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Feueralarm im Körper

Antientzündliche Ernährung

Bei einer Vielzahl von Erkrankungen spielen entzündliche Prozesse eine oft unterschätzte Rolle: Arteriosklerose, Diabetes und Autoiummunkrankheiten wie Rheuma oder Multiple Sklerose lassen sich daher positiv beeinflussen durch eine Ernährung, deren Fokus auf entzündungshemmenden Nahrungsmitteln liegt und Entzündungsförderer weitgehend eliminiert.
Cornelia Höhn
18.10.2021  12:00 Uhr

Als Hauptbrandbeschleuniger im Entzündungsgeschehen lassen sich übermäßiger Konsum von Schweinefleisch sowie kohlenhydrat- und fettlastiger Fertigprodukte identifizieren. Im Gegensatz dazu kommen Brandlöscher in Form von Mikronährstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und gesunden Fettsäuren in der modernen Ernährung oft zu kurz. Alkohol gießt weiteres Öl ins Entzündungsfeuer.

Problematisch ist das körpereigene Bauchfett (Viszeralfett), produziert es doch Hormone und Zytokine, die verantwortlich für schleichende Entzündungsprozesse zeichnen. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wächst mit dem Bauchumfang. Aktuelle Studien belegen, dass eine Gewichtsreduktion Entzündungen eindämmt. Ein normaler BMI von 18,5 bis 24,9 kann aber auch in falscher Sicherheit wiegen. Die Rheumatologin Dr. Anne Fleck, bekannt als »Ernährungs-Doc« aus dem Fernsehen, spricht in diesem Zusammenhang von »dünnen Dicken«, auch TOFIs (thin outside, fat inside) genannt.

Diesen Menschen fehlt es an Muskulatur und damit an entzündungshemmenden Myokinen. Schlank ist also nicht zwangsläufig mit gesund gleichzusetzen. Sobald ein hochnormaler Nüchternblutzucker auf eine Insulinresistenz hinweist oder ein Taillenumfang von mehr als 80 cm bei der Frau beziehungsweise 94 cm beim Mann gemessen wird, sollte es höchste Zeit sein für eine Ernährungsumstellung und konsequentes Muskeltraining. Stress und Inaktivität sind weitere Risikofaktoren für kardiovaskuläre, metabolische und sonstige chronische Entzündungsprozesse: Viel Bewegung an der frischen Luft hält dagegen und liefert Vitamin D gleich mit.

Die Omega-Balance

Befeuert werden entzündliche Prozesse durch den Verzehr von Arachidonsäure aus tierischen Lebensmitteln, die dem Körper als Ausgangsprodukt für proentzündliche Prostaglandine und Leukotriene dient. Bei Vegetariern und Veganern finden sich niedrige Arachidonsäurespiegel im Blut.

Bereits in den 1950er-Jahren erkannte der US-amerikamische Arzt Dr. Roy Swank Zusammenhänge zwischen Ernährungsgewohnheiten und Multipler Sklerose (MS): An der Küste Norwegens aßen die Menschen vorwiegend Fisch und Vitamin-D-reiches Walfleisch, während im Landesinneren viel Rentier, Milch und Eier verzehrt wurden. Hier dokumentierte er neunmal mehr MS-Fälle. In den beiden Nurses‘ health studies wurden von 1984 bis 2009 amerikanische Krankenschwestern regelmäßig zu ihren Essgewohnheiten befragt: Hier war ein Trend erkennbar zwischen vermehrter Aufnahme von Alpha-Linolensäure und geringerem MS-Risiko.

Enorm wichtig für Menschen mit entzündlicher Erkrankung ist daher das Wissen um das richtige Verhältnis von Omega-6- (n-6-) zu Omega-3-(n-3-) -Fettsäuren. Beide zählen zur Gruppe der essenziellen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Während die Omega-Balance bei unseren frühen Vorfahren in der Steinzeit mit 1:1 sehr ausgeglichen war, werden heute etwa 15-mal mehr n-6- als n-3-Fettsäuren aufgenommen. Optimal wäre jedoch für Gesunde ein Verhältnis von 5:1, MS-Patienten und Rheumatiker sollten 3:1 anstreben.

