Auf der Hormon-Achterbahn |
Verena Schmidt |
23.11.2023 11:00 Uhr |
Sind es schon die Wechseljahre? Stimmungsschwankungen oder depressive Verstimmung können erste Anzeichen sein. / Foto: Getty Images/Israel Sebastian
Die Wechseljahre, medizinisch als Perimenopause bezeichnet, beginnen meist im Alter von Anfang bis Mitte 40, teils auch früher oder später. Die Dauer der hormonellen Umstellungsphase ist individuell. Was die Symptome angelangt, kursierten noch immer viele Vorurteile und Fehlinformationen, erklärte Dr. Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG), bei einer Online-Pressekonferenz im Vorfeld der DMG-Jahrestagung.
»Die Wechseljahre starten nicht mit einem Paukenschlag, und sie sind auch kein stringenter Prozess«, so Schaudig. Zu Beginn der Wechseljahre erlebten viele Frauen unspezifische Symptome, die sich allmählich und schleichend entwickeln, wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, allgemeines Unwohlsein, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel oder Kopfschmerzen. Meist erst in späteren Phasen der Wechseljahre – die letzte Menstruationsblutung tritt durchschnittlich im Alter von 51 Jahren auf – kämen dann »typische« Symptome wie Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Scheidentrockenheit, Gelenkprobleme oder sexuelle Unlust hinzu, so Schaudig.
Was passiert im Körper der Frau? Ursache der Beschwerden seien starke hormonelle Schwankungen, erklärte Schaudig. Denn die Eierstöcke stellten ihre Hormonproduktion nicht plötzlich, sondern nach und nach ein. »Die Hormone geraten aus dem Takt, es herrscht Chaos«, verdeutlichte sie. Als Folge der Hormon-Achterbahn werden also zeitweise zu wenige oder zu viele Hormone ausgeschüttet. Mal könnten dann mehrere Eisprünge kurz hintereinander stattfinden, dann wiederum länger keiner – der Zyklus werde unregelmäßiger. Das könne das Wohlbefinden stark beeinflussen, so die Gynäkologin.
Da die zu Beginn der Perimenopause auftretenden Beschwerden wie Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen immer mal phasenweise im Leben vorkommen können, bringen Betroffene sie häufig nicht mit den Wechseljahren in Verbindung, sondern führen sie auf äußere Umstände wie eine erhöhte Belastung im Beruf oder in der Familie zurück. Viele nähmen die Beschwerden lange hin und scheuten, sie anzusprechen, so die Gynäkologin. Sie rät Ärztinnen und Ärzten – und das ist natürlich auch eine Empfehlung an das Apothekenteam – gezielt nachzufragen, ob etwa Schlafprobleme oder Stimmungsschwankungen früher schon häufiger vorkamen oder ob sie neu aufgetreten sind.
Als Hilfestellung hat die DMG eine Checkliste mit acht Fragen zu Leitsymptomen (siehe Kasten) veröffentlicht. Die Beantwortung der Fragen gibt Hinweise darauf, ob sich die Frau bereits in den Wechseljahren befinden und gesundheitliche Beschwerden damit in Zusammenhang stehen könnten. Je mehr Symptome zutreffen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit.
Viele Frauen in den Wechseljahren berichteten von sexuellen Problemen, depressiver Verstimmung und kognitiven Einschränkungen, bekannt als »Brain Fog«, beschrieb Dr. Anneliese Schwenkhagen, Vorstandsmitglied der DMG, bei der Pressekonferenz. Vielen Frauen werde dann zur Linderung dieser Beschwerden ein Testosterongel verschrieben. Die Gynäkologin warnte jedoch vor solch »blinden« Testosteron-Verordnungen. Die Gabe des Sexualhormons sei nur dann sinnvoll, wenn vorher abgeklärt wurde, dass es keine anderen Ursachen gibt.
»Aktuell ist die Behandlung von sexueller Unlust oder einem verminderten sexuellen Verlangen mit persönlichem Leidensdruck in der Postmenopause die einzige evidenzbasierte Indikation für eine Testosterontherapie bei Frauen«, so die Gynäkologin. Die nachgewiesenen Effekte umfassen unter anderem gesteigertes sexuelles Verlangen, gesteigerte Lust, erhöhte sexuelle Erregbarkeit und verbesserte Orgasmusfunktion. Dabei wurden auch keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse wie das Auftreten von Brustkrebs oder kardiovaskulären Erkrankungen beobachtet, so die Frauenärztin. Auch in der aktuellen S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen« wird eine Testosterontherapie bei Libidoverlust in der Peri- und Postmenopause als mögliche Therapieoption genannt.
Vor und auch unter der Therapie müsse der Testosteronspiegel der Patientin bestimmt werden, so Schwenkhagen. Denn eine Überdosierung sollte unbedingt vermieden werden. Testosteron-Präparate für Männer sind zu hoch dosiert – sie haben einen rund zehnmal höheren Testosteronspiegel als Frauen. Da es aktuell kein speziell für Frauen entwickeltes, niedrig dosiertes Präparat auf dem Markt gibt, arbeiteten Gynäkologen seit Jahren mit einer Magistralrezeptur (0,3-prozentiges Testosteron-Liposomengel), die in Apotheken hergestellt wird. Das Gel werde auf die Wade aufgetragen und die Dosierung je nach Bedarf angepasst, so Schwenkhagen. Auch hierbei müssten Wirksamkeit und Nebenwirkungen, zum Beispiel Akne oder zunehmende Behaarung, während der Behandlung überprüft werden.