Apfelessig – Abnehm-Booster und Allheilmittel? |
Apfelessig soll beim Abnehmen helfen und positive Wirkungen auf den Stoffwechsel und das Darmmikrobiom haben. / © Adobe Stock/Brent Hofacker
Apfelessig wird in zwei Schritten hergestellt: Zuerst wird Apfelsaft zu Wein vergoren (alkoholische Gärung). Dann wird der Alkohol durch Bakterien in Verbindung mit Sauerstoff fermentiert und in Essig umgewandelt (essigsaure Gärung). Bio-Apfelessig wird aus ganzen Äpfeln statt Apfelresten (ohne Pasteurisierung) hergestellt und enthält daher mehr Nährstoffe als herkömmlicher Apfelessig.
Apfelsaft enthält zwar eine Reihe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Aminosäuren und sekundäre Pflanzenstoffen – naturtrüber mehr als klarer Saft. Da der daraus hergestellte Apfelessig allerdings üblicherweise in geringen Mengen, etwa ein Esslöffel pro Tag, verzehrt wird, scheidet er als Mikronährstoff-Lieferant weitgehend aus. Dennoch lohnt es sich geschmacklich wie gesundheitlich, einen guten Apfelessig im Küchenregal vorrätig zu haben.
Das fruchtig-säuerlich erfrischende Aroma des Apfelessigs harmoniert gut nicht nur in Salatdressings, sondern auch in Marinaden und Soßen. Fans lieben aber vor allem den morgendlichen Schluck verdünnt in warmem Wasser aus gesundheitlichen Gründen. Traditionell wird Apfelessig vielfältig eingesetzt, beispielsweise um den Stoffwechsel anzukurbeln, auch Leber und Niere sollen angeregt werden. Entzündungen sollen gehemmt und die Wundheilung (auch etwa bei unreiner Haut) durch äußerliche Anwendung gefördert werden.
Das Gurgeln von verdünntem Essig soll bei Halsschmerzen helfen. Traditionell wird der Essig aufgrund seiner antimikrobiellen Wirkung auch zur Ausleitung schädlicher Darmbakterien und zum Schutz vor beispielsweise einer Candida-Infektion eingesetzt. Viele Menschen schwören auch auf die verdauungsfördernde Wirkung des Apfelessigs. Die Wirkungen werden vor allem der enthaltenen Essigsäure zugeschrieben. Für die meisten Indikationen gibt es allerdings keine wissenschaftliche Evidenz.
Im Gegensatz zu vielen modernen Superfoods hat Apfelessig eine jahrtausendealte Geschichte. Die Ägypter, Phönizier und Römer liebten ihn beispielsweise als Erfrischungsgetränk oder als Lebensmittelzusatz, um die Haltbarkeit ihrer Beute zu verlängern. Im Laufe der Zeit wurde Apfelessig immer häufiger auch zu medizinischen und kosmetischen Zwecken verwendet. Neben dem griechischen Arzt Hippokrates, der Apfelessig beispielsweise als Infektionsschutz bei Wunden einsetzte, schwor später auch Hildegard von Bingen auf die Heilkräfte der Flüssigkeit. In Kombination mit Kräutern verwendete sie ihn in Einreibungen oder Elixieren zum Trinken.
Pur sollte man Apfelessig nicht einnehmen, da die Säure den empfindlichen Zahnschmelz schädigen kann. Wer den Morgentrunk mit Strohhalm trinkt, der hält die verdünnte Flüssigkeit weitestgehend von den Zähnen fern. Ein zu hoher Säuregehalt kann zudem den Magen reizen, somit ist ein langsames Herantasten an eine verträgliche Dosierung ratsam. Bei Vorerkrankungen sollten Patienten vor der regelmäßigen Apfelessig-Einnahme Rücksprache mit dem Arzt halten. So beeinflusst Essigsäure beispielsweise den Insulinspiegel und kann zu niedrigen Kaliumwerten führen.
Einen Hype erfährt die saure Flüssigkeit regelmäßig alle paar Jahre – so wie auch aktuell wieder als »Schlank-Schluck« zum Abnehmen. Aber nicht nur die Boulevardpresse, sondern auch die Wissenschaft interessiert sich vermehrt für einfache und natürliche Maßnahmen, um das Abnehmen zu erleichtern, gelten doch Übergewicht und Adipositas als die Pandemie unseres Zeitalters schlechthin.
Einige kleinere Studien legen nahe, dass Apfelessig – regelmäßig verdünnt getrunken – in der Tat den Stoffwechsel ankurbelt, das Sättigungsgefühl erhöht und die Gewichtsabnahme unterstützen kann. Beispielsweise zeigte dies eine Studie der Holy Spirit University Kaslik im Libanon an 120 übergewichtigen jungen Menschen (im Durchschnitt 17 Jahre). Die Probanden tranken auf nüchternem Magen 250 ml Wasser mit entweder 5, 10 oder 15 ml Apfelessig. Eine vierte Probandengruppe erhielt ein Placebo mit verdünnter Milchsäure, um den Geschmack zu imitieren. Die Ernährung und körperliche Aktivität sollen in allen Gruppen vergleichbar gewesen sein.
