Akute und chronische Zystitis behandeln |
Isabel Weinert |
08.08.2023 15:30 Uhr |
Heftiger Harndrang, dann nur wenige Tröpfchen, die herauskommen, und dazu ein höllisches Brennen – das deutet auf eine akute Blasenentzündung hin. / Foto: Adobe Stock/Ralph Messmer
Jede zweite Frau erkrankt einmal im Leben an einer Zystitis. Wiederum die Hälfte davon bleibt auch danach nicht verschont, sondern erleidet eine weitere Entzündung im selben Jahr. Und ein Teil dieser Frauen entwickelt ein chronisches Leiden, Blasenentzündungen gehören dann leider immer wieder zum eigenen Leben.
Nein, niemand kann etwas dafür, wenn er eine Blasenentzündung bekommt. Auch wenn Angehörige schnell mit Vorwürfen dabei sind: »Du hast ja auch deine nassen Badesachen nicht gewechselt« oder »Du musstest ja ewig in der Kälte sitzen«. Natürlich kann beides eine Blasenentzündung begünstigen, aber dennoch muss da noch etwas anderes sein, um sie schlussendlich zu bekommen.
Mediziner gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung dafür gibt, immer wieder Blasenentzündungen zu erleiden. Erkranken also in der Familie Frauen häufiger an einer Blasenentzündung, ist die Wahrscheinlichkeit auch für den weiblichen Nachwuchs größer. Und auch bei einem Erstinfektionsalter von unter 15 Jahren liegt eher eine besondere Vulnerabilität vor. Außerdem spielt die Anatomie eine Rolle. Kleinste Engstellen oder ein kurzer Abstand zwischen Anus und Harnröhreneingang erleichtern Keimen den Aufstieg in die Harnblase.
Menschen mit Diabetes erkranken im Schnitt ebenfalls häufiger. Hier trifft es vermehrt diejenigen mit einer schlechten Stoffwechseleinstellung. Die Wechseljahre spielen auch eine Rolle. Adipositas und eine übertriebene Intimhygiene werden in der S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen ebenfalls als Risikofaktoren genannt. Verwenden Frauen zur Verhütung Diaphragmen und spermizide Mittel, dann steigert auch das die Gefahr für eine Blasenentzündung.
Frauen sind deutlich überrepräsentiert, wenn es um Zystitis geht. Das liegt an der kurzen Harnröhre, verglichen mit der langen des Mannes. Bis Bakterien dort in der Harnblase landen, müssen sie ein gutes Stück Weg zurücklegen. Außerdem bildet die Prostata ein antibakterielles Sekret.
Bei Frauen gelangen Keime aus dem Enddarm/Anus (auch des Mannes beim Sex) ganz leicht in die Harnblase. Der häufigste Erreger einer unkomplizierten Harnwegsinfektion ist Escherichia coli, gefolgt von Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis. Es sind auch die Frauen, die an chronischen Harnwegsinfekten leiden. Von chronisch sprechen Mediziner, wenn mehr als drei Infektionen binnen zwölf Monaten oder mindestens zwei oder mehr binnen eines halben Jahres auftreten.
Bei jüngeren Männern ist das wirklich sehr selten. Mit dem Alter nimmt die Zahl der Erkrankten aber zu. Das liegt oft an der Prostata. Vergrößert sie sich, drückt sie die Harnröhre zusammen, Männer können dann nicht mehr erschöpfend Urin lassen und im verbleibenden Restharn nisten sich leicht Bakterien ein. Bei Männern geht eine Zystitis aber auch häufíg auf das Konto von Vernarbungen in der Harnröhre zurück. Selten ist es ein Tumor, der die Entzündung begünstigt. Hier gibt es Warnsignale: roter Urin in der akuten Entzündung und danach trotz abgeheilter Zystitis immer noch nachweisbares, wenn auch nicht mehr sichtbares Blut.
Bei einer akuten Entzündung mischt sich durch die entzündeten Schleimhäute bei Frauen häufiger Blut dem Urin bei. Auf jeden Fall sollte man dann zum Arzt gehen. Ein Warnsignal für eine schwerwiegendere Erkrankung ist das bei Frauen aber eher nicht. Anders sieht das aus, wenn der Urin sichtbares Blut enthält, ohne, dass eine akute Blasenentzündung vorliegt. Dieses Symptom erfordert stets einen zeitnahen Besuch beim Arzt.
Mediziner unterscheiden zwischen unkomplizierter und komplizierter Zystitis. Warnhinweise für einen komplizierten Verlauf sind Fieber, Schmerzen im Bereich der Nieren und/oder, wenn sich Betroffene immer schlechter statt besser fühlen oder über mehrere Tage oder immer wieder Beschwerden haben. In diesen Fällen brauchen sie den Rat, den Arzt aufzusuchen. Das gilt auch für schwangere Frauen, Männer, Kinder, schlecht eingestellte Diabetiker und Menschen, deren Immunsystem medikamentös oder im Rahmen einer Tumortherapie geschwächt ist.
