Angst vor Cortison nehmen |
Isabel Weinert |
09.01.2023 12:00 Uhr |
Mit den passenden Aufsätzen können bereits die Kleinsten inhalieren. / Foto: Adobe Stock/komokvm
Während sich eine Asthmaerkrankung unabhängig von Infekten zeigt, Anfälle also auch in anderen Zusammenhängen oder scheinbar ohne Auslöser auftreten, sprechen Mediziner von Infekt-Asthma, wenn es sich während oder nach einer Erkrankung der Atemwege zeigt. Die Betroffenen leiden unter wiederholten Hustenanfällen in Form eines Reizhustens, das Atmen fällt ihnen schwerer, was sich in auffälligen Atemgeräuschen äußern kann, und bei schweren Anfällen bekommen die Patienten zu wenig Luft, mitunter färben sich dadurch sogar die Lippen blau.
Es sind vor allem Kleinkinder, bei denen Ärzte ein Infekt-Asthma diagnostizieren. Dabei gehört zur Differenzialdiagnose unter anderem eine obstruktive Bronchitis. Ärzten ist es nicht immer möglich, klar zu entscheiden, um welche Erkrankung es sich handelt. Das liegt auch an einer fehlenden Diagnosemöglichkeit per Lungenfunktionstest. Er lässt sich mit kleinen Kindern noch nicht durchführen. Die Bezeichnungen Infekt-Asthma und obstruktive Bronchitis weisen deshalb in diesem Alter auf dieselbe Erkrankung hin.
Kleine Kinder mit Infekt-Asthma werden nicht automatisch zu Asthmatikern im Jugend- und Erwachsenenalter, jedoch entwickeln ein Viertel bis ein Drittel der betroffenen Kleinen im Schulalter allergisches Asthma. Ein häufiger Auslöser für asthmatische Symptome während eines Infekts bei kleinen Kindern sind RS-Viren. Auch Erwachsene können unter asthmatischen Symptomen nur während und kurz nach einer Infektion der Atemwege leiden. Hier triggern meist ganz normale Rhinoviren die Beschwerden.
Die Therapie eines Infekt-Asthmas findet in erster Linie mit Relievern wie Beta-Sympathomimetica statt, die die Bronchien schnell erweitern. Bei starken Beschwerden oder wenn das Asthma nicht mehr vergeht, helfen Controllern, weil sie das Entzündungsgeschehen dämmen. Dabei handelt es sich in aller Regel um inhalative Glucocorticoide wie Budesonid, Beclometason, Fluticason und Ciclesonid.
Gerade bei kleinen Kindern bekommen Eltern oft Furcht, wenn sie erfahren, ihr Kind bekommt jetzt »Cortison«. Zu sagen, inhalative Glucocorticoide wirkten nicht auch im Körper, wäre falsch. Abhängig von eingesetztem Glucocorticoid und Dosierung fallen systemische Nebenwirkungen nur sehr gering oder in einem größeren Maße aus. Infrage kommende Nebenwirkungen sind jedoch an allererster Stelle lokaler Art. Pilze können unter der immunsupprimierenden Wirkung des Glucocorticoids auf den Mund- und Rachenschleimhäuten die Oberhand gewinnen, mitunter entwickelt sich Heiserkeit oder eine Kehlkopfentzündung.
Diesen lokalen Risiken können Eltern mithilfe der beratenden PTA vorbeugen: Geeignete Inhalationshilfen und die korrekte Inhalationstechnik – das vorzugeben und zu vermitteln, ist eine Leistung im Rahmen der Pharmazeutischen Dienstleistungen und sozusagen Kernkompetenz in Apothekenteams. Zudem gehört der Rat dazu, den Mund nach jedem Inhalieren gründlich mit warmem Wasser auszuspülen oder – wenn ein Kind das noch nicht richtig kann – es vor dem Essen und Trinken inhalieren zu lassen.
Eine gefürchtete systemische Nebenwirkung der regelmäßigen Inhalation mit Glucocorticoiden ist die Suppression der Nebennierenrinde. Beim Einsatz inhalativer Glucocorticoide entwickelt sich diese Nebenwirkung nur sehr selten. Dennoch, sie kann in Einzelfällen auftreten, selbst wenn ein Kind nur Standarddosen inhaliert. Deswegen kann man Eltern darauf hinweisen, dass das Syndrom nur extrem selten auftritt. Wenn das Kind aber zusehends müde wird, nicht mehr die gewohnte Energie hat und schlecht isst, dann solle man den Arzt darauf aufmerksam machen.
Glucocorticoide vor der Pubertät regelmäßig eingenommen, mindern das Längenwachstum. Bei inhalativen Glucocorticoiden kann man Eltern diese Sorge jedoch nehmen. Dazu müssten schon dauerhaft hohe Dosen verabreicht werden. Und genau das versuchen Ärzte zu vermeiden: Die Dosierung von Glucocorticoiden wird so gering wie möglich und so hoch wie nötig gewählt und immer wieder kontrolliert. Auch der Knochenstabilität schadet eine wie zuvor beschriebene Behandlung nicht. Ein geringer Einfluss ist höchstens denkbar, wenn das Kind über lange Zeiträume hohe Dosierungen braucht.
Haben Patienten bereits eine bekannte und adäquat behandelte Asthmaerkrankung, wurden sie in der Regel darauf geschult, bei einem beginnenden Infekt richtig zu handeln. Das Peak-flow-Meter kommt dann häufiger zum Einsatz, die Dosierung von Controllern kann bereits bei den ersten Anzeichen gesteigert werden. Klingt der Infekt ab, der sich bei Asthmatikern häufig auch an den Bronchien austobt, kann man die Controller-Dosis mit abnehmenden Beschwerden sukkzessive wieder senken. Allerdings bleiben Bronchien von Menschen mit Asthma oft noch eine ganze Weile nach einem Infekt verstärkt hyperreagibel. Spätestens dann und wenn sich die Krankheit weiter verschlechtert, sollte der zeitnahe Besuch beim Lungenfacharzt auf dem Programm stehen.
Ein Team der Ruhr-Universität Bochum um Professorin Dr. Daniela Wenzel ist einer potenziellen Substanz gegen Asthma auf die Spur gekommen: dem körpereigenen Cannabinoid Anandamid. An Mäusen erweitert Anandamid die Bronchien. Dem Effekt liegt ein von Wenzels Team entdeckter neuer Signalweg für die Erweiterung der Bronchien zugrunde. Die Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) baut das körpereigene Anandamid ab. Aus der dabei entstehenden Arachidonsäure bildet sich Prostaglandin E2. Und dieses wiederum steigert die Konzentration des Botenstoffs cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat). »Auf den Anstieg des cAMP zielen auch bewährte Inhalationsmedikamente gegen Asthma«, so Wenzel in einer Pressemitteilung der Universität Bochum.