Problematisch ist, dass beide Fettsäuregruppen im menschlichen Körper über die gleiche Enzymkaskade verstoffwechselt werden. Kleine Mengen Linolsäure sind nicht entzündungsfördernd, sodass Gesunde auch bei Mandeln, Haselnüssen oder Sonnenblumenkernen zugreifen dürfen. Das Zuviel an n-6-Fettsäuren in der heutigen Ernährung aber ist nicht nur für sich schädlich, sondern behindert den Umbau der n-3-Fettsäuren, der unserem Organismus ohnehin schwerer fällt.

Folgende Kombinationen sollte man daher vermeiden, um den Stoffwechselweg für n-3-Fettsäuren freizuhalten:

  • Haselnüsse oder Mandeln mit Walnüssen (Nussmischungen)
  • Salat mit Dressing aus Rapsöl garniert mit Sonnenblumen- oder Kürbiskernen
  • fettreicher Seefisch angebraten in Distel- oder Maiskeimöl

Im akuten Schub einer rheumatischen Erkrankung tut es vielen Patienten gut, den Arachidonsäureverzehr auf maximal 80 mg pro Tag zu beschränken und die Aufnahme von Linolsäure zu reduzieren. Besser in dieser Zeit Vollkornbrot ohne Körner wählen.

Industriell gefertigte Produkte wie Back- oder Tiefkühlware enthalten oft Sonnenblumenöl, in Fast Food und Fertiggerichten tummeln sich minderwertige Transfette. Für die kalte Küche sind kaltgepresste Öle wie Raps-, Walnuss- oder Olivenöl die beste Wahl. Zum scharfen Anbraten eignet sich hitzebeständiges raffiniertes Rapsöl. Mit gesättigten Fetten wie Butter oder Kokosöl sollte im Rahmen einer antientzündlichen Ernährung sparsam umgegangen werden.

Verhältnis innerhalb eines Lebensmittels n-6 n-3
Leinöl 1 4
Rapsöl 2 1
Fettreicher Seefisch 1 4
Walnüsse 3,5 1
Sonnenblumenöl 120 1
Mandeln 2000 1
Das Verhältnis der verschiedenen Omega-Fettsäuren variiert von Lebensmittel zu Lebensmittel.

Weidehaltung und Wildfang

Konventionell gehaltene Tiere werden oft mit n-6 reichem Futter wie Soja oder Mais gefüttert und geben dieses Fettsäuremuster in Fleisch, Eiern und Milch an den Menschen weiter. Fettes Schweinefleisch, Innereien, daraus hergestellte Wurst und Eigelb haben viel Arachidonsäure im Gepäck. Pro Woche zwei bis drei Eier sowie zwei kleine Portionen Geflügel, Rind oder Lamm aus natürlicher Haltung sind daher eine gute Wahl.

Neben Hülsenfrüchten ergänzen fettarme Milchprodukte wie Skyr oder Naturjoghurt die Eiweißzufuhr. Zwei Teelöffel Leinöl täglich zu Magerquark landet gleich mehrere Treffer: Entzündungen werden gelindert, Osteoporose wird vorgebeugt und Proteine für starke Muskeln, Enzyme und Immunglobuline gibt es obendrein.

Fische aus Wildfang nehmen n-3-Fettsäuren aus Mikroalgen und kleinen Krebstieren (Krill) auf, während Fische aus Aquakultur pflanzliches Futter erhalten, das das Omegamuster sogar umkehren kann. Kleine Fettfische wie Sardinen, Sardellen, Hering und Makrele sind weniger durch Umweltschadstoffe belastet und somit eine gute Wahl für die beiden von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wöchentlich empfohlenen Fischmahlzeiten.

Regenbogen auf dem Tisch

Im Kampf gegen Entzündungen ist klar im Vorteil, wer regional und saisonal isst. Heimische Ernte sticht durch kräftige Farben und intensiven Geschmack hervor und versorgt mit jeder Menge sekundärer Pflanzenstoffen -mehr als 100.000 Verbindungen, deren gesundheitsfördernde Effekte sich auch in der antientzündlichen Ernährung als hilfreich erweisen. Je bunter die Auswahl an Obst und Gemüse, desto besser. Gelbe und rote Sorten liefern Carotinoide; rot, blau und violett bringt Polyphenole auf den Tisch, während Kohlsorten, allen voran Brokkoli, Sulforaphan im Gepäck haben.

