Antiseptika bei bakterieller Vaginose |
Mikrobiom im Gleichgewicht? Bei einer bakteriellen Vaginose sind die protektiven Laktobazillen ins Hintertreffen geraten. / Foto: Adobe Stock/Pavel Ivanov
Verschiebungen im Keimspektrum des vaginalen Milieus sind keine Seltenheit beziehungsweise liegen fast schon aufgrund des weiblichen Zyklus in der Natur der Sache. Bei drei von vier Frauen hat dies mindestens einmal im Leben Krankheitswert. Bei der Hälfte der Fälle handelt es sich dann um eine bakterielle Vaginose, bei etwa einem Viertel um eine Infektion mit Candida albicans.
»Selten hat ein Thema so viele wissenschaftliche Kontroversen ausgelöst wie die bakterielle Vaginose«, sagte Professor Dr. Alex Farr von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien bei einer Pressekonferenz des Unternehmens Schülke & Mayr. Das hänge mit Fehldiagnosen aufgrund ähnlicher Symptomatik von vaginalen Dysbiosen zusammen, aber auch mit häufigen chronisch rezidivierenden Verläufen einerseits und asymptomatischen Varianten andererseits sowie zunehmenden Antibiotikaresistenzen und polymikrobiellen vaginalen Biofilmen. Neue Erkenntnisse und zunehmende Evidenzen für Therapieoptionen hätten die Überarbeitung der Leitlinie notwendig gemacht, fasste Farr als federführender Koordinator der S2k-Leitlinie zusammen.
Der bakteriellen Vaginose liegt eine Dysbiose im Ökosystem der Vagina zugrunde, die Scheide ist mit anaeroben Keimen auf Kosten der physiologischen Laktobazillen fehlbesiedelt. Dabei legt vor allem Gardnerella vaginalis zahlenmäßig zu. Der Erreger wirkt als Succinat-Lieferant und erlaubt damit die starke Vermehrung von Anaerobiern, die Amine produzieren, die wiederum die Schleimhaut reizen und vaginalen Ausfluss (Fluor) induzieren. »Die hohe bakterielle Diversität an Anaerobiern ist sehr auffällig«, sagte Farr. In einem gesunden Scheidenmilieu dominieren dagegen schützende Wasserstoffperoxid-bildende Laktobazillen, die dazu beitragen, den sauren pH-Wert aufrechtzuerhalten und das Wachstum schädlicher Mikroorganismen einzudämmen.
Gardnerella vaginalis gilt als Haupturheber der bakteriellen Vaginose. Der Ausfluss ist grau-weisslich, homogen, sehr nass und – was sehr auffällig ist – riecht nach fauligem Fisch (Amingeruch). Andere Symptome wie Brennen, Juckreiz oder Schmerzen sind eher dezent ausgeprägt oder gar nicht auszumachen. Der pH-Wert in der Scheide liegt über 4,5. Die Vaginose gilt nicht als klassische Geschlechtskrankheit, auch wenn Sexualkontakte zum Missklang im bakteriellen Vaginalmilieu beitragen können, genauso wie hormonelle Veränderungen und Antibiotikatherapien.
Die bakterielle Vaginose wird klassischerweise mit den antibiotischen Wirkstoffen Clindamycin oder Metronidazol behandelt. Die aktualisierte Fassung der Leitlinie, die im Juni des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, beinhaltet erstmals auch Empfehlungen zur Therapie mit – nicht verschreibungspflichtigen – Antiseptika als Alternative zur herkömmlichen Antibiotikabehandlung. Die Neuerung zielt darauf ab, im Sinne von Antibiotic Stewardship unnötige Antibiotikatherapien zu verhindern. Zudem sprechen die Leitlinienautoren erstmalig eine Empfehlung für die Therapie der chronisch rezidivierenden Form der Vaginose aus. Gegenüber Antiseptika sind bislang keine Resistenzen bekannt.
