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Pharmazie und Umwelt

Alte Medikamente nicht in den Abfluss

Reste von Arzneimitteln belasten die Umwelt. Obwohl Deutschland flächendeckend seinen Müll trennt, gibt es doch kein einheitliches System zur Sammlung von Altmedikamenten. Hausmüll, Recyclinghof, Schadstoffmobil oder Apotheke – wichtig ist es, dass der Abfall nicht im Abfluss oder in der Toilette landet.
Edith Schettler
10.06.2022  11:30 Uhr

Seit dem Jahr 2004 verpflichtet die Europäische Union ihre Mitgliedsstaaten zur Einrichtung von Sammelsystemen für abgelaufene oder ungenutzte Arzneimittel. Noch nicht alle Staaten haben diese Richtlinie bisher umgesetzt, auch Deutschland nicht. Grundsätzlich zählen Arzneimittelreste zu den Siedlungsabfällen. Entsprechend der Empfehlung des Bundesministeriums für Gesundheit dürfen sie deshalb in den normalen Hausmüll gegeben werden. Dieser kommt direkt in Verbrennungsanlagen oder wird mechanisch-biologisch vorbehandelt und auf gesicherten Deponien abgelagert. Die Arzneistoffe sind damit jedoch nicht aus der Umwelt verschwunden, ihre Abbauprodukte gelangen mit der Verbrennung in die Luft. Was sie dort anrichten, ist noch gar nicht erforscht.

In Krankenhäusern liegt die Verantwortung für die Entsorgung von Arzneimitteln bei Abfallmanagern, die sich auch um die restlichen Klinikabfälle kümmern. Im Idealfall arbeiten sie eng mit den Stationsapothekern zusammen, die bereits vorab dafür sorgen können, dass auf den Stationen therapiegerechte Packungsgrößen vorhanden sind und so wenig wie möglich Medikamente verfallen.

Von der Effektivität des Hygieneregimes hängt es ab, wie viele Infektionen mit Krankenhauskeimen auftreten, die dann wieder intensiv mit Antibiotika behandelt werden müssen. Auch hier entstehen Abfälle, die vermeidbar sind, wenn diese Infektionen gar nicht erst vorkommen. Das trifft auch auf Pflegeheime zu.

Besonders überwacht

Für die Entsorgung der Abfälle aus Kliniken, Heimen, Arzt- und Tierarztpraxen gibt es besondere Vorschriften. So gelten Zytostatika als besonders überwachungsbedürftige Abfälle, für die ein Entsorgungsnachweis erforderlich ist. Das gleiche gilt für Reinigungs- und Desinfektionsmittelkonzentrate. Sie müssen in fest verschließbaren und eindeutig gekennzeichneten Gefahrgutbehältern gesammelt werden, die nicht umgefüllt werden dürfen.

Arzneimittel in Form von entzündbaren Gasen in Druckgasbehältern müssen unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen entsorgt werden. Radioaktive Arzneistoffe wie Uranylacetat gehören selbstverständlich ebenfalls nicht in den Restmüll. Hier gilt die Strahlenschutzverordnung. Die Gewerbeabfallberatung des Landkreises oder das zuständige Gewerbeamt legen den konkreten Entsorgungsweg fest.

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) regelt die Entsorgung verfallener oder nicht verbrauchter Betäubungsmittel. »Der Eigentümer von nicht mehr verkehrsfähigen Betäubungsmitteln hat diese auf seine Kosten in Gegenwart von zwei Zeugen in einer Weise zu vernichten, die eine auch nur teilweise Wiedergewinnung der Betäubungsmittel ausschließt sowie den Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen sicherstellt. Über die Vernichtung ist eine Niederschrift zu fertigen und diese drei Jahre aufzubewahren«. Das Eigentum ist juristisch gesehen die rechtliche Herrschaft über eine Sache. Da das BtMG nicht für Privatpersonen gilt, müssen sich diese auch nicht an die Vorschriften zur Vernichtung halten. Die Apotheken werden von der zuständigen Behörde (Pharmazierat) kontrolliert, ähnlich funktioniert das auch in den anderen Gesundheitseinrichtungen wie Heimen, Kliniken, Arztpraxen. Dort kontrollieren unter anderem die Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die vorschriftsmäßige Entsorgung der Betäubungsmittel.

Lösen oder suspendieren

Transdermale therapeutische Systeme werden mit den Klebeflächen aufeinander zusammengeklebt. Auch benutzte Pflaster enthalten noch den Wirkstoff in hoher Konzentration, deshalb darf man nur mit Handschuhen arbeiten. Manche Firmen wie Hexal und Medac liefern eine stark klebende Entsorgungsfolie als Service für die Patienten gleich mit. Das benutzte und zusammengeklebte Pflaster steckt man in den Folienbeutel und drückt diesen zusammen. So haben weder Kinder noch Drogenabhängige die Möglichkeit, an den Inhalt zu gelangen.

