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Nicht verkohlen!

Acrylamid in Speisen

Steigende Temperaturen und sonniges Wetter geben den Startschuss für die Grillsaison. Werden Fleisch oder stärkehaltige Beilagen zu heiß gegrillt oder zu scharf angebraten, kann gesundheitsschädliches Acrylamid entstehen. Damit die Speisen vom Rost dennoch gesund bleiben, sollten Grillliebhaber ein paar Dinge beachten.
Inka Stonjek
21.04.2021  08:30 Uhr

Außen knusprig, innen saftig und mit feinen Röstaromen – so muss es sein, das perfekte Steak. Die tolle Kruste mit Spuren vom Grillrost ist das Ergebnis der sogenannten Maillard-Reaktion. Benannt nach ihrem Entdecker, dem französischen Wissenschaftler Louis Camille Maillard (1878-1936), werden unter diesem Begriff eine ganze Reihe chemischer Abläufen zwischen reduzierenden Zuckern wie Glucose, Fructose, Galactose, Maltose und Lactose sowie Aminosäuren zusammengefasst.

Was es dazu braucht, ist trockene Wärme. Bei einer Temperatur von etwa 120 °C reagiert die Carbonylgruppe des Zuckers zunächst mit der Aminogruppe der Aminosäure beziehungsweise des Eiweißmoleküls. Danach laufen verschiedene Reaktionskaskaden ab, die fast alle in der Bildung von sogenannten Melanoidinen enden. Diese gelbbraunen bis fast schwarz gefärbten, stickstoffhaltigen organischen Verbindungen bilden sich in der Kruste an der Oberfläche eines Lebensmittels und bestimmen seine sensorische Qualität wie Farbe, Geruch und Geschmack mit. So verdankt Röstkaffee sein Aroma mehr als 800 solcher Verbindungen, gebratenes Fleisch und Kakao mehr als 500. Die Lebensmittelindustrie stellt Melanoidine zudem isoliert her. Erhitzt man beispielweise die Aminosäure Cystein und den Zucker Glucose miteinander, entsteht der Duft eines Steaks. Verwendet man stattdessen die Aminosäure Glycin, macht sich der Duft von Karamell breit. Nach frischem Brot riecht es, wenn die Aminosäure Prolin mit Glucose erhitzt wird.

Übrigens: Nicht jede Bräunung wird von einer Maillard-Reaktion verursacht. Beim Karamellisieren beispielsweise reagieren nur Zucker miteinander, keine Aminosäuren. Auch die Braunfärbung an der Schnittfläche eines Apfels ist nicht Maillard-basiert, da sie von Enzymen katalysiert wird. Die Maillard-Reaktion läuft nicht-enzymatisch ab.

Je heißer, desto schneller

Welche Melanoidine bei der Maillard-Reaktion im Detail entstehen, ist nicht nur von Art und Menge der beteiligten Zucker und Aminosäuren abhängig, sondern auch Temperatur, Garzeit, Wassergehalt und pH-Wert spielen eine Rolle. So beeinflusst die Temperatur etwa die Reaktionsgeschwindigkeit der Maillard-Reaktion.

Sie setzt erst ein, wenn die Flüssigkeit im Lebensmittel weitgehend verdampft ist. Ein Brot oder ein Kuchen bräunt daher erst die letzten 10 bis 15 Minuten der Backzeit, wenn die Oberfläche etwa 110 °C erreicht hat und trocken ist. Bei höheren Temperaturen hingegen verläuft die Maillard-Reaktion deutlich schneller. Doch Vorsicht: Spätestens, wenn die Speisen eine Temperatur von 180 °C erreicht haben, setzt die Pyrolyse ein. Die Speisen verbrennen und bekommen einen bitteren Geschmack.

Zu dunkel gebratene Lebensmittel haben zudem einen weiteren Nachteil. Sie enthalten Acrylamid. Acrylamid ist eine unerwünschte Substanz, die bei der Maillard-Reaktion aus der Aminosäure Asparagin und Glucose oder Fructose entstehen kann. Es hat sich gezeigt, dass die Bildung bei Temperaturen von 120 °C beginnt und bei 170 bis 180 °C sprunghaft ansteigt. Da Asparagin vor allem in Kartoffeln und Getreide vorkommt, sind deren gebratene oder frittierte Erzeugnisse wie Chips, Pommes frites, Bratkartoffeln und Kroketten, aber auch Kekse, Kräcker und Toastbrot besonders empfindlich für zu hohe Acrylamid-Gehalte. Auch Kaffee kann Acrylamid enthalten, bei dem es als Nebenprodukt beim Rösten entsteht.

