Abnehmspritze jetzt auch in Deutschland erhältlich |
Verena Schmidt |
17.07.2023 16:00 Uhr |
Das Fett weg spritzen: Mit Semaglutid nehmen übergewichtige und adipöse Menschen leichter ab. / Foto: Adobe Stock/myskin
In den Medien war schon oft über Semaglutid als Abnehmmittel zu lesen, besonders auf Social-Media-Plattformen werden Ozempic und Wegovy gehypt. Denn auch einige Prominente, darunter der Tech-Milliardär Elon Musk, sollen mithilfe von Semaglutid einige Pfunde verloren haben.
Semaglutid ist ein GLP-1-Rezeptoragonist, der wie das körpereigene Glucagon-Like-Peptide-1 (GLP-1) wirkt. Das Inkretinhormon bindet an seinen Rezeptor und gibt damit den Betazellen der Bauchspeicheldrüse das Signal, Insulin freizusetzen. Daraufhin sinkt der Blutzuckerspiegel. GLP-1 senkt außerdem den Glucagonspiegel, drosselt die Magenentleerung und reduziert den Appetit.
Semaglutid ist bereits seit einigen Jahren als Antidiabetikum zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern unter dem Handelsnamen Ozempic zugelassen. Anfang 2022 hat die Firma Novo Nordisk dann auch in der Europäischen Union eine zusätzliche Zulassung zur reinen Gewichtsabnahme bekommen: Wegovy soll Übergewichtige zusammen mit einer Diät und Bewegung bei Gewichtsverlust und -kontrolle unterstützen. Gedacht ist es für adipöse Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30 sowie für Übergewichtige (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung.
Obwohl bereits seit anderthalb Jahren EU-weit zugelassen, vertreibt Novo Nordisk das Medikament Wegovy bisher nur in den USA, Dänemark und Norwegen – wegen der großen Nachfrage kam man wohl nicht mit der Produktion hinterher. Auch Ozempic – in dem der Wirkstoff etwas niedriger dosiert ist als in Wegovy – war in den vergangenen Monaten von Lieferengpässen betroffen – offenbar, weil Ärzte es Abnehmwilligen vermehrt off Label verordnen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte daraufhin im April 2023 Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung von Diabetes-Patienten mit den GLP-1-Antagonsiten Ozempic und Trulicity® (Dulaglutid) sicherzustellen. Die Arzneimittel dürfen demnach nur Menschen mit Typ-2-Diabetes verordnet werden. Verordnungen auf Privatrezept sollten immer die zugelassene Indikation Typ-2-Diabetes enthalten. Fehlt die Angabe, soll die Apotheke laut BfArM Rücksprache mit dem verordnenden Arzt halten. Die Arzneimittel sollten zudem nicht mehr unter alleiniger Vorlage des Arztausweises abgegeben werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie hatte in diesem Zusammenhang bereits die unkontrollierte Anwendung ohne entsprechende Indikation kritisiert. Diese sei mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden: Es könne beispielsweise zu Übelkeit und Erbrechen kommen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase könnten die Folge sein. Im Tierversuch habe sich zudem ein erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten gezeigt. Langzeitwirkungen seien noch nicht ausreichend untersucht. Die Experten fordern: »Diese Medikamente sollten nur spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschreiben – und auch nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und die Anwendung in der Folge sorgfältig überwacht wird.«
Dennoch ist der Run auf die Semaglutid-Präparate groß, wohl auch, da die Wirksamkeit bisher verfügbarer Medikamente zum Gewichtsverlust eher mäßig ist. Bei Semaglutid ist das nach aktuellem Stand anders: In Studien verloren Patienten, die begleitend zu Lebensstiländerungen eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, nach 68 Wochen etwa 15 Prozent Gewicht. Eine Vergleichsgruppe, die ein Placebo bekam, nahm im gleichen Zeitraum nur gut 2 Prozent ab. Die Effekte sind allerdings nach bisherigem Kenntnisstand nach dem Absetzen des Medikaments nicht von Dauer – wer nicht mehr spritzt, läuft Gefahr, wieder zuzunehmen.
Und wie sieht es mit den Kosten aus? Die Patienten müssen sich das Präparat einmal pro Woche selbst spritzen, in den USA beträgt der Listenpreis für eine einmonatige Behandlung aktuell 1300 Dollar (knapp 1200 Euro). Für Deutschland beträgt der Apothekenabgabepreis für eine Vier-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) »nur« 300 Euro. . Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Indikation »Gewichtsabnahme« nicht, da Medikamente zum Abnehmen in Deutschland als Lifestyle-Präparate eingestuft und damit nicht erstattungsfähig sind. Für viele Experten ein Unding, denn medizinisch gesehen handelt es sich bei Adipositas um eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Wenn stark übergewichtige oder adipöse Menschen abnehmen, sinkt auch ihr Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen. Die Kosten für deren Behandlung könnten die Kassen dann einsparen.
Arzneistoffe aus der Gruppe der selektiven GLP-1-Agonisten rufen die gleichen Effekte wie das Inkretinhormon GLP-1 hervor. Sie alle werden subkutan als Injektionslösung oder -suspension verabreicht. Derzeit zugelassen sind Exenatid (Bydureon®, Byetta®), Liraglutid (Saxenda®, Victoza®), Lixisenatid (Suliqua®), Dulaglutid (Trulicity®) und Semaglutid (Ozempic, Wegovy). Neben Semaglutid hat auch Liraglutid eine separate Zulassung bei Adipositas ohne Diabetes, der Abnehmeffekt scheint etwas geringer ausgeprägt zu sein.
Der neueste Wirkstoff im Bunde ist Tirzepatid (Mounjaro®) mit doppeltem Wirkmechanismus: Es wirkt nicht nur als GLP-1-Agonist, sondern auch wie das Inkretinhormon GIP (Gastrisches Inhibitorisches Polypeptid), das ebenfalls die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse stimuliert. Bei Tirzepatid wurde auch eine deutliche Gewichtsreduktion beobachtet, es ist bislang allerdings auch nur als Antidiabetikum zugelassen. In Deutschland ist es noch nicht verfügbar.