Feste Peroralia löst oder suspendiert man am besten in Wasser, Kapseln öffnet man vorher besser. Die Flüssigkeit kann man ebenso wie betäubungsmittelhaltige Ampullen oder Tropfen auf Zellstoff gießen und so in der Tonne entsorgen. Auch Inkontinenzmaterial eignet sich aufgrund seiner hohen Saugfähigkeit sehr gut für diesen Zweck.

Bei der Entsorgung von Tabletten und Kapseln müssen Klinken, Praxen oder Heime die abfallrechtlichen Bestimmungen der Länder und Kommunen einhalten, die sich an der »Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes« der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall orientieren. Haushaltsübliche Mengen können sie in der grauen Tonne entsorgen. Die Betreiber haften bei Schäden infolge einer missbräuchlichen Verwendung der entsorgten Medikamente. Daher sollten sie diese sicher vor fremdem Zugriff aufbewahren. Das müssen auch Apotheken beachten, die Altmedikamente entgegennehmen.

In den letzten Monaten ist eine neue Frage zur Entsorgung aufgetaucht, die überlagerte Impfstoffe aus den Corona-Impfzentren betrifft. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist kein besonderer Umgang mit Abfällen dieser Art erforderlich, weil die Impfstoffe aus nicht vermehrungsfähigen Viren bestehen. Sie können also ohne besondere Vorbehandlung zum Restmüll gegeben werden.

Schlüsselrolle der Apotheke

Seit dem Jahr 2019 müssen die Beipackzettel der Arzneimittel eine Information über die Entsorgung für den Verbraucher enthalten: »Entsorgen Sie Arzneimittel niemals über das Abwasser (zum Beispiel nicht über die Toilette oder das Waschbecken). Fragen Sie in Ihrer Apotheke, wie das Arzneimittel zu entsorgen ist, wenn Sie es nicht mehr verwenden. Sie tragen damit zum Schutz der Umwelt bei.«

Die beste und sicherste Lösung für die Entsorgung von Altarzneien wäre die Wiedereinführung des Rücknahmesystems über die Apotheken. Dieses gab es zwischen den Jahren 1994 und 2009 schon einmal, es scheiterte daran, dass sich die pharmazeutische Industrie aus der Finanzierung zurückgezogen hat. Heute zeigen Länder wie zum Beispiel Spanien, dass es doch funktionieren kann. Dort arbeiten Apotheker, Hersteller und Pharmagroßhändler zusammen. Auch in Deutschland haben viele Apotheken den Service beibehalten und nehmen auf freiwilliger Basis alte Medikamente ihrer Kunden entgegen. Sie übergeben sie zum Beispiel an Entsorgungsunternehmen, die sie dann in zugelassenen Anlagen verbrennen. In Berlin können sie zum Beispiel die kostenpflichtige Medi-Tonne beim kommunalen Entsorger bestellen, in die Blister, Tuben und Flaschen ohne Umkartons und Beipackzettel dürfen. Ein Müllheizkraftwerk verbrennt den Inhalt und liefert den gewonnenen Heißdampf an Verbraucher. In Leipzig haben die Apotheker die Möglichkeit, von ihren Kunden zurückgebrachte Medikamente kostenfrei an die Stadtreinigung zu übergeben. Der Hausmüll der sächsischen Großstadt wird nicht verbrannt, sondern im Entsorgungszentrum sortiert, biologisch behandelt und anschließend verwertet. Die Stadtreinigung möchte der Umwelt zuliebe Altarzneien nicht auf der Deponie lagern und hat im Jahr 2011 die Apotheken gebeten, Altmedikamente für die Verbrennung zu sammeln. 90 Prozent der örtlichen Apotheken beteiligen sich an diesem Rücknahmesystem. Seit dem Jahr 2018 macht ein vom Leipziger Umweltbund »Ökolöwe« entwickelter Aufkleber an der Apothekentür auf den Service aufmerksam und brachte sofort eine Erhöhung der abgegebenen Müllmenge von fast 12 Prozent.

Vergüten oder entlasten

Wünschenswert wäre deutschlandweit eine angemessene Vergütung der Apotheken für diese wichtige Leistung oder zumindest eine Entlastung von den Entsorgungskosten. Apotheken sind in ihren Beratungsaufgaben nah am Verbraucher von Arzneimitteln und haben darüber die Möglichkeit, den Eintrag von Arzneimitteln in die Umwelt zu beeinflussen. Noch immer entsorgt fast jeder zweite Bundesbürger seine Arzneimittel über das Abwasser. Zu einem guten Beratungsgespräch sollte daher auch ein Hinweis auf die Entsorgung gehören. Einen Überblick über die Möglichkeiten in den einzelnen Bundesländern gibt die Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (https://arzneimittelentsorgung.de). Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bietet kostenfreie Flyer an, die die Verbraucher für eine sachgerechte Entsorgung sensibilisieren (https://www.bmuv.de/publikation/gib-der-natur-nicht-den-rest).

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