Älter werden, dennoch jung bleiben |
Eine Art Wissenschafts-Entertainment gab es am Donnerstag in der Pharmaworld bei der Expopharm. Nina Ruge und Professor Dr. Manfred Schubert Zsilavecz diskutierten über »Jung-bleib-Strategien«. / Foto: PZ/Alois Mueller
Es ist möglich, das biologische Alter zu verjüngen. Da ist sich Nina Ruge ganz sicher. »Wir können die epigenetische Uhr etwas zurückdrehen. Das haben viele Forschungsprojekte mittlerweile gezeigt. Allerdings bezieht sich das lediglich auf die Zellbiologie und nicht auf unsere mental-kognitive Leistungsfähigkeit.« Auch ganz wichtig: Interventionen zur Stärkung der Zellkompetenz müssen frühzeitig einsetzen, und nicht erst, wenn der Funktionsverlust bereits zu Krankheiten wie Atherosklerose, Herzinfarkt oder Diabetes geführt hat. Denn: »Das Altern beginnt spätestens mit 25 Jahren!«
Zu 70 Prozent ist unser biologisches Alter durch den Lebenswandel beeinflussbar. Nur 30 Prozent ist genetisch bestimmt. Und damit kommt einer gesunden Ernährung, ausreichend Bewegung, erholsamem Schlaf, mentalen Faktoren sowie Hitze und Kälte eine enorme Bedeutung zu. »Weil die Art und Weise unseres Lebensstils unsere epigenetische Signatur zu beeinflussen mag, haben wir eine enorme Selbstverantwortung, wie wir alt werden. Und das erfordert viel Disziplin«, sagte Ruge, selbst mittlerweile 66 Jahre alt.
Es sei möglich, durch einen gesunden Lebensstil drei wesentliche »Zellkompetenzen« – wie Ruge es nennt - zu stärken, und zwar die Zellerneuerung, deren Energieversorgung und Entgiftung. Mit der Zeit verlieren Stammzellen an Potenz, DNA-Reparatursysteme schwächeln. Die Mitochondrien verlören pro Jahr ein Prozent ihrer Leistungsfähigkeit, ihre Dynamik ließe nach und die Atmungskette eines 60-Jährigen bringe nur noch die Hälfte ihrer ursprünglichen Leistung, führte Ruge aus. Gleichzeitig fallen verstärkt nicht mehr benötigte und krankhafte Zellbestandteile an, weil Prozesse der Autophagie, also der zelleigenen Recycling-Anlage weniger effizient arbeiten.
Im kalorischen Fasten sieht Ruge eine gute Möglichkeit, die Zellkompetenzen länger zu erhalten. Sie bevorzuge das intermittierende Fasten. »Durch den Hungerstoffwechsel in der Fastenphase geht der Körper an seine Fettreserven. Dabei werden Ketonkörper als Ersatzbrennstoff freigesetzt, Blutzucker- und Insulinspiegel bleiben niedrig. Der Körper beginnt, aus alten, geschädigten oder überflüssigen Zellbestandteilen Energie zu gewinnen. Heißhungerattacken bleiben dadurch aus, und das Abnehmen fällt leichter. Eine Fastenphase von ungefähr 16 Stunden ist für diese Wirkung notwendig. Man lernt aber auch, sich an ein Gefühl von Hunger zu gewöhnen.« Durch den permanenten Überfluss und Wohlstand in unserer Gesellschaft werde dieser Prozess jedoch gestört. Die Autophagie helfe, Hunger zu überleben und sich vor chronischen Krankheiten zu schützen.
Schon vor vielen Jahren haben Wissenschaftler in Laborversuchen herausgefunden, dass Tiere gesünder sind, wenn man ihnen nicht fortlaufend Essen anbietet, sondern sie Pausen machen. Sie litten seltener unter chronischen Erkrankungen und lebten um 20 bis 30 Prozent länger. Zwar kann man diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Aber auch in Humanstudien zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass Intervallfastende neben dem Gewichtsverlust noch viele weitere gesundheitliche Vorteile haben: Sie stärken ihre Immunabwehr und Herzgesundheit (wie bei Bluthochdruck) und verbessern den Zucker- und Fettstoffwechsel.
Neben einer gemüsebasierten Ernährung (80 % des Tagesbedarfs) ohne jegliche kurzkettige Kohlenhydrate setzt Ruge auf drei Nahrungsergänzungsmittel, »von denen ich denke, dass sie im Kampf gegen das Altern effektvoll sein können«. Den Einsatz von Coenzym Q10 hält sie ab einem Alter von etwa 40 Jahren für sinnvoll. Da seine Bioverfügbarkeit jedoch unter 10 Prozent liege, sei auf spezielle Formulierungen wie etwa eine Cyclodextrin-Ummantelung zu achten. Auch die Substitution des Coenzyms NAD+ als »Mitochondrien-Unterstützer« sei aufgrund seiner schlechten Bioverfügbarkeit nicht ohne Weiteres möglich. Hier gelte es, Vorstufen wie Niacin, NR oder NMN zu nutzen. Zusätzlich empfiehlt Ruge die Einnahme von Spermidin als »wahren Autophagiebooster«, der neue Liebling der »Longevity«-Anhänger. Allerdings seien »seriöse Quellen zum Bezug« notwendig.