Therapie per Atemzug. Das befreit die Nase und den Kopf. / © Getty Images/Alain SHRODER
Ätherische Öle sind flüchtige Vielstoffgemische, die sich im Wesentlichen aus oxidierten und nicht oxidierten Monoterpenen, Sequiterpenen und Phenyolpropanen zusammensetzen. Daneben werden auch schwefelhaltige, stark riechende Lauchöle und Senföle wie in Kapuzinerkresse und Meerrettich als ätherische Öle beschrieben.
Klassischerweise und bereits zu Urgroßmutters Zeiten werden Kamillenblüten mit heißem Wasser übergossen, und ein Kopfdampfbad sorgt für Durchzug in verstopften Nasenhöhlen. Sicherer in der Anwendung sind freilich wärmeisolierte und auslaufsichere Dampfinhalatoren.
In jedem Fall befeuchtet der heiße Dampf die Schleimhäute in Nase und Rachen, löst Borken in der Nase und unterstützt die Verflüssigung des zähen Sekrets. Um aber über die Stimmlippen hinaus in den Atemwegen eine Wirkung vermitteln zu können, sind Wassertröpfchen zu groß. Auf Bronchien und Lunge hat diese Form der Inhalation also nur eine geringe direkte Auswirkung.
Hier kommen die ätherischen Öle ins Spiel: Ihre Wasserdampfflüchtigkeit prädestiniert sie für den Zusatz in Dampfinhalatoren. Kamillen-, Eukalyptus-, Minz-, Fichtennadel- oder Latschenkiefernöl haben die Eigenschaft, sich an Wassermoleküle anzuheften und mit ihnen gemeinsam in die Dampfphase überzugehen. Die dabei entstehenden Tröpfchen haben eine Größe von etwa 15 Mikrometer, verbleiben somit in den oberen Atemwegen und machen die Dampfinhalation zum probaten Behandlungsmittel etwa einer Nasennebenhöhlen- oder Rachenentzündung.
Ätherische Öle lassen sich jedoch auch inhalieren, indem sie als halbfeste Zubereitung – meist mit Vaseline – auf Brust und Rücken aufgetragen werden (wie Wick VapoRub® mit Applikator, Transpulmin® Erkältungsbalsam, Retterspitz® Bronchialcreme). Das ermöglicht quasi eine Dauerinhalation von mehreren Stunden. Die Erkältungssalben können auch als 4 bis 5 cm langer Salbenstrang in Dampfinhalatoren mit heißem Wasser übergossen werden.
Nasen- und Hustensalben mit ätherischen Ölen sind leicht in der Rezeptur herzustellen und für die Wintersaison ein bei Kunden beliebtes Add-on. Im DAC/NRF gibt es etwa Rezepturvorschriften für eine Menthol-Paraffinnasensalbe (0,9 % (NRF 8.9) und eine Hustensalbe (NRF 4.8). Beide sind mit Menthol standardisiert.
Das europäische Arzneibuch beschreibt Menthol (Levomenthol) und Racemisches Menthol. Doch nur das linksdrehende Levomenthol wirkt sekretolytisch und bronchospasmolytisch an den Atemwegen und ist als Rezeptursubstanz erhältlich. Die Hustensalbe enthält überdies noch racemischen oder D-Campher, Eukalyptusöl, Latschenkiefernöl und Terpentinöl.
Grundlage ist jeweils eine Vaselin-Paraffin-Mischung. Menthol löst sich problemlos darin, der Ansatz muss nicht erwärmt werden. Das ist wegen des leicht flüchtigen Menthols ohnehin zu vermeiden. Beide Salben werden in Aluminiumtuben abgefüllt, bei der Nasensalbe kann zusätzlich ein Nasensalben-Applikator angebracht werden.
Nicht zu vergessen: Öle mit einem Anteil von Menthol oder Campher sind für Kleinkinder unter zwei Jahren wegen der Gefahr eines Glottiskrampfs oder eines reflektorischen Bronchospasmus nicht geeignet. Auch Eukalyptus-, Rosmarin- und Salbeiöl sollten wegen ihres Ketongehaltes (vor allem Thujon) bei Kleinkindern nur zurückhaltend dosiert werden.
