Arzneimittelreste in Gewässern und Trinkwasser |
Über die Wasserentnahme aus Gewässern und Grundwasser gelangen die Substanzen unvermeidbar auch ins Trinkwasser und ebenso in Mineralwasser. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Zwar müssen die Hersteller Studien zu Umweltverhalten und -toxizität durchführen, publik werden die Ergebnisse aber Experten zufolge kaum. »Umweltbehörden und Öffentlichkeit kommen an die Daten oft nicht heran«, erklärt die Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe. Effektiver Gewässerschutz sei in der Folge erheblich erschwert. Anders als etwa bei Industriechemikalien müssen Arzneimittel-Hersteller bisher nur bei den Zulassungsbehörden Daten einreichen und können sich zudem auf umfangreiche Ausnahmen berufen, sodass in der Praxis oft gar keine Daten vorgelegt werden, wie Teppe erklärt.
Inzwischen dreht sich der Wind und auf EU-Ebene laufen Verhandlungen für neue Regelungen. Die Kommission hat angekündigt, in den kommenden Tagen oder Wochen einen ersten Entwurf für das neue Humanarzneimittelrecht vorzulegen. »Darin sind dann hoffentlich Umweltbelange wie das Schließen von Datenlücken und die Datentransparenz wenigstens ansatzweise schon adressiert«, hofft Teppe, die seit einigen Monaten für das Umweltbundesamt (UBA) arbeitet. Für ihre juristische Doktorarbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der Universität Hamburg zur Problematik war sie 2022 mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung ausgezeichnet worden.
Die Substanz Diclofenac – in Deutschland unter anderem Bestandteil von Salben, die gegen Schmerzen wirken sollen – ist ein Beispiel dafür, dass Arzneistoffe ebenso überraschende wie furchtbare Folgen für Natur und Umwelt haben können: Als indische Landwirte in den 1990er-Jahren begannen, ihre Rinder mit Diclofenac zu behandeln, begann ein Massensterben der Geier. Bestände schrumpften um 90 Prozent und mehr, einige Arten starben fast aus. Das Mittel verursacht bei den Greifvögeln, die es beim Verzehr von Kadavern aufnehmen, schon in kleinsten Mengen ein qualvolles, tödliches Nierenversagen.
Allein in Deutschland werden pro Jahr etwa 80 Tonnen des Wirkstoffes verbraucht. »Maximal sechs Prozent kommen am gewünschten Zielort im Körper an«, sagt Gerd Maack von der Fachgruppe zur Umweltbewertung von Arzneimitteln des UBA. »Die Haut ist eine effektive Barriere, das ist ja auch ihre Aufgabe.« Als Salbe aufgetragen gehe der Großteil des enthaltenen Wirkstoffs beim Händewaschen, Duschen oder dem Waschen der getragenen Kleidung ins Abwasser. In den Kläranlagen werde nur ein Teil eliminiert.
Die Wasserrahmenrichtlinie der EU sieht inzwischen eine weitere Reinigungsstufe vor, auch in Deutschland werden immer mehr 4. Klärstufen eingebaut. Sie halten Spurenstoffe etwa durch sogenannte Ozonierung oder Aktivkohlefiltration zurück. »Viele Wirkstoffe wie Röntgenkontrastmittel rauschen aber auch da einfach so durch«, sagt Maack vom UBA. Diskutiert werden deshalb verschiedene weitere Maßnahmen, etwa eine Umweltverträglichkeits-Ampel als Zusatzinfo für Fachpersonal.