Arzneimittel und Licht |
Menschen, die photosensibilisiernde Medikamente einnehmen, sollten wissen, wie sie sich vor deren Nebenwirkung schützen können. / Foto: Adobe Stock/kenzo
Bei Nebenwirkungen denken viele Patienten in erster Linie an Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Sonnenbrand kommt eher nicht in den Sinn. Eine arzneimittelinduzierte Lichtempfindlichkeit der Haut tritt jedoch gar nicht so selten auf. Wie viele Menschen genau betroffen sind, ist unbekannt. Es ist für Patienten schwierig zu unterscheiden, ob es sich um einen starken Sonnenbrand infolge eines zu intensiven Sonnenbads handelt oder um eine arzneimittelbedingte Photosensibilisierung. Zu bedenken ist auch, dass sich viele Patienten routinemäßig vor Sonneneinstrahlung schützen und bei einem Aufenthalt im Freien Maßnahmen wie Sonnenschutzmittel anwenden. Bei ihnen sinkt dadurch das Risiko dafür, dass durch eine Photosensibilisierung Schäden auftreten.
Je nach Mechanismus unterscheidet man zwischen Phototoxizität und Photoallergie. Beide Reaktionen können mitunter durch dieselbe Substanz ausgelöst werden und lassen sich nicht immer voneinander unterscheiden. Auslöser können sowohl topische als auch systemische Arzneimittel oder ihre Metaboliten sein. Sie werden als Photosensibilisatoren bezeichnet. Verursachende Wirkstoffe stammen aus unterschiedlichen Substanzgruppen. Beispiele sind einige Antibiotika, Diuretika und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR). Die Arzneistoffe haben in der Regel ein geringes Molekulargewicht und sind planar, trizyklisch oder polyzyklisch aufgebaut. Kennzeichnend ist eine lichtabsorbierende Gruppe (Chromophor), die Photonen aufnehmen kann. Dadurch geht das Molekül in einen kurzlebigen energiereichen Zustand über. In der Folge entstehen in der Haut freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies.
Arzneimittel | Reaktionstyp |
---|---|
Antibiotika | |
Tetracycline (Doxycyclin, Tetracyclin) | Phototoxisch |
Fluorchinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin) | Phototoxisch |
Cotrimoxazol (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) | Phototoxisch, photoallergisch |
Antimykotika | |
Terbinafin | Phototoxisch |
Itraconazol | Phototoxisch, photoallergisch |
Voriconazol | Phototoxisch |
NSARs | |
Ibuprofen | Phototoxisch |
Ketoprofen | Phototoxisch, photoallergisch |
Naproxen | Phototoxisch |
Diclofenac | Phototoxisch, photoallergisch |
Celecoxib | Phototoxisch, photoallergisch |
Diuretika | |
Furosemid | Phototoxisch |
Hydrochlorothiazid | Phototoxisch, photoallergisch |
Herzkreislaufmittel | |
Amiodaron | Phototoxisch, photoallergisch |
Diltiazem | Phototoxisch, photoallergisch |
ACE-Hemmer (Enalapril, Captopril) | Phototoxisch, photoallergisch |
Psychopharmaka | |
Chlorpromazin, Fluphenazin, Perphenazin | Phototoxisch, photoallergisch |
Thioxanthene (Chlorprothixen, Thiothixen) | Phototoxisch |
Andere | |
HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren wie Pravastatin, Atorvastatin, Simvastatin | Phototoxisch, photoallergisch |
Hormone, z. B. orale Kontrazeptiva | Phototoxisch, photoallergisch |
Johanniskraut | Phototoxisch |
Isotretinoin, Acitretin | Phototoxisch |
5-Aminolävulinsäure, Porfimer-Natrium | Phototoxisch |
Sonnenschutzmittel wie Para-Aminobenzoesäure, Zimtsäure | Photoallergisch |
Duftstoffe wie Moschus-Ambrette, 6-Methylcumarin | Photoallergisch |
Es gibt zwei Arten von Phototoxizität: die photodynamische, die Sauerstoff-vermittelt abläuft, und die nicht photodynamische, die direkt, also ohne Sauerstoff, erfolgt. Im energiereichen Zustand können die Photosensibilisatoren mit anderen Molekülen interagieren und sie in freie Radikale verwandeln. Die freien Radikale schädigen Zellbestandteile wie Zellmembranen, Lysosome, Lipide, Proteine oder DNA. Es ist auch möglich, dass der Wirkstoff Energie aus UV-A-Strahlen aufnimmt und diese in der Haut freisetzt. Die Folge der Energiefreisetzung sind ebenfalls Zellschäden. Phototoxische Reaktionen sind auf die sonnenexponierten Bereiche beschränkt und betreffen vor allem Gesicht, Hals, Unterarme und Hände. Sie sind dosisabhängig, entstehen also proportional zur Medikamenten- und Lichtdosis. Manche Patienten vertragen ihr Medikament in den Wintermonaten, im Frühling zeigen sich jedoch Hautsymptome. Andere sind bei niedriger Dosierung beschwerdefrei, leiden bei einer Dosiserhöhung aber unter einer gesteigerten Lichtempfindlichkeit.
