Auf den Geschmack gekommen |
Wildkräuter bereichern die Küche, die Sinne und die Gesundheit: Mit ihnen lässt sich leicht Salz reduzieren und auf Geschmacksverstärker komplett verzichten. / Foto: Adobe Stock/Angela
Viele der einigen hundert essbaren Wildpflanzen in Deutschland wachsen sogar in Gärten – als hartnäckiges vermeintliches Unkraut. In der Tat zählen zu den Wildkräutern alle krautigen Pflanzen, die nicht durch Züchtung verändert wurden. »Krautig« bedeutet, dass sie, im Gegensatz zu Sträuchern und Bäumen, keinen holzigen Stamm haben.
Wildkräuter haben einiges zu bieten. Denn viele der kleinen, fast unscheinbaren Pflänzchen haben einen höheren Nährstoffgehalt als klassisches Gemüse oder sogenanntes Superfood aus dem Supermarkt. Beispiel Brennnessel: In ihr steckt dreimal mehr Vitamin C als in Rosenkohl (330 vs. 110 mg/100g) und doppelt so viel Eisen wie in Spinat (7,8 vs. 4,1 mg/100g).
Wer die Kräuter nicht im Garten, sondern »wild« schneidet, sollte darauf achten, sie nicht in der Nähe stark befahrener Straßen zu sammeln. Die besten und unbedenklichsten Kräuter findet man auf ungedüngten Wiesen und an Orten, an denen wenige Hunde unterwegs sind.
Um giftige Verwechslungen zu vermeiden, gilt bei Wildkräutern wie beim Pilze-Sammeln im Wald: In den Erntekorb kommen nur diejenigen Exemplare, die man kennt und eindeutig zuordnen kann. Was bei der Brennnessel noch einfach klappt – »Hat’s beim Anfassen gebrannt, ist die Brennnessel erkannt!« –, dürfte für andere Exemplare schon schwieriger werden. So kann man Bärlauch optisch zum Beispiel mit den giftigen Maiglöckchen verwechseln – vor allem, wenn noch keine Blüten am Stängel sind.
Orientierung bieten verschiedene Fachbücher zum Thema »Wildkräuter sammeln«. Auch Seminare oder Exkursionen ins Freie werden in fast jeder Stadt angeboten – gerade jetzt im Frühjahr, wenn die geballte Ladung an Gesundheit aus dem Boden sprießt. Auch die folgenden vier Wildkräuter-Porträts lassen die Pflanzen besser kennenlernen.
Ob der Bärlauch (Allium ursinum) aus der Familie der Lauchgewächse seinen Namen erhalten hat, weil sich Bären nach ihrem Winterschlaf gerne mit dem würzigen Kraut gestärkt haben oder weil viele kräftige und heilsame Pflanzen nach dem starken Tier benannt wurden (wie Bärlapp, Bärentrauben) – das sei dahingestellt. Zum innerlichen Frühjahrsputz eignet sich der wilde Knoblauch allemal.
Gesundheit: Neben einer guten Portion Vitamin C, Mineralien und Eisen punktet Bärlauch vor allem aufgrund seiner sekundären Pflanzenstoffe wie schwefelhaltige ätherischen Öle (etwa Allicin) und Senfölglykoside. So soll Bärlauch nicht nur ein guter Tipp gegen Frühjahrsmüdigkeit sein, sondern auch verdauungs- und appetitanregend wirken. Herz und Immunsystem könnten ebenfalls profitieren aufgrund gefäßreinigender, blutdruckregulierender, antibakterieller und fungizider Effekte.
Bärlauch findet man an (halb-)schattigen, feuchten und nährstoffreichen Standorten – an Wäldern, Wiesen und Bachläufen. Meist werden die Blätter verzehrt, aber auch die Blüten sind gesunde essbare Dekoration. / Foto: Adobe Stock/jacinda richman
Geschmack und Verwendung: Der auch als wilder Knoblauch bezeichnete Bärlauch schmeckt intensiv knoblauchartig. Die Pflanze kann von Kopf bis Fuß verwendet werden: Von März bis April werden die würzigen Blätter geerntet, die dann Salate, Suppen, Pasta-Gerichte, Dips und Kräuterbutter verfeinern dürfen. In Ölen, Pestos oder Kräutersalz lässt sich die kurze Bärlauch-Saison ein wenig konservieren. Ab der Blütezeit lässt das Aroma der Blätter nach. Die Blüten werden dann als Knospen oder schon geöffnet zur essbaren Dekoration auf dem Teller. Die länglichen kleinen Wurzeln können dann abschließend wie Knoblauch verwendet werden – oder man lässt diese für das nächste Jahr einfach stehen.