Laut Leitlinien sollte bei der akuten unkomplizierten Zystitis zwar eine antibiotische Therapie empfohlen werden, aber: »Bei Patientinnen mit leichten/mittelgradigen Beschwerden kann die alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patienten ist notwendig«, schreiben die Autoren.
Bereits ohne jedwede Therapie heilt eine Zystitis bei 30 bis 50 Prozent der Patienten binnen einer Woche von alleine aus. Ein komplizierter Verlauf ist selten und die symptomatische Therapie mit Ibuprofen 400 dreimal am Tag spart Antibiotikum und ist damit ein Baustein, Antibiotika-Resistenzen zu bremsen.
Nicht ganz, aber fast ebenbürtig, zeigte eine Studie. Nach einer Woche hatten 70 Prozent der Ibuprofen-Anwenderinnen keine Beschwerden mehr, bei der Einmalgabe von Fosfomycin waren es 80 Prozent. Von den Frauen mit der symptomatischen Therapie brauchten Zweidrittel auch im weiteren Verlauf kein Antibiotikum. Den Frauen mit Ibuprofen ging es nicht ganz so schnell besser wie den Frauen mit dem Antibiotikum. Geringfügig häufiger entwickelten sich auch Komplikationen.
In den bereits genannten Fällen mit Fieber, schlechtem Allgemeinzustand, Flankenschmerz, bei Schwangeren, Männern, Kindern, Menschen mit chronischer Krankheit und/oder Immunschwäche ist ein Antibiotikum notwendig.
Mittel der Wahl sind laut Leitlinien Fosfomycin-Trometamol in einer Dosis von 3000mg einmalig; Nitrofurantoin 50mg viermal am Tag über sieben Tage; Nitrofurantoin RT (Retardform = Makrokristalline Form) 100mg zweimal am Tag über fünf Tage; Nitroxolin 250mg dreimal täglich über fünf Tage sowie Pivmecillinam 400mg, über drei Tage zwei- bis dreimal am Tag.
Die S3-Leitlinie sagt hier: »Folgende Antibiotika sollen bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden: Cefpodoxim-Proxetil, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Levofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin (in alphabetischer Reihenfolge).«
Laut S3-Leitlinie sind bei chronischer Zystitis nicht antibiotische Maßnahmen einer vorbeugenden Langzeitantibiose zunächst vorzuziehen. Dazu zählt eine dreimonatige Behandlung mit dem oralen Immunprophylaktikum UroVaxom oder, alternativ, drei Injektionen mit StroVac im Abstand von je einer Woche. Die Behandlungen führen nicht bei jeder Patientin zum Erfolg, schlagen sie aber an, haben die Frauen tatsächlich über einen längeren Zeitraum keine Entzündung mehr oder zumindest deutlich seltener. Vorbeugend wirkt zudem auch D-Mannose, am besten pro Tag zwei Gramm.
Die S3-Leitlinie empfiehlt bei häufig rezidivierender Zystitis Präparate aus Bärentraubenblättern (aber nur für maximal eine Woche und das nicht öfter als fünfmal pro Jahr), sowie solche mit Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Letztere ohne zeitliche Begrenzung, nach fünf Tagen sollte jedoch ein Arzt hinzugezogen werden.
In der interdiszipliären S2k-Leitlinie »Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe« sprechen sich die Autoren dafür aus, dass nach ärztlicher Aufklärung der Patientin über ein erhöhtes Risiko für eine Entzündung des Nierenbeckens bei Mädchen ab zwölf Jahren mit wiederkehrenden unkomplizierten Blasenentzündungen symptomatisch therapiert werden darf. Die Leitlinie nennt hier als einzusetzendes Phytotherapeutikum eine Kombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern.
Um die Blase zu durchspülen, eignen sich unter anderem Birkenblätter, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel und Schachtelhalmkraut als Tees oder in Fertigarzneimitteln.
Es gibt Frauen, die sehr häufig oder gar immer nach dem Sex erkranken. Wenn die üblichen, im Übrigen nicht validierten Ratschläge, wie nach dem Sex sofort die Harnblase leeren, ein großes Glas Wasser trinken, eventuell mit Wasser den Genitaltrakt abduschen, nichts helfen, dann bleibt nur nach dem Sex die Einmalgabe eines Antibiotikums. Welches, das gilt es mit dem Arzt zu besprechen.
Die mit dem Rückgang weiblicher Sexualhormone trockener und dünner werdenden Schleimhäute im Urogenitaltrakt sind anfälliger für Keime. Es gibt Frauen, die deshalb erstmals oder noch häufiger als früher an Blasenentzündung erkranken. Lokale Hormonpräparate in Form von Ovula und/oder Cremes können die Schleimhäute wieder aufpolstern und widerstandsfähiger machen. Das kann die Anfälligkeit für Blasenentzündungen verringern. Außerdem sollte Frau es mit der Intimpflege nicht übertreiben. Entweder verwendet sie klares Wasser oder Reinigungsprodukte extra für die weibliche Scheide. Unterhosen aus Baumwolle sind solchen aus Synthetik vorzuziehen.