Die Symptome ähneln einem starken Sonnenbrand, der mit schmerzhaften Erythemen, Ödemen und Bläschenbildung einhergehen kann. Sie können bereits nach der ersten Exposition mit dem Photosensibilisator auftreten und entwickeln sich 30 Minuten bis 24 Stunden nach der Sonnenexposition. Je nach Art des Photosensibilisators dauern die Symptome Stunden bis zu vier Tage an. Voraussetzungen für die Reaktion sind eine ausreichende Dosis der Substanz und eine Bestrahlung mit dem jeweiligen Spektrum. Meistens handelt es sich dabei um UV-A-Strahlen (320 bis 400 nm). UV-B-Strahlung (280 bis 320 nm) und sichtbares Licht (400 bis 780 nm) sind seltener der Auslöser. Wird das Mittel abgesetzt oder ersetzt, verschwinden die Hautreaktionen.
Eine photoallergische Reaktion tritt hingegen auf, wenn aus der Wechselwirkung zwischen Arzneimitteln und Strahlung eine kutane Immunreaktion entsteht. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Photoallergisierung vom Spättyp, die nicht nach dem Erstkontakt auftritt. Im ersten Schritt verändert sich der Wirkstoff unter Lichteinfluss strukturell. Er bindet an ein Hautprotein und wird mit diesem zu einem kompletten Allergen (Photoallergen). Bei erneuter Exposition löst dieses eine durch T-Zellen vermittelte Immunreaktion aus. Die Reaktion ist dosisunabhängig und äußert sich einige Tage nach der Exposition als ekzematöse, juckende Dermatitis, seltener als systemische Photoallergie.
Kriterium | Phototoxizität | Photoallergie |
---|---|---|
Inzidenz | hoch | niedrig |
Substanzdosis | übliche Einnahmedosen, dosisabhängige Schädigung | Reaktionen auch bei geringen Dosen |
Strahlendosis | hoch | gering |
Pathophysiologie | direkte Gewebeschädigung | Typ IV-Allergie |
Beginn der Symptome nach Exposition | innerhalb weniger Stunden | innerhalb von 24 bis 72 Stunden |
Reaktion nach Erstkontakt | ja | nein |
Betroffene Körperregionen | sonnenexponierte Haut | Reaktion kann sich auf nicht exponierte Bereiche ausbreiten |
Klinische Charakteristik | starker Sonnenbrand | Kontaktekzem |
Pigmentveränderungen | häufig | selten |
Für das Apothekenteam ist es wichtig zu erkennen, ob Patienten mit Hautsymptomen möglicherweise eine phototoxische oder photoallergische Arzneimittelreaktion haben. Eine Vielzahl von Medikamenten kann eine Lichtempfindlichkeit auslösen. Bei Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen, wie es bei zahleichen älteren Menschen der Fall ist, kann es schwierig sein, das verantwortliche Mittel zu identifizieren. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ausbruch und einer Exposition gegenüber einem topischen oder systemischen Photosensibilisator gibt einen Hinweis. Das gelingt vor allem dann, wenn das verantwortliche Medikament neu eingeführt wurde. Der Arzt kann den Verdacht mit speziellen Untersuchungen bestätigen. Diese sind in den »Empfehlungen zur Durchführung des Photopatch-Tests und weiterer Testverfahren zur Identifizierung von Photosensibilisatoren« aus 2007 der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) beschrieben.