Sicherheit: Durch seine sternenförmigen Einzelblüten ist eine Verwechslung mit giftigen Pflanzen in der Blühzeit kaum möglich. Vorher jedoch besteht vor allem zu Maiglöckchen und Herbstzeitlose Verwechslungsgefahr. Diese versprühen zwar keinen Knoblauchduft. Wenn sie aber in der Nähe von Bärlauch-Pflanzen stehen, sind Duftunterschiede manchmal schwer zu identifizieren. Wer Bärlauch-Blätter sammelt, sollte eine gute Pflanzenkenntnis besitzen. Für alle anderen ist es ratsam, den Bärlauch lieber auf dem Wochenmarkt einzukaufen oder im heimischen Kräutergarten zu ernten.
Essbare Blüten peppen Mahlzeiten optisch, kulinarisch sowie gesundheitlich auf. Von Bärlauch, Borretsch, Gänseblümchen, Holunder, Kapuzinerkresse über Lavendel bis hin zu Ringelblume, Rosmarin, Veilchen und Zucchiniblüten ist vom Frühjahr bis Herbst eine bunte Vielfalt gegeben. Auch für die Blüten gilt: Nur diejenigen wandern in die Ernteschale, die man eindeutig zuordnen kann.
Der Giersch (Aegopodium podagraria) aus der Familie der Doldenblütler, auch Geißfuß genannt, ist eines der hartnäckigsten Unkräuter und Schreck jedes Gärtners. Wer den Giersch im Garten einfach aufisst, der kann das Ärgernis in ein robustes und wartungsfreies Dauergemüse umwandeln. So sollte die Devise heißen: Lieber essen statt vernichten!
Gesundheit: Giersch ist ein Kraftpaket an Nährstoffen. Er enthält 15-mal so viel Protein und Vitamin C wie Endiviensalat. Auch sein Gehalt an Kalium und sekundären Pflanzenstoffen ist sehr hoch. Die Volksmedizin setzt den Giersch bei Gicht, rheumatischen Erkrankungen und Harnwegsinfekten ein.
Für Gärtner ein echtes Ärgernis, für Wildkräuter-Liebhaber ein Highlight: Giersch. / Foto: Adobe Stock/Jürgen Vogt
Geschmack und Verwendung: Das frische Unkraut besitzt ein frisches und fein-würziges Aroma, erinnert roh an Petersilie und Möhre, gekocht an Spinat. Die älteren Blätter schmecken herber. Von März bis Mai lassen sich die jungen, noch glänzenden Blätter sammeln. Ab Mai können dann auch die winzigen weißen Blüten im knospigen Zustand geerntet werden. Sie lassen sich klein geschnitten als Würze über Speisen nutzen. In früheren Zeiten war Giersch eine beliebte Zutat in der Gründonnerstagssuppe. Das Wildkraut schmeckt gut in Pestos, Soßen, Suppen, in Kombination mit Spinat oder im Taboulé statt Petersilie.
Sicherheit: Beim Sammeln ist eine Verwechslung mit ungenießbaren und giftigen Arten wie Gefleckter Schierling oder Breitblättriger Merk zu vermeiden. Giersch lässt sich gut am dreikantigen Blattstiel erkennen. Dieser besitzt drei Teilblättchen, die ebenfalls dreigeteilt sind, manche allerdings nur zweigeteilt. Der Blattrand ist gesägt. Zwischen den Fingern zerrieben duftet er nach Petersilie und Möhre. Ein Giersch steht selten allein, sondern kommt meist flächendeckend vor – Gärtner können dies bestätigen.
Lange galt der Große Sauerampfer (Rumex acetosa) als Arme-Leute-Essen. Im Mittelalter war das Knöterichgewächs einer unter mehreren Wildkräutern, die der hungernden Bevölkerung als Nahrungsergänzung gegeben wurde. Heutzutage macht er wieder Karriere und man findet ihn – wie auch Bärlauch – in Gourmetküchen.
Gesundheit: Schon im Mittelalter aßen Seefahrer den Vitamin-C-reichen Sauerampfer, um der Mangelkrankheit Skorbut vorzubeugen. Des Weiteren liefert das Kraut Provitamin A, Eisen, Magnesium und Kalium. Sauerampfer regt zudem den Appetit an, unterstützt die Verdauung und wirkt harntreibend und blutreinigend. Den enthaltenen Gerbstoffen wird eine entzündungshemmende, antibakterielle, antivirale und antioxidative Wirkung zugeschrieben. Vorsicht: Patienten mit Harnsteinen oder einer Nierenerkrankung sollten nicht zu häufig zu dem leckeren Wildkraut greifen, da es Oxalsäure enthält. Tipp: Durch Kochen lässt sich der Oxalsäure-Gehalt reduzieren, wenn das Kochwasser weggeschüttet wird.