Laut Leitlinie zeigten Präparate mit Dequaliniumchlorid, Octenidin oder Povidon-Jod in randomisiert-kontrollierten Studien vielversprechende Behandlungsergebnisse. Als antiseptische Therapieoptionen nennt die Leitlinie vaginales Dequaliniumchlorid in einer Dosis von 10 mg pro Tag über einen Zeitraum von sechs Tagen. Für die Anwendung von Octenidin-haltigen Vaginalsprays empfiehlt die Leitlinie zwei Sprühstöße am ersten Tag, gefolgt von einem Sprühstoß täglich über insgesamt sieben Tage. Für vaginales Povidon-Jod empfiehlt die Leitlinie eine Applikatorfüllung pro Tag über einen Zeitraum von sechs bis sieben Tagen. Schwangere dürfen kein Povidon-Jod anwenden. »Antiseptika als Therapiealternative einzusetzen, erscheint vor allem in Anbetracht des im Biofilm oft unwirksamen Metronidazol sinnvoll«, erklärte Farr.
Der Experte machte klar, dass eine Therapie nur nach einer korrekt durchgeführten und ärztlich gesicherten Diagnose erfolgen sollte. »Ich kann jedoch verstehen, wenn eine Patientin nicht so lange auf einen Arzttermin warten und ihre Beschwerden selbst therapieren möchte«, zeigte Farr Verständnis für den Wunsch nach Eigentherapie. Er plädierte dafür, eine ordnungsgemäße Diagnostik beim Facharzt – wenn auch mit zeitlichem Abstand – nachzuholen. »Für die Eigentherapie eignen sich Antiseptika schon, da sie unspezifisch und daher auch auf verschiedene Erreger wirken.« So ist etwa eine Octenidin/Phenoxyethanol-Kombination (wie Octenisept® Vaginaltherapeutikum) sowohl bei Candidosen als auch bei bakterieller Vaginose wirksam, weil es ein breites Erregerspektrum erfasst.
Im Anschluss an eine Antibiotika- oder Antiseptika-Therapie kann es sinnvoll sein, die Vaginalflora wieder aufzubauen. Die Zerstörung der Laktobazillen durch die antimikrobielle Substanz lässt den vaginalen pH-Wert ansteigen. Nitrat kann nicht mehr in Nitrit umgewandelt werden; die Bereitstellung von viruzidem und bakterizidem Stickstoffmonoxid (NO) ist behindert. Deshalb ist es sinnvoll, der Kundin ein Milchsäure- oder Laktobazillen-Präparat (wie Kadeflora® Milchsäurekur, Symbiovac® Vaginalzäpfchen Lactat, Vagiflor® Zäpfchen, Döderlein Vaginalkapseln) zu empfehlen. Auch das Risiko, dass eine bakterielle Vaginose erneut aufflammt, kann durch die Ansäuerung der Vaginalflora verringert werden.
Es empfiehlt sich, direkt nach der antimikrobiellen Therapie für ein Vierteljahr die Vaginalflora von außen zu unterstützen, und nicht nur für acht bis zehn Tage. Infrage kommen auch Vaginalia mit Vitamin C (wie Vagi-C®) oder bioadhäsiven sauren Gelen (wie Multi-Gyn® ActiGel, Rephresh® Vaginalgel). Der Wiederaufbau der Schleimhaut stabilisiert den leicht sauren pH-Wert. Das beugt einer erneuten Anhaftung pathogener Keime vor.
Der Gynäkologe gab jedoch zu bedenken, dass sich dadurch der bei einer bakteriellen Vaginose ohnehin geringe Anteil an guten Laktobazillen weiter reduziere. »Zur Regeneration der vaginalen Mikrobiota rate ich deshalb im Anschluss immer zu Probiotika.« Zubereitungen mit Laktobazillen oder Milchsäure oder auch solche mit Vitamin C oder bioadhäsiven sauren Gelen sind auch ein guter Zusatztipp für die Beratung in der Apotheke. Sie fördern den Wiederaufbau und die Stabilisierung des leicht sauren pH-Werts. Das beugt einer erneuten Anhaftung pathogener Keime vor.
Apropos Wiederauftreten: Die Rezidivrate nach einer antibiotischen First-line-Therapie ist relativ hoch. Antibiotikaresistenzen und polybakterielle Biofilme gelten als wesentlicher Grund. Auch hierfür sieht Farr in Antiseptika verbesserte Therapiemöglichkeiten. »Manche Antiseptika scheinen besonders potent gegen polymikrobielle Biofilme zu sein. Auch bei rezidivierenden Verläufen haben wir sie daher in der Leitlinie berücksichtigt.« Dort heißt es: »Die Therapie der chronisch-rezidivierenden bakteriellen Vaginose sollte mit lokalen Antiseptika oder einer suppressiven Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol, gefolgt von vaginalen Probiotika erfolgen, um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs nach der Therapie zu reduzieren.«