Ziel eines Photopatch-Tests, auch als belichtete Epikutantestung bezeichnet, ist es, den auslösenden Photosensibilisator (Photoallergen) zu identifizieren. Erfasst werden können in erster Linie topisch applizierte Photosensibilisatoren. Die Testsubstanzen werden zweifach auf die Haut aufgebracht. Dazu verwendet der Arzt spezielle Applikationssysteme, etwa Finn-Chambers. Diese bestehen aus kleinen Aluminiumschalen, die halbfeste Zubereitungen aufnehmen können. Bei einer flüssigen Testsubstanz wird eine durchtränkte Filterpapierscheibe in die Kammer eingelegt. Das System klebt der Arzt auf die Haut des Patienten, meistens am Rücken. Nach 24 oder 48 Stunden wird ein Testblock entfernt und die Haut von Substanzresten befreit. Anschließend wird das Areal bestrahlt. Die Reaktion im belichteten Testareal begutachtet der Arzt sofort sowie 24 und 48 Stunden danach. Nach 48 Stunden oder fakultativ nach 24 Stunden wird auch der zweite Testblock entfernt und der Arzt begutachtet das Kontrollareal, um kontaktallergische Reaktionen auszuschließen.
Goldstandard, um durch systemische Agenzien ausgelöste photoallergische oder phototoxische Reaktionen zu diagnostizieren, ist die systemische Photoprovokationstestung. Als systemische Photosensibilisatoren kommen unter anderem Sulfonamide, NSAR, einige Antibiotika, Lipidsenker und Diuretika in Betracht. Da eine systemische Photoprovokation aufwendig ist, wird sie nur in ausgewählten Fällen durchgeführt. Dazu wird gemäß den Vorgaben der DDG vor und zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach systemischer Anwendung die Haut bestrahlt. Unmittelbar nach den Bestrahlungen sowie zu verschiedenen späteren Zeitpunkten wird die Haut untersucht.
Zu den Arzneimitteln, die am häufigsten photosensibilisierend wirken, zählen Amiodaron, Chlorpromazin, Doxycyclin, Hydrochlorothiazid, Naproxen, Piroxicam, Tetracyclin, Vemurafenib und Voriconazol. In Deutschland ist für die Nebenwirkung Hydrochlorothiazid am meisten relevant, da es so häufig eingesetzt wird. Wesentlich stärker phototoxisch als das Diuretikum wirkt das Antiarrhythmikum Amiodaron. Es ist jedoch insgesamt für weniger Meldungen von Nebenwirkungen verantwortlich, da Ärzte es seltener als zum Beispiel Hydrochlorothiazid verordnen. Für die Reaktion sind Amiodaron und sein aktiver Metabolit Desethylamiodaron verantwortlich. Bei Bestrahlung bewirken sie, dass sich reaktive Verbindungen wie freie Sauerstoffradikale bilden. Diese können DNA und Zellmembranen zerstören und zur Oxygenierung von Lipiden führen. Patienten weisen erythematöse oder ekzematöse Veränderungen mit begleitendem Juckreiz an den Stellen auf, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Die Symptome beginnen einige Minuten nach der Sonnenexposition, halten bis zu 24 Stunden an und klingen in der Regel nach etwa 48 Stunden ab. Da die Eliminationszeit von Amiodaron durchschnittlich 35 bis 40 Tage beträgt, können phototoxische und photoallergische Reaktionen noch einige Monate nach dem Absetzen auftreten.
Weitläufig bekannt ist die erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut bei Johanniskraut. Die Nebenwirkung tritt jedoch nicht so häufig auf wie befürchtet. Um einen Hypericismus hervorzurufen, sind die üblichen Dosen, die Patienten mit Tabletten oder Tees einnehmen, zu gering. Unter den Antibiotika ist Doxycyclin ein wichtiger Auslöser für Photosensitivität. Die Nebenwirkung ist besonders relevant, da Doxycyclin für die Malariaprophylaxe eingesetzt wird und Reisende in Malariagebieten meist einer erheblichen Sonnenexposition ausgesetzt sind.
Wenn ein Arzneimittel als Auslöser für phototoxische Reaktionen ausgemacht wurde, wendet der Patient dieses bestenfalls nicht mehr weiter an. Die langfristige Einnahme von phototoxischen Arzneimitteln lässt das Hautkrebsrisiko ansteigen. In einigen Fällen hilft eine Dosisreduktion, um Hautreaktionen zu vermeiden. Dazu kann die PTA bei OTC-Medikamenten ermutigen. Medikamente mit kurzer Halbwertszeit nehmen Patienten am besten abends ein. Bei photoallergischen Reaktionen hilft es hingegen meistens nicht, die Dosis zu verringern.
