Aktuelle Stimmen zum Einsatz von Paxlovid |
Seit kurzem ist es Arztpraxen, Krankenhäusern und vollstationären Pflegeeinrichtungen erlaubt, mehrere Packungen Paxlovid über ihre regelmäßige Bezugsapotheke zu beziehen und vorzuhalten. So sollen die Tabletten schneller und unkomplizierter zum Patienten gelangen. Hinzu kommen neue Daten aus der Anwendung in anderen Ländern, die auch Verläufe bei Menschen mit Covid-19-Impfungen berücksichtigen.
US-Forscher etwa werteten Krankenkassendaten in Hinblick auf Besuche in der Notaufnahme, Krankenhausbehandlungen und Todesfälle wegen Covid-19 aus. Sie stellten verglichen mit unbehandelten Patienten ein verringertes Risiko bei mit Paxlovid behandelten Corona-Infizierten fest. Die relative Risikoreduktion wurde im Journal »Clinical Infectious Diseases« mit 45 Prozent angegeben.
Ergebnisse einer Studie mit israelischen Krankenkassendaten stützen den Einsatz bei älteren Patienten auch in Omikron-Zeiten. Wie das Autorenteam im »New England Journal of Medicine« festhält, fielen bei Patienten über 65, die Paxlovid bekamen, die Raten von Krankenhausbehandlungen und Tod wegen Covid-19 signifikant niedriger aus als bei nicht damit behandelten Infizierten. »Bei jüngeren Erwachsenen wurden jedoch keine Hinweise auf einen Nutzen gefunden.«
Bei diesen Untersuchungen gibt es methodisch jedoch einen Haken: Es sind sogenannte Kohortenstudien, für die Daten erst im Nachhinein gruppiert und mit statistischen Methoden verglichen wurden. Als Goldstandard zur Nutzenbewertung von Behandlungen gelten hingegen randomisierte kontrollierte Studien: Dabei werden Probanden vor der Behandlung zufällig einer Medikamenten- oder Placebo-Gruppe zugeordnet. Bei den neuen Daten ist eine Verzerrung der Ergebnisse durch weitere Faktoren somit nicht bestmöglich ausgeschlossen.
Für Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) lautet das Fazit trotz dieser Einschränkung: »Menschen ab 65 Jahren oder mit unvollständiger Corona-Impfserie oder mit schweren Vorerkrankungen profitieren auch in Omikron-Zeiten von Paxlovid.« Das Mittel habe sich zudem als deutlich effektiver als die Alternative Molnupiravir erwiesen. Für Jüngere ohne Immunschwäche und vollständig Geimpfte müsse es aber nicht propagiert werden. »Es darf auch keinen Verwendungsdruck vor dem Hintergrund zu viel eingekaufter Dosen geben«, mahnte Kluge. Er ist federführend an der medizinischen Leitlinie mit Empfehlungen zur stationären Therapie von Covid-19-Patientinnen und Patienten beteiligt, deren neue Version am Montag erschienen ist.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (Degam), Martin Scherer, erklärte auf Anfrage: »Paxlovid kann gerade bei älteren Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen und einem eingeschränkten Immunschutz schwere Verläufe verhindern, es sollte daher bevorzugt bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf eingesetzt werden.« Der Einsatz sei auch bei geimpften Risikopatienten, die keinen ausreichenden Immunschutz aufbauen konnten, zu befürworten.
Mögliche Nebenwirkungen sind Geschmacksstörungen, Durchfall und Erbrechen. Für den Infektiologen Salzberger ist wichtig, dass sich frisch Infizierte mit Risikofaktoren erst einmal bei ihrem Hausarzt melden. »Das gibt es leider auch, dass Patienten gar nicht erst losgehen.« Die Erfahrung habe zudem gezeigt, dass Paxlovid selbst im Fall einer Verordnung nicht immer eingenommen werde – etwa wenn Erkrankte schon die Covid-19-Impfung ablehnten.
Experten rufen Mediziner dazu auf, mögliche Wechselwirkungen und Gegenanzeigen gründlich zu prüfen. Diese können Infizierten drohen, die zeitgleich bestimmte andere Medikamente nehmen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.