßen Snack zwischendurch, von dem Inchauspé abrät. Wer unbedingt zwischen den Mahlzeiten essen möchte, greift am besten zu einer herzhaften Kleinigkeit.
Grundsätzlich empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin, Kohlenhydrate nie alleine, sondern immer zusammen mit Proteinen oder Ballaststoffen zu essen. Nach dem Essen steht Bewegung an. Diese kann innerhalb von bis zu 70 Minuten nach der Mahlzeit in Form eines Spaziergangs oder eines kleinen Ausdauer- oder Krafttrainings erfolgen. Zehn Minuten sollen reichen.
Auf den ersten Blick erscheint das Programm der Französin angenehmer zu sein als Hungerkuren oder eine verzichtreiche Ernährungsumstellung. Funktioniert es denn auch? Der Kniff besteht laut Inchauspé darin, der »Achterbahn des Blutzuckerspiegels« zu entkommen. Wenn der Körper häufig und viel Insulin ausschüttet, kann er kein Fett verbrennen und speichert es stattdessen. Wer abnehmen möchte, sollte den Blutzucker niedrig halten und die Insulinausschüttung verringern.
Insulin schüttet der Körper aus, wenn der Glucosegehalt im Blut ansteigt. Das passiert, wenn Kohlenhydrate bei der Verdauung in Glucose zerlegt und in die Blutbahn geschleust werden. Wenn viel Glucose freigesetzt wird, entsteht ein Insulinspike. Wenn ständig viel Insulin sezerniert wird, kann sich zunächst ein Prädiabetes und schließlich ein Typ-2-Diabetes entwickeln. Das Risiko für andere insulinbedingte Erkrankungen wie das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) steigt. Glucosespitzen lösen zudem Entzündungen im Körper aus, die wiederum eine Ursache für verschiedene chronische Erkrankungen und Alterskrankheiten sind.
Während diese Prozesse schleichend ablaufen, können Menschen andere Auswirkungen eines stark schwankenden Blutzuckerspiegels direkt wahrnehmen. Spitzen und Einbrüche des Glucosespiegels können zu verschiedenen Symptomen von Schwindel über Herzrasen bis hin zu Heißhunger führen. Eine hohe Glucosespitze hat einen rapiden Einbruch zur Folge man fühlt sich müde und träge. Das kann sich als Mittagstief äußern, das viele Menschen nach einem reichhaltigen Mahl wahrnehmen.
Wenn sich der Blutzucker hingegen konstant im Bereich zwischen 70 und 100 mg/dl Blut bewegt, essen Menschen der Theorie nach seltener über den Hunger hinaus und sind leistungsfähiger. Um diesen idealen Glucosespiegel zu erreichen, spielt es laut Inchauspé eine Rolle, in welcher Reihenfolge Lebensmittel auf den Teller kommen. Gemüse enthält viel Wasser und Ballaststoffe. Letztere helfen, einen schnellen Einschuss der Glucose in die Blutbahn zu verhindern. Daher sollte Gemüse als erstes gegessen werden. Die Mahlzeit endet mit Kohlenhydraten und Süßem. Sie lassen den Blutzucker am stärksten ansteigen. Wenn sie jedoch als Letztes in den Magen gelängen, verringere sich gemäß der Autorin ihr Effekt auf den Blutzucker.
Wenn der Blutzucker unter Kontrolle ist, fördert das sicherlich die Gesundheit. Ist dafür jedoch ausschlaggebend, in welcher Reihenfolge Proteine, Fette und Kohlenhydrate gegessen werden? Im Magen werden alle aufgenommenen Nahrungsbestandteile zu einem Brei vermengt. Wenn sich die von Inchauspé empfohlene Lebensmittelabfolge als Erfolg auf der Waage auswirkt, dann könnte dabei eine Rolle spielen, dass zunächst mit wenig kalorienreichem Gemüse der größte Hunger gestillt wird. Die sich anschließenden Fette und Eiweiße sättigen. Die Portion Kohlenhydrate am Ende der Mahlzeit könnte somit klein ausfallen, da gar nicht mehr viel Hunger vorhanden ist. Wer jetzt nicht gezielt weiterisst, kann mit weniger Kalorien einen Sättigungseffekt erzielen.
Auch die erlaubte Süßigkeit als Abschluss einer Mahlzeit ergibt Sinn. Sie kann dazu führen, dass sich Menschen psychisch befriedigt fühlen und verhindern, dass kurz nach dem Essen Lust auf Süßes aufkommt. Das Essigwasser vor der Mahlzeit soll den Blutzucker absenken. Essigsäure wird zwar eine Wirkung auf den Blutzucker zugesprochen, die allerdings sehr gering ausfällt. Essig auf nüchternen Magen verträgt zudem nicht jeder.
Nach dem Essen steht Bewegung an. Körperliche Aktivität verbraucht Kalorien, wirkt Insulinspitzen entgegen und regt die Darmtätigkeit an. Wer es allerdings übertreibt, kann vom Sport wieder hungrig werden und nach einer Stärkung verlangen. Zu beachten ist, dass viele Menschen richtigen Sport mit vollem Magen als unangenehm empfinden.
Eine weitere Frage ist diejenige nach der Alltagstauglichkeit des Programms. Nach der Mittagspause müssen die meisten Berufstätigen weiterarbeiten. Sich nach dem Essen zu bewegen und dazu beispielsweise im Büro mehrmals die Treppen auf- und abzulaufen, wie Inchauspé empfiehlt, ist nicht jedem möglich. Die Französin rät zu einem herzhaften Frühstück. Für die Blutzuckerkontrolle mag das förderlich sein, trifft aber weder immer den Geschmack noch vertragen alle Menschen größere Portionen früh am Morgen.
Bei Einladungen oder im Restaurant lässt sich die geforderte Reihenfolge der Lebensmittel nur bedingt umsetzen. Wer die Regeln im Buch befolgt, nimmt womöglich tatsächlich an Gewicht ab. Ob das an der Blutzuckerkontrolle liegt, sei dahingestellt. Allein der Hinweis, frischen Lebensmitteln den Vorrang vor industriell verarbeiteten Produkten zu geben, lässt die meisten Menschen Kalorien sparen.