Oft kann der Arzt einen Ersatz verschreiben, wenn eine Photosensibilisierung auftritt. Ist dies nicht möglich und ist das Medikament wichtig für den Patienten, bleibt nur, dass sich der Betroffene vor UV-Strahlen schützt. Wichtig hierbei: Glas und dünne Kleidung halten zwar UV-B-Strahlung weitgehend ab, nicht aber UV-A-Strahlen. Künstliche UV-Strahlungsquellen wie Phototherapielampen, Solarien, LED oder UV-Laser können ebenfalls lichtinduzierte Schäden auslösen.
Sonnenschutzmittel aus der Apotheke schützen auch vor der hauptsächlich für Photosensiblisierungen verantwortlichen UV-A-Strahlung. Der Lichtschutzfaktor sollte mindestens 50 betragen. Bei den einzelnen Präparaten ist angegeben, wie lange sie vor der Sonnenexposition auf die Haut aufgebracht werden müssen. Möglicherweise muss zwischendurch nachgecremt werden. Im Freien tragen Patienten am besten bedeckende Kleidung, breitkrempige Hüte und Sonnenbrille. Gewebte Textilien halten UV-Strahlung nicht zuverlässig ab. Auskunft darüber, wie durchlässig ein Kleidungsstück für UV-Strahlen ist, gibt der UV-Schutzfaktor (UPF). Er ist ein Maß für das Eindringen der UV-Strahlung durch das Gewebe. Der UPF von Kleidung hängt von Fasergehalt, Farbe und Zusatzstoffen ab und kann sich im Laufe der Zeit verändern, wenn der Stoff abgenutzt wird. Patienten mit einem Risiko für phototoxische oder photoallergische Reaktionen achten auf Kleidung mit einem UPF von 40 oder höher.
Spezielle Smartphone-Apps können die aktuellen UV-Werte anzeigen. Die SunSmart Global UV-App wird von der WHO empfohlen. Sie gibt fünftägige UV-Vorhersagen und den UV-Index für den ausgewählten Ort an. Die App empfiehlt weiterhin, in welchen Zeitfenstern Patienten am besten Sonnenschutz oder andere Schutzmaßnahmen anwenden sollten. Sind bereits Schäden vorhanden, kann eine kurzzeitige Behandlung mit topischen oder systemischen Glucocorticoiden angezeigt sein. Bei akuten photoallergischen Symptomen können wie bei einer allergischen Kontaktdermatitis Antihistaminika helfen.
Bei einigen Arzneimitteln leidet unter Lichteinfluss die Stabilität. Zu den lichtempfindlichen Wirkstoffen zählen unter anderem Amiodaron, Amlodipin, Cefaclor, Chinin, Cyanocobalamin, Furosemid, Isotretinoin, Molsidomin, Nifedipin, Nitrendipin und Zopiclon. Unter Lichteinfluss können Wirkstoffverluste eintreten oder phototoxische Abbauprodukte entstehen. Pharmazeutische Unternehmer müssen die Photostabilität neuer Wirkstoffe und Arzneimittel untersuchen und Hinweise zur Lagerung vorgeben. In der Fachinformation stehen die Lagerungshinweise unter Punkt 6.4 »Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung« und in der Gebrauchsinformation unter Punkt 5. Lichtempfindliche flüssige Arzneiformen füllen Hersteller in Braunglasflaschen ab, feste Arzneiformen befinden sich zum Lichtschutz in Alu-Alu-Blistern.
Bei lichtempfindlichen Wirkstoffen optimieren viele Hersteller auch die Galenik. Tabletten können zum Beispiel mit einem vor Licht schützenden Überzug versehen werden. Einige Arzneimittel müssen nach Angaben in der Fachinformation lichtgeschützt appliziert werden. Das betrifft unter anderem manche Vitamine, Antiinfektiva, kardiovaskulär und auf das zentrale Nervensystem wirkende Substanzen oder auch einige Elektrolytlösungen. Zur Applikation kann die Infusionsflasche mit einer speziellen Hülse geschützt oder mit Aluminiumfolie umwickelt werden. Spritzen und Appliziersysteme bieten einige Firmen auch von vorneherein lichtundurchlässig an.