ADHS-Wirkstoffe könnten Alzheimer-Symptome lindern |
Inwiefern ADHS-Medikamente bei der Therapie von Alzheimer-Symptomen helfen können, muss noch in größeren Studien untersucht werden. / Foto: Getty Images/tomertu
Ein Team um Michael David vom Imperial College London hat kürzlich die Ergebnisse einer gepoolten Datenanalyse im »Journal of Neurology Neurosurgery & Psychiatry« veröffentlicht. Das Fazit der Wissenschaftler: Noradrenerg wirkende Substanzen bieten höchstwahrscheinlich eine wirksame Behandlungsoption bei Morbus Alzheimer hinsichtlich Kognition und Apathie. David und Kollegen plädieren jedoch dafür, mehrere Aspekte zu berücksichtigen, bevor neue klinische Studien konzipiert werden. Dazu gehören deren Ausrichtung auf geeignete Patientensubgruppen sowie ein Verständnis der Dosiseffekte einzelner Medikamente und ihrer Wechselwirkungen mit anderen Behandlungen, um Risiken zu minimieren und therapeutische Wirkungen zu maximieren.
Noradrenerge Störungen treten früh bei der Alzheimer-Krankheit auf und tragen zu den kognitiven und neuropsychiatrischen Symptomen bei, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung. Das deute darauf hin, dass das noradrenerge System ein gutes Target für eine medikamentöse Behandlung sein könne – eben nicht nur bei der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), sondern auch bei Morbus Alzheimer.
Der Neurotransmitter Noradrenalin ist unter anderem daran beteiligt, Stress, Gefühle und Aufmerksamkeit zu kontrollieren. Auch für die langfristige Speicherung von neuen Erinnerungen, Fähigkeiten und Kenntnissen ist der Botenstoff Tierstudien zufolge wichtig. Hauptquelle von Noradrenalin ist ein kleiner Kern im Gehirn, der blaue Kern (Locus coeruleus). Bei Alzheimer-Patienten ist dieser krankhaft verändert.
Die Forscher suchten daher nach Studien, in denen noradrenerg wirksame Arzneistoffe, darunter oftmals ADHS-Wirkstoffe wie Atomoxetin, Methylphenidat und Guanfacin, verwendet wurden, um möglicherweise kognitive und/oder neuropsychiatrische Symptome bei Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen zu verbessern. Sie schlossen insgesamt 19 randomisierte Studien ein, die sich auf die Alzheimer-Krankheit und leichte kognitive Beeinträchtigung konzentrierten und an denen insgesamt mehr als 1800 Patienten teilnahmen.
Die Ergebnisse von zehn dieser Studien, an denen 1300 Patienten teilnahmen, wurden hinsichtlich der Fragestellung »Kognition« gepoolt. Es wurden also Aspekte wie Orientierung und Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprachfluss, Sprache und visuell-räumliche Fähigkeiten berücksichtigt. Das Ergebnis war eine kleine, aber dennoch signifikant positive Wirkung von noradrenergen Medikamenten auf die allgemeine Kognition.
Die Ergebnisse von acht Studien mit 425 Patienten wurden zudem bezüglich Verhalten und neuropsychiatrische Symptome, Agitiertheit und Apathie gepoolt. Hier zeigte sich eine große positive Wirkung von noradrenergen Medikamenten auf Apathie. »Es gibt gute Gründe für weitere gezielte klinische Studien mit noradrenergen Behandlungen bei der Alzheimer-Krankheit«, schließen die Forscher in der Pressemitteilung.