Auf das Sterben vorbereiten |
Caroline Wendt |
03.03.2022 12:30 Uhr |
Die letzten Momente im Leben eines Menschen begleiten: In den Letzte Hilfe Kursen können Interessierte erfahren, wie sie Sterbende unterstützen können. / Foto: Adobe Stock/Photographee.eu
»Wir sind alle sterblich und müssen diese Erde auch wieder verlassen«. Das allein sollte laut Knopf schon Begründung genug sein, um einen Letzte Hilfe Kurs zu besuchen. Denn es gelte, dem Thema den Schrecken zu nehmen und zu wissen, was einen am Ende des Lebens erwartet. »Auf jede Reise bereitet man sich vor, packt seine Koffer. Und so sei es auch nötig, für die letzte Reise seine Sachen zusammen zu suchen, so der gelernte Fachkrankenpfleger für Palliativ Care und Anästhesie. Es sei wichtig zu wissen, dass alles Notwendige organisiert sei. »So bricht die Zukunft nicht über uns herein, sondern wir können sie ein Stück weit selbst bestimmen«.
Hierbei sollen die sogenannten Letzte Hilfe Kurse helfen. Sie richten sich an alle, die sich mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen wollen. Je unbelasteter die Teilnehmer sind, desto unbeschwerter können sie sich laut Knopf mit dem Thema auseinandersetzen. Traditionell nehmen allerdings viele Angehörige, Freunde oder Bekannte an den Kursen teil, die sich um einen Menschen in ihrem Umfeld sorgen. Auch Patienten selbst sind häufig Teilnehmer der Kurse.
»Wir wollen Menschen erklären, was man bei der Begleitung am Lebensende braucht«, erläutert der Geschäftsführer des Würdezentrum Frankfurts weiter. Aufgebaut sind die Letzte Hilfe-Kurse in vier Module à 45 Minuten: In Teil eins geht es darum, zu verstehen, dass Tod und Sterben Teil des Lebens sind. Danach richtet der Kurs seine Aufmerksamkeit auf eher praktische Themen wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. »Die Teilnehmer lernen, wie sie ihrem letzten Willen Ausdruck verleihen können und wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen können«, so Knopf.
»Mit guter Medizin und guter Pflege sind die meisten Beschwerden am Lebensende wirklich gut behandelbar«, informiert Boris Knopf. / Foto: Privat
Im dritten Teil erfahren die Kursteilnehmer, wie Symptome am Ende des Lebens gelindert werden können. »Viele haben Angst, dass sie oder die ihnen Nahestehenden am Ende unter Schmerzen oder Luftnot leiden«, weiß der Fachkrankenpfleger zu berichten. Doch mit guter Medizin und guter Pflege seien die meisten Beschwerden am Lebensende wirklich gut behandelbar. Neben dieser wichtigen Information erhalten die Kursteilnehmer einige praktische Tipps, wie sie selbst einem sterbenden Menschen Leiden nehmen können. So kann beispielsweise das Ausstreichen des Mundes mit einem feuchten Wattestäbchen Linderung verschaffen. Auch das Thema richtig Lagern könne gut geübt werden. Das wichtigste ist laut Knopf jedoch, den Menschen die Angst zu nehmen. »Alles, worüber ich Bescheid weiß, muss mir keine Angst mehr machen.« Viele pflegende Angehörige hätten zudem Sorge, etwas falsch zu machen im Umgang mit sterbenden Menschen. Doch Tod und Sterben seien genauso einzigartig wie eine Geburt. »Dies ist ein Mut-mach-Kurs oder ein Hab-keine-Angst-Kurs«, so der Fachkrankenpfleger.
Im letzten Teil des Kurses geht es um das Thema Abschied nehmen. »Wann fängt Trauer an und wie rede ich beispielweise mit meinen Kindern über das Sterben«, sind laut Knopf wichtige Inhalte.
Für Kinder und Jugendliche gibt es zudem ein eigenes Angebot: Die Letzten Hilfe Kurse Kids & Teens richten sich speziell an die Altersgruppe der 8- bis 16-Jährigen. »Die meisten haben noch eine ganz unvoreingenommene Art, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen«, berichtet Knopf. Doch sei es wichtig, mit ihnen darüber zu sprechen, denn Tod und Sterben seien in unserer Gesellschaft nach wie vor große Tabuthemen.
Außerdem gibt es die Kurse auch in einfacher Sprache. Letzte Hilfe-Seminare, die sich an professionelle Personen aus dem Gesundheitswesen richten, sind in der Projektphase. Auch ein Konzept mit der Ausrichtung »kultursensibel« ist in Planung, mit dem die trägerunabhängige gemeinnützige GmbH »Letzte Hilfe Deutschland« mit Menschen aus anderen Kulturen in Kontakt treten möchte.
Und wo sind diese Kurse zu finden? Das Angebot existiert bundesweit und Interessierte können auf der Internetseite www.letztehilfe.info nachlesen, wo der nächste Lehrgang in ihrer Nähe ist. Angeboten werden die Seminare von unterschiedlichen Organisationen zum Beispiel Hospizen, Palliativteams, Pflegediensten oder Hilfsorganisationen wie dem Malteser Hilfsdienst.
Das Konzept geht auf den Arzt und Palliativmediziner Georg Bollig zurück. Dieser beschrieb die Idee der Letzten Hilfe-Kurse erstmals 2008 in seiner Masterarbeit. Das erste Seminar fand 2014 in Norwegen statt, seit 2015 gibt es die Kurse auch in Deutschland. »Die Letzten Hilfe-Kurse folgen einem festen Konzept, doch bleibt immer genügend Zeit, die persönlichen Fragen der Teilnehmer zu beantworten und eigene Schwerpunkte zu setzen«, beschreibt Knopf den Ablauf. Die Kursleiter sind allesamt Fachleute, die aus unterschiedlichen Bereichen des palliativen und hospizlichen Umfelds kommen. So können die Teilnehmer beispielsweise auf Ärzte, Krankenpfleger, Bestatter oder Hospizkoordinatoren treffen.
In der Apotheke kommen PTA und Apotheker tagtäglich mit vielen Kunden ins persönliche Gespräch, viele Patienten sind seit Jahren und Jahrzehnten bekannt und vertraut. Oft kennen die Apothekenmitarbeiter die persönlichen (Krankheits-)Geschichten, Sorgen und Nöte der Patienten. Da ist es wichtig, den Kunden auch am Ende des Lebens zur Seite stehen zu können. »Wo finde ich Hilfe, an wen muss ich mich wenden?« – die Vertrauensperson in der Apotheke kann helfen, die richtigen Ansprechpartner zu finden. Die Patienten sollten erfahren, dass es beispielsweise Palliativteams, Pflegedienste, Hospize oder ehrenamtliche Hospizbegleiter gibt. Nicht zuletzt sollten die Menschen wissen, dass sie auch einen rechtlichen Anspruch darauf haben, Unterstützung am Lebensende zu erhalten. Knopf, der auch Teil des Palliativ-Teams Frankfurt ist, betont: »Die Patienten sollten diese Informationen frühzeitig bekommen und nicht erst, wenn das Kind schon fast in den Brunnen gefallen ist.« Die palliative Versorgung beginne nicht erst, wenn die kurative am Ende sei. Ein weicher Übergang sei viel besser. »Der letzte Weg hat viel mit Vertrauen zu tun. Die Leute brauchen Zeit sich auf die neue Situation einzulassen«, so Knopf. Es gebe gute Strukturen in der Versorgung, die Menschen unterstützen und auffangen können.