Früher ein Arme-Leute-Essen, heute in der Gourmetküche zu finden: Speisen mit Sauerampfer. / Foto: Adobe Stock/Elisabeth
Geschmack und Verwendung: Auf feuchten Wiesen, Weiden und Waldlichtungen, an Wegrändern und auch als großblättrige Züchtung für den eigenen Garten. Die jungen Blätter und Triebspitzen schmecken bis zur Blüte (von März bis April) angenehm zitronig-säuerlich. Danach werden sie etwas bitter. Stehen sie an Wiesen, die regelmäßig gemäht werden, treiben sie schon bald wieder frisch aus. Aufgrund seiner säuerlichen Zitronennote passt Sauerampfer perfekt zu Fischgerichten, ist in der Küche eine pfiffige Alternative zu Essig und Zitrone. Auch als Gewürz in Salaten, Suppen oder im Kräuterquark schmeckt es prima. Zudem ist das Wildkraut eines von sieben Kräuter in der Frankfurter Grünen Soße.
Die Grie Soß – wie sie im Frankfurter Dialekt heißt – besteht aus folgenden sieben Kräutern: Schnittlauch, Borretsch, Pimpinelle, Kerbel, Sauerampfer, Petersilie und Kresse. Für 4 Portionen werden diese Zutaten benötigt:
Die Original Frankfurter Grüne Soße wird klassischerweise mit frischen Pellkartoffeln und hartgekochten Eiern gereicht.
Sicherheit: Der große Sauerampfer lässt sich gut an seinen pfeilförmigen, typisch rückwärts gerichteten Blattspitzen und seiner kräftigen Mittelrippe erkennen. Aber Vorsicht: Der giftige Aronstab hat ebenfalls pfeilförmige, aber größere Blätter, die sich gummiartig anfühlen. Sie erzeugen ein brennendes Gefühl auf Lippe und Zunge. Auch mit seinen Ampfer-Verwandten besteht Verwechslungsgefahr. Diese sind aber nicht giftig. Der Kleine Sauerampfer kann beispielsweise ebenso verwendet werden wie sein großer Bruder.
Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist ein sehr vielseitiges Wiesenkraut der Wegerichgewächse, das es 2014 zur Arzneipflanze des Jahres gebracht hat. Viele wissen zwar um seine benetzende und adstringierende Wirkung gegen Reizhusten, doch nur wenige Menschen nutzen das Kraut in der Küche.
Gesundheit: Durch seine sekundären Pflanzenstoffe wie Schleim- und Bitterstoffe wirkt der Spitzwegerich beispielsweise husten- und reizlindernd, entzündungshemmend und antibakteriell. Sein beachtlicher Gehalt an Vitamin C, Mineralien und Kieselsäure stärken, glaubt man der Volksmedizin, Haut, Knochen und Bindegewebe.
Blätter und Blüten des Spitzwegerichs haben überraschenderweise ein pilziges Aroma. / Foto: Adobe Stock/Harald Mizerovsky
Geschmack und Verwendung: Wiesen und Wegränder sind ab dem Frühjahr häufige Fundorte. Blätter und Blüten liefern im Mund einen Überraschungseffekt: Erinnern doch die Spitzwegerich-Aromen an Pilze. Besonders intensiv ist dies bei den noch knospig verschlossenen Blüten – zu erkennen an der dunklen Farbe der Blütenähre. Leicht in Butter oder Olivenöl gedünstet sind sie ein Gedicht. Aus jungen Spitzwegerich-Blättern lässt sich von März bis Anfang Mai beispielsweise eine Cremesuppe oder ein gedünstetes Gemüse zaubern oder man mixt sie roh mit anderen Salatsorten. Am besten werden die besonders zarten Blätter aus der Rosettenmitte geerntet. Zur Blütezeit wird die Bitternote dann zunehmend unangenehm. Werden die Wiesen regelmäßig gemäht, so treibt der Spitzwegerich wieder frisch aus – wobei die Frühjahrstriebe die aromatischsten sind. Die reifen schleimstoffhaltigen Samen lassen sich ähnlich wie Leinsamen etwa im Müsli oder Salat verwenden. Sie wirken mild abführend.
Sicherheit: Die schmalen, langen Blätter des Spitzwegerichs schießen wie spitze Lanzen aus dem Boden. Meist weisen diese fünf Blattadern auf – vor allem auf der Blattunterseite sichtbar. Die Blütenähre mit der dunklen Blütenknospe mit den ab Mai kleinen weißen Blüten. Spitzwegerich ist mit diesem Wissen unverwechselbar. Seine Wegerich-Verwandtschaft – der Breitwegerich und der Mittlere Wegerich – sehen ihm nur im weiteren Sinne ähnlich. Da sie aber auch essbar sind, wäre eine Verwechslung kein Problem.