Menthol ist auch ein probater Beschwerdehelfer bei Kopfschmerzen im Zuge von grippalen Infekten. Eine 10-prozentige Pfefferminzöl-Lösung (Euminz®) wird mit einem Applikator auf Stirn und Schläfen aufgetragen und wirkt bei Spannungskopfschmerzen schmerzlindernd und entspannend. Laut der Praxis-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin bescheinigen Studien dem Präparat eine ähnliche Wirksamkeit wie die Einnahme von Paracetamol oder Acetylsalicylsäure.
Die Kenntnis, wie die leicht flüchtigen Substanzen überhaupt wirken, hat sich in jüngster Zeit enorm erweitert. Eine zentrale Rolle im Wirkgeschehen spielen die TRP-Kanäle, sogenannte Transient Rezeptor Potential Channels - zelluläre Ionenkanäle, die sich überall auf der Schleimhaut der Atemwege befinden. Werden sie aktiviert, leiten sie die entsprechenden Signale über die sensorischen Neuronen an das Gehirn weiter, wo das Hustenzentrum aktiviert wird. Die Inhaltsstoffe ätherischer Öle adressieren und modulieren verschiedenste TRP-Kanäle, haben Wissenschaftler am Zentrum für Biomedizin der Hull York Medical School erforscht.
Zu den Kanälen, die an der Entstehung von Erkältungssymptomen beteiligt sind, gehören TRPM8, TRPA1, TRPV1 und TRPV4. Die Kanäle werden durch die unterschiedlichsten Reize wie Temperatur, Druck und Dehnung stimuliert. Bei Aktivierung sind sie typabhängig für Kationen wie Calcium, Natrium oder Magnesium permeabel und schütten vermehrt ATP aus.
Menthol, der Hauptbestandteil von Pfefferminzöl, erreicht zum Beispiel beim Inhalieren nasale Kälterezeptoren, wodurch ein Gefühl erleichterter Nasenatmung entsteht. Zusätzlich wirkt Menthol agonistisch an TRPM8- und antagonistisch an TRPA1-Ionenkanälen – was eine antitussive Wirkkomponente vermittelt.
1,8-Cineol, der Hauptbestandteil im Eukalyptusöl, nutzt wie Menthol den TRPM8-Kanal und antagonisiert TRPA1. Wird 1,8-Cineol inhalativ angewendet, reagiert es direkt mit Thermorezeptoren der Nasenschleimhaut. Dies stimuliert das Flimmerepithel und treibt somit die mukoziliäre Clearance an. Zudem wird auch der TRPV4-Kanal antagonisiert, was die ATP-Freisetzung in den Epithelzellen mindert: Das trägt zu seiner abschwellenden, bronchienerweiternden und schleimlösenden Wirkkomponente bei – was auch in oralen Darreichungsformen wie Weichgelatinekapseln (wie Gelomyrtol® forte, Sinolpan® Kapseln,) genutzt wird.
Die Evidenz besonders des Mischspezialdestillats Gelomyrtol auf Basis rektifizierter Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöle (Spezialdestillat ELOM-080) gilt als erbracht. Zahlreiche Studien belegen einen rund zwei bis zweieinhalb Tage schnelleren Heilungsverlauf von Atemwegsinfekten und Bronchitis. Die expektorierend wirkenden Inhaltsstoffe helfen, die Sekretviskosität zu normalisieren und über die Aktivierung der Flimmerhärchen die körpereigenen bronchiale Clearance anzutreiben. Das fördert das Abhusten von Sekret.
Professor Dr. Robert Fürst, Phytopharmaka-Experte vom Departement Pharmazie der Universität München, beschreibt die Husten-Phytopharmaka so: »Bei ihnen gehen entzündungshemmende und antiinfektive Effekte Hand in Hand. Sie können beides. Das Besondere im Bereich der Naturstoffe im Infektionsbereich ist, dass sie einen breiten Ansatz haben sowie meist antiviral und antibakteriell wirken.«