Die Apfelessig-Trinker verloren über zwölf Wochen bis zu 8 kg an Gewicht und reduzierten ihren Body-Mass-Index um bis zu 3,0 Prozentpunkte. Die besten Erfolge erzielte die 15-ml-Gruppe. Natürlich ist sowohl die Stichprobe der Studie zu klein als auch der Zeitraum zu kurz, um von langfristigen Effekten zu sprechen.
Weiter beobachteten die Studienautoren, dass sich parallel zur Gewichtsabnahme ebenfalls dosisabhängig der Blutzucker- und Cholesterolspiegel sowie die Triglyceride verbesserten. Auch andere Untersuchungen legen nahe, dass Apfelessig dazu beitragen kann, einige Blutparameter zu verbessern. Womöglich ändert die enthaltene Essigsäure nach den Mahlzeiten die Aufnahme der Lebensmittelinhaltsstoffe aus dem Darm (beispielsweise durch Blockade der Stärkeaufnahme) und erhöht die Insulinempfindlichkeit. Davon könnten nicht nur Patienten mit Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes profitieren.
Die Forschung zur Wirkung von Apfelessig auf das Darmmikrobiom ist begrenzt. Einige Tierstudien und In-vitro-Experimente zeigen: Essigsäure wirkt wie ein Präbiotikum und fördert so als Nahrung das Wachstum nützlicher Darmbakterien. Beispielsweise erhöhte sich in einer Studie an Mäusen die Population an Bacteroidetes. Diese Bakteriengruppe wird auch als »Schlankmacher«-Bakterien bezeichnet und steht für eine gesunde Darmflora.
Möglicherweise hat Apfelessig auch entzündungshemmende Eigenschaften, die der Darmschleimhaut zugutekommen. In der Forschung werden verschiedene Mechanismen diskutiert, die zu den gewünschten Wirkungen führen könnten, etwa dass die Essigsäure die Fettsäureoxidation aktiviert oder die Lipogenese und Gluconeogenese hemmt.
Verbraucher jedenfalls sollten die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Apfelessig ist definitiv ein gesundes Lebensmittel unter vielen, das im Rahmen einer bunten und vielfältigen Ernährung das Abnehmen und die Gesundheit unterstützen kann. Eine wahre Wunderwaffe gegen Adipositas, Diabetes und Wohlstandserkrankungen ist es nach aktuellem Stand aber wohl eher nicht.
Selbstgemacht: Apfelessig lässt sich auch recht einfach selbst herstellen. / © Getty Images/EKIN KIZILKAYA
Drei Bio-Äpfel gründlich waschen und in Spalten schneiden – inklusive Schale und Kerngehäuse. Die Äpfel und 50 g Zucker in ein Einmachglas füllen und so viel Wasser ergänzen, bis die Äpfel bedeckt sind. Einmal kurz umrühren, damit sich alles gut verteilt. Dann wird das Glas mit einem Nylonstrumpf abgedeckt (eventuell mit Gummi fixieren) und in ein Regal gestellt (schattig bei Zimmertemperatur). Der Strumpf lässt keine Keime, aber ausreichend Sauerstoff in das Glas. Das Glas sollte täglich hin und her bewegt werden, damit sich kein Schimmel bildet.
Nach etwa zehn Tagen kann man bereits eine leichte Essignote riechen und einen weißen Schaum oben erkennen. Nun wird der Sud durch ein sauberes Küchentuch in ein anderes Einmachglas abgesiebt, welches wieder mit dem Strumpf abgedeckt wird. Die Äpfel können entsorgt werden. Das Glas wird nun für die nächsten sechs Wochen ins Regal gestellt und nicht mehr bewegt. Die Essigbakterien arbeiten nun auf Hochtouren: Mit der Zeit erkennt man die geleeartige Essigmutter, auch als Essigpilz bekannt. Dieser Biofilm besteht aus aktiven Essigsäurebakterien. Die Essigmutter wirkt wie ein Katalysator und kann für die neue Essigproduktion verwendet werden.
Nach den sechs Wochen ist die Feingärung fertig. Der Bio-Apfelessig reift zwar noch nach, aber ist nun verzehrfertig – und mindestens ein Jahr haltbar. Jeden Morgen kann man 1 EL in 250 ml geben und morgens auf nüchternem Magen oder zum Frühstück trinken. Wer möchte, kann den Morgentrunk noch geschmacklich und gesundheitlich aufwerten durch Zugabe von frisch gepresster Ingwerwurzel. Mit Zugabe von Kräutern oder Lavendelknospen in das Essiggefäß kann man ebenso experimentieren.