Schädlich beim Tier

Acrylamid ist wasserlöslich und wird nach dem Verzehr aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen, in alle Organe verteilt und verstoffwechselt. Glycidamid ist dabei eines der Hauptstoffwechselprodukten und Experten gehen davon aus, dass dieses überwiegend für die bekannten Wirkungen von Acrylamid verantwortlich ist. So zeigte es in Tierversuch eindeutig krebserzeugende und erbgutverändernde Eigenschaften. Studien direkt am Menschen haben bisher begrenzte und widersprüchliche Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko erbracht. Die Wirkung von Acrylamid auf das Nervensystem, die vor- und nachgeburtliche Entwicklung sowie die Fortpflanzungsfähigkeit bei Männern wurde als nicht bedenklich eingestuft.

Trotzdem schließt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nicht aus, dass Acrylamid in Lebensmitteln für den Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellen kann. Vor allem bei Kindern besteht die Gefahr, dass sie – bezogen auf ihr Körpergewicht – schnell höhere Mengen aufnehmen können. Aufgrund dessen ordnet die EFSA Acrylamid als Problem für die öffentliche Gesundheit ein und mahnt weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Acrylamid in Lebensmitteln an. Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes gilt daher, dass die Acrylamid-Gehalte in Lebensmitteln so niedrig wie möglich sein sollten.

Acrylamid vermeiden

Seit April 2018 nimmt deshalb eine entsprechende »EU-Verordnung zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamid-Gehalts in Lebensmitteln« lebensmittelherstellende und –verarbeitende Betriebe europaweitweit in die Pflicht. Lebensmittelhersteller, Bäckereien, Restaurants und Imbisse müssen seitdem verbindliche Maßnahmen zur Reduzierung des Acrylamid-Gehalts ergreifen, zum Beispiel:

  • Auswahl von Rohstoffen mit geringen Gehalten an reduzierenden Zuckern und Asparagin
  • Vorbehandlung der Rohstoffe wie Einweichen oder Blanchieren der Kartoffeln vor dem Frittieren
  • Veränderung der Garprozesse (weniger Hitze, längere Garzeit, geringe Bräunung)
  • Einsatz von Farbkarten über den idealen Bräunungsgrad von Pommes frites
  • Umstellung von Kaffee-Rezepturen auf Robusta-Sorten anstelle von Arabica

Da Acrylamid auch beim herkömmlichen Kochen, Backen, Braten, Frittieren oder Grillen zu Hause entstehen kann, sollten sich Verbraucher ebenfalls an diesen Maßnahmen orientieren, um den Acrylamid-Gehalt in Speisen zu reduzieren. Wer hier ganz sichergehen will, bevorzugt »feuchte« Zubereitungsarten wie Dämpfen, Dünsten oder Kochen, bei denen wenig Acrylamid entsteht.

Gebratenes, Gebackenes und Frittiertes sollte Bestandteil einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung sein und nicht zu häufig auf dem Speiseplan stehen. Die Speisen selbst bei möglichst niedrigen Temperaturen und kurzen Garzeiten zubereiten, sodass sie nicht zu stark bräunen oder gar verbrennen. Im Backofen reichen 180 °C (Umluft) beziehungsweise 200 °C (ohne Umluft), in der Fritteuse sollten 175 °C nicht überschritten werden. Bei Fertigprodukten bedeutet dies, gegebenenfalls die Zubereitungsempfehlungen abzuwandeln.

Personengruppe Quellen (Anteil in Prozent)
Erwachsene • gebratene oder frittierte Kartoffelerzeugnisse einschließlich Pommes frites, Kroketten und Bratkartoffeln (49 Prozent)
• Kaffee (34 Prozent)
• Toastbrot (23 Prozent)
Kinder und Jugendliche • gebratene oder frittierte Kartoffelerzeugnisse ausgenommen Kartoffelchips und Snacks (51 Prozent)
• Toastbrot, Frühstückszerealien, Kekse und sonstige Erzeugnisse auf Basis von Getreide oder Kartoffeln (25 Prozent)
Säuglinge • andere Babynahrung als Getreidebeikost (60 Prozent)
• sonstige Erzeugnisse auf Kartoffelbasis (48 Prozent)
• Getreidebeikost hauptsächlich Zwieback und Kekse (30 Prozent)
Hauptquellen der ernährungsbedingten Exposition mit Acrylamid (Quelle: Efsa)
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