Auf Impfschutz statt Lücke setzen |
Impfen ist ein Klacks verglichen mit der Erkrankung, vor der die Impfung schützen soll. Gravierende Nebenwirkungen sind sehr selten. / © Adobe Stock/Racle Fotodesign
Die Skepsis gilt nicht nur den neuen Impfstoffen. Auch bei Impfungen mit klassischen und bewährten Impfstoffen etwa gegen Masern, Poliomyelitis oder humane Papillomviren (HPV) klaffen in Deutschland Impflücken. So zeigt das Epidemiologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die Saison 2023/24, dass Menschen in allen Altersgruppen unzureichend vor impfpräventablen Krankheiten geschützt sind.
Die Impfquoten bei Kleinkindern sind auf den ersten Blick hoch. Jedoch werden viele Impfserien nicht rechtzeitig oder gar nicht abgeschlossen. Besonders betroffen ist die dritte Dosis der Sechsfachimpfung, die unter anderem gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Poliomyelitis schützt. So haben bis zum Alter von zwei Jahren nur 77 Prozent der Kinder einen vollständigen Schutz gegen Polio. Laut RKI gibt es erhebliche regionale Unterschiede, wobei einige Landkreise Impfquoten von weniger als 60 Prozent verzeichnen.
Veranschaulichen lässt sich das zum Beispiel bei Masern. Gegen Masern besteht seit 2020 eine Impfpflicht für Kinder. Seitdem haben sich Impfquoten für Masern, Mumps und Röteln zwar verbessert, dennoch erhalten bis zu 10 Prozent der Kinder nur eine statt der empfohlenen zwei Impfdosen. Das verringert den individuellen Schutz. Insgesamt bleibt die Impfquote in Deutschland hinter den angestrebten 95 Prozent zurück.
Laut des aktuellen Barmer-Arzneimittelreports waren im Jahr 2022 lediglich 87 Prozent der Zweijährigen vollständig gegen Masern geimpft. Das ist zwar ein Anstieg um acht Prozentpunkte im Vergleich zu 2019, liegt aber weiterhin unterhalb der für eine Herdenimmunität erforderlichen Schwelle. Besonders niedrig sind demnach die Impfquoten in Sachsen (77 Prozent), Baden-Württemberg (84 Prozent) und Bayern (85 Prozent), die bis zu zehn Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt liegen.
Zudem waren 2022 rund 5 Prozent der 2020 geborenen Kinder völlig ungeimpft. Experten warnen, dass Impflücken nicht nur die betroffenen Kinder gefährden, sondern auch das Risiko für regionale Masernausbrüche erhöhen. Wichtig und empfohlen im Jugendalter ist die HPV-Impfung, die vor späteren Krebserkrankungen schützen kann. Auch hier wird nur eine unzureichende Abdeckung erreicht. Bei 15-jährigen Mädchen liegt die Impfquote aktuell bei 55 Prozent, bei Jungen sogar nur bei 34 Prozent. Es zeigt sich ein stagnierender Trend.
Erwachsene vernachlässigen besonders häufig Impfungen gegen Krankheiten wie Influenza und Pneumokokken. Nur etwa 38 Prozent der Menschen ab 60 Jahren lassen sich gegen Grippe impfen, obwohl diese Altersgruppe besonders gefährdet ist. Die Pertussis-Impfung ist besonders relevant für Schwangere. Hier hat sich in der Saison 2023/2024 die Impfquote verbessert, doch die Grippeimpfquote bleibt mit 21 Prozent in dieser Gruppe weiterhin sehr niedrig.
Die Covid-19-Auffrischimpfung wird seit 2023/24 als Routineimpfung für Risikogruppen, darunter Personen ab 60 Jahren und Menschen mit Grunderkrankungen, angeboten. Dennoch lag die Impfquote in der Altersgruppe der über 60-Jährigen zuletzt bei nur 16 Prozent und damit deutlich niedriger als bei der Influenza-Impfung.
Daten zur Impfquote bei Personen mit Grunderkrankungen sind derzeit nicht verfügbar und sollen erst Ende 2025 ausgewertet werden. Niedrige Impfquoten können Konsequenzen haben. Viele Infektionen, darunter auch Influenza oder Masern, können schwer verlaufen und bei Kleinkindern, Senioren und Menschen mit Grunderkrankungen sogar deren Leben bedrohen.
Schwangere nutzen zu wenig die Möglichkeit, sich und ihr Kind vor Infektionen und Komplikationen durch Krankheiten wie Keuchhusten zu schützen. Andere impfpräventable Krankheiten wie Polio wurden dank der Durchimpfung der Bevölkerung zurückgedrängt und könnten nun erneut zum Problem werden. Experten fordern daher verstärkte Aufklärung und gezielte Impfkampagnen, um Skepsis abzubauen und eine Herdenimmunität sicherzustellen.
Das Apothekenteam kann ein Ansprechpartner sein, wenn Patienten Fragen zu Schutzimpfungen haben. Viele Menschen wissen nicht, ob ihr Impfstatus aktuell ist. Apothekenteams können Patienten ermutigen, ihren Impfausweis zu prüfen, oder vorschlagen, sich das Dokument gemeinsam anzuschauen. Ebenso können in der Apotheke die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) besprochen werden.
Ältere Menschen, Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen kann die PTA gezielt auf die Bedeutung von Impfungen hinweisen. Flyer, Poster und direkte Gespräche können hier helfen. Die Bevölkerung bringt pharmazeutischem Personal allgemein ein hohes Vertrauen entgegen. Die Mitarbeiter können daher dazu beitragen, Impfmythen zu bekämpfen und beruhigen, dass mögliche Nebenwirkungen fortlaufend erfasst und bewertet werden.
Sie sind im Vergleich zur Schwere der Krankheiten, die sie verhindern, in der Regel gering. Eigens geschulte Apotheker dürfen Impfungen gegen Influenza und Covid-19 auch selbst durchführen. Dieser niederschwellige Zugang zu der Schutzmaßnahme kann ebenfalls Impfquoten verbessern.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.