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Atropin

Augentropfen gegen Kurzsichtigkeit

15 Prozent aller Kinder werden laut der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im Laufe der Grundschulzeit kurzsichtig. Bis zum Alter von 25 sind es 45 Prozent. Internationale Studien deuten darauf hin, dass Atropin-Augentropfen diesen Prozess deutlich bremsen können.
Barbara Erbe
04.11.2019  15:00 Uhr

Kurzsichtigkeit (Myopie) entsteht durch ein übermäßiges Wachstum des Augapfels im Kindes- und Jugendalter. Sie gilt nicht als Krankheit, sondern als Fehlsichtigkeit. Aber sie ist neben dem Alter der Hauptrisikofaktor für ernste Augenerkrankungen wie Glaukom, Katarakt oder eine Netzhautablösung. »Daher ist es wünschenswert, das Voranschreiten der Kurzsichtigkeit in der Phase ihres Entstehens zu verlangsamen«, erklärte Professor Dr. Claus Cursiefen, Präsident der DOG, kürzlich anlässlich des DOG-Jahreskongresses.

Ob ein Kind kurzsichtig wird oder nicht, ist neben der erblichen Veranlagung auch abhängig vom Tageslicht und dem persönlichen Nahsicht-Verhalten. Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) betont in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der DOG zur Behandlung von Myopie im Kindes- und Jugendalter, dass Licht das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit verhindern kann - »vermutlich über einen Dopamin-vermittelten Mechanismus.«

Täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien bei Tageslicht halbierten das Risiko für Kurzsichtigkeit, erläuterte Professor Dr. Wolf Lagrèze von der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg in einer Pressemitteilung der DOG. »Längeres Lesen in einem Abstand von weniger als 30 Zentimetern sollte dagegen vermieden werden.« Darüber hinaus gebe es spezielle Kontaktlinsen, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent mindern könnten. Als am wirksamsten habe sich jedoch eine Therapie mit Atropin-Augentropfen erwiesen.

Neue Dosierung

Dass Atropin, eine Substanz aus der Tollkirsche, Kurzsichtigkeit aufhalten kann, ