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Corona & Co.

Alles nur Verschwörung?

In Corona-Zeiten sind Verschwörungstherorien längst kein gesellschaftliches Randphänomen mehr. Vom völlig harmlosen Coronavirus ist die Rede, das zugleich von bösen Mächten gezüchtet worden sei. Von Kontaktsperren als Zwangsmaßnahme, um uns anschließend eine Impfung aufzwingen zu können. Zudem seien alle Pandemie-Maßnahmen seien nichts anderes als Staatsterror.
dpa
24.04.2020  16:20 Uhr

Dieses Feuerwerk an Beschuldigungen kling für manche Menschen vielleicht witzig. Ist es aber nicht, denn solche Munkeleien landen immer häufiger in der Schlange vor der Bäckerei oder über die raunende Tante in der WhatsApp-Gruppe.

Es gibt sie seit Jahren, die Menschen, deren Gedanken ernsthaft davon geprägt sind, dass eine angeblich konspirative Elite die Bevölkerung überwacht und unterdrückt. Doch die Pandemie, die für alle mit einem beklemmenden Gefühl der Unsicherheit einhergeht, macht auch diejenigen anfälliger dafür, die sonst eigentlich misstrauisch sind.

Alte Theorie in neuem Gewand

»Alle möglichen Verschwörungstheorien, die vorher schon herumgeisterten, bekommen in der Corona-Pandemie einen neuen Anstrich«, sagt Josef Holnburger, Politikwissenschaftler an der Uni Hamburg. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Komplex.

So blühe beispielsweise die seit Jahren unter dem Stichwort »Pizzagate« kolportierte Geschichte wieder auf, nach der im Keller einer Pizzeria in Washington Kinder als Sklaven gehalten werden. Die Clintons hätten ihre Finger im Spiel, ebenso Hollywood-Stars und Bankiers. Im Grunde geht es darum, dass ein Geheimbund im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, der sogenannte »Deep State«. »Die bisher eigentlich US-amerikanische spezifische Popularität dieses Komplexes fasst auch in Deutschland Fuß«, sagt Kommunikationswissenschaftler Tim Schatto-Eckrodt. Er promoviert an der Uni Münster über Verschwörungstheorien.

Um Ostern etwa wurde behauptet, während der Corona-Quarantäne würden die Kinder in einer geheimen Rettungsaktion aus den unterirdischen Höhlen befreit – auch in Deutschland. Dort hätten sie zum sexuellen Missbrauch und zur Gewinnung einer Art Verjüngungsserum gedient, dem »Adrenochrom«. Klar zu erkennen ist dabei die Jahrhunderte alte antisemitische Lüge vom Kinderblut trinkenden Juden.

Für Holnburger ist die Geschichte ein weiteres Beispiel, in dem der vermeintliche Gegner grotesk überzeichnet wird. »Da reicht es nicht mehr, dass eine gewisse Elite angeblich nur Geld verdient. Nein, sie steckt auch Kinder in den Folterkeller.« Hinter dieser These steht die sogenannte »QAnon«-Bewegung aus den USA, die in den dunklen Ecken des Netzes mit anonymer Stimmungsmache ihr Gift verteilt.

Für gefährlich hält Holnburger hält es, wenn Berühmtheiten solche Ideen verbreiten. Abstruses bekomme dann ein größeres und auch jüngeres Publikum. So sieht es auch Schatto-Eckrodt: »Prominente erzeugen Reichweite, zudem haben sie unter ihren Fans eine gewisse Autorität.«

Dass komplexe Lügengeschichten florieren, ist in Krisenzeiten typisch. »Verschwörungstheoretiker sind gut darin, eine einfache Alternative zur unverständlichen Realität zu bieten, um vermeintlich Klarheit zu schaffen«, so Schatto-Eckrodt. In ihrem System gebe es auf alle Fragen eine Antwort. Das Chaos bekommt Struktur und Kontrolle. Dann werden Quarantänemaßnahmen eben statt mit einem gefährlichen Virus zum Beispiel mit Staatsterror erklärt.

Logik und Widersprüche zweitrangig

Solch krudes Denken macht auch vor der deutschen Politik nicht Halt. Als sich Angela Merkel wegen der Gefahr einer SARS-CoV-2-Ansteckung in Isolation begab, hieß es, in Wahrheit sei die Kanzlerin verhaftet worden – wegen ihrer Beteiligung am «Pizzagate». Donald Trump hingegen, von der »QAnon«-Bewegung zum Helden erklärt, nutzte angeblich die Quarantäne, um die Kinder aus den Fängen der Schänder zu befreien. Das alles ist unbelegt, falsch, schlichtweg: gelogen.

Spätestens als Merkel wieder öffentliche Auftritte hat, muss das jedem klar sein. Doch spielt das für die »QAnon«-Sympathisanten keine Rolle. »Man kann einzelne Aussagen widerlegen«, analysiert Schatto-Eckrodt, »das ganze Konstrukt aber bleibt bestehen«. Es gehe bei Verschwörungstheorien nicht um einzelne Behauptungen, sondern darum, dass etwas Geheimes passiere. Gesät wird damit Misstrauen in Wissenschaft, Behörden, Politik und Presse. In die Theorien sind auch Widersprüche eingepreist – etwa, dass das Coronavirus nicht bedrohlicher sei als eine saisonale Grippe, zugleich aber künstlich als Bio-Waffe entwickelt worden sei.

Warum das gefährlich ist

Doch was ist so schlimm daran, dass manche diesen Blödsinn glauben oder ihn sich einreden lassen? In der Regel stehen hinter solchen Theorien bösartige Ideologien. Und die spielen mit der Angst. Anhänger fürchten sich davor, dass das eigene Leben massiv bedroht ist. Im schlimmsten Fall greifen sie zur Waffe und töten Arglose, die sie in ihrem Wahn als Schuldige sehen. »Die ›QAnon‹-Erzählung ist eine der gefährlicheren Verschwörungstheorien«, sagt Holnburger.

Wegen der bizarren Überzeichnung eines übermächtig-bösen Gegners werde Gewalt als legitimes Mittel gerechtfertigt. »Gut« gegen »Böse«, »Wir« gegen »Die«. Gerade Rechtsextreme nutzen Verschwörungstheorien, um vermeintlich Schuldige zu finden. Etwa bei der rassistischen Vorstellung, die westliche Welt werde angeblich überrannt von Menschen aus islamisch geprägten Ländern – und die Gesellschaft dabei radikal ausgetauscht. Resultate einer solchen Ideologie sind etwa der Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke oder die Attentate von Halle, Hanau und Christchurch.

Auch in der aktuellen Pandemie liegt Gewalt in der Luft. Jüngst werden Mobilfunk-Sendemasten in Brand gesteckt, weil einige der Lüge glauben, die 5G-Strahlung sei für den Corona-Ausbruch verantwortlich. Das Verhängnisvolle also ist: Was die einen als albernes Hirngespinst belächeln, ist für andere voller Ernst.

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