Ebenso wie Vitamin C aus Paprika, Rosenkohl oder schwarzer Johannisbeere sowie Vitamin E aus Oliven und Rapsöl zählen sie zu den Antioxidanzien. Die wirken dem oxidativen Stress im menschlichen Körper entgegen, der als Mitverursacher unter anderem für rheumatoide Arthritis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs gilt. Viele dieser Stoffe befinden sich in oder direkt unter der Schale. Das heißt also: gut waschen, aber möglichst nicht schälen. Roh schlägt gekocht, außer bei Carotinoiden: Karotten und Tomaten besser mit etwas Öl dünsten. Antioxidanzien entfalten ihre Wirkung am besten im Pflanzenverbund mit den übrigen natürlichen Inhaltsstoffen.

Das lebenswichtige Spurenelement Selen ist Bestandteil antioxidativ wirkender Enzyme. Da europäische Böden selenarm sind, dienen südamerikanische Paranüsse als beliebte Selenquelle. Durch den hohen natürlichen Gehalt an radioaktivem Radium stuft das Bundesamt für Strahlenschutz nur den Verzehr von bis zu zwei Paranüssen pro Tag als unbedenklich ein.

Sulfide aus Zwiebeln und vor allem Knoblauch mit seinem Allicin punkten mit antientzündlicher Wirkung an den Gefäßen: leicht blutverdünnend und blutdrucksenkend dienen sie der Herzinfarkt- und Schlaganfallprophylaxe. Auch grüner Tee und Kaffee (bis 3 Tassen, schwarz) helfen bei der antientzündlichen Wirkung, ebenso wie ein kleines Stück Bitterschokolade oder Kakao-Nibs für Naschkatzen.

Ökosystem Darm

Unser Darm beherbergt 70 Prozent unseres Immunsystems und ist an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt. Ein gesundes Mikrobiom sowie eine intakte Darmschleimhaut helfen daher, Entzündungsvorgänge auszubremsen. Wie Professor Dr. Fritz Leutmezer, Neurologe am Universitätsklinikum Wien, erläutert, gibt es erste Hinweise darauf, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms bei MS-Patienten deutliche Unterschiede zu der Gesunder aufweist. Vor allem das Buttersäure produzierende Faecalibacterium prausnitzii sei stark reduziert. Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich vor allem kurzkettige Fettsäuren, wie Butter- und Propionsäure positiv auf den Verlauf der Multiplen Sklerose auswirken könnte.

Folgende Nahrungsmittel unterstützen die Artenvielfalt im Darm: Mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag gehören täglich auf den Teller; wasserunlösliche aus Vollkornprodukten sowie wasserlösliche aus Gemüse und Obst. Wer bislang ballaststoffarm gegessen hat, sollte die Menge langsam steigern, um den Darm nicht zu überfordern.

Präbiotika wie Inulin oder Oligofructose in Hülsenfrüchten, Chicorée oder Schwarzwurzel ernähren ausschließlich nützliche Darmbakterien. Die wiederum produzieren oben erwähnte kurzkettige Fettsäuren. Probiotika aus milchsauren Produkten wie Joghurt, Kefir oder Sauerkraut dürfen auf dem Speiseplan ebenfalls nicht fehlen.

Rheumatologin Dr. Anne Fleck rät, in Zeiten hoher Krankheitsaktivität vorübergehend vegan zu essen, um Entzündungen schnell einzudämmen. Basis dieses Mix aus veganer und Steinzeiternährung ist viel Gemüse und zuckerarmes Obst kombiniert mit wenig Eiweiß aus Hülsenfrüchten, Geflügel und Fisch. Ist ein Rheumaschub überstanden, sollten magere Milchprodukte wie Joghurt oder Quark als Calcium- und Eiweißlieferanten langsam wieder Einzug halten.

Schon lange als antientzündlich bekannt ist die Mittelmeerküche: Die Lebenserwartung in Spanien, Griechenland und Italien liegt um zwei Jahre höher als im Rest des Kontinentes. Olivenöl schützt durch den hohen Gehalt an einfach ungesättigter Ölsäure sowie antioxidativ wirkenden Polyphenolen vor systemischen Entzündungen.

Auch für die einheimische Schwester, die nordische Ernährung, gibt es eine klare Verzehrempfehlung: Kohlgemüse haben sekundäre Pflanzenstoffe im Gepäck, Kaltwasserfische aus Nordsee oder Atlantik punkten mit höherem n-3-Gehalt als ihre Artgenossen aus dem Mittelmeer. Und Öle aus heimischem Lein und Raps sind im Vergleich zum mediterranen Olivenöl um einiges reicher an Alpha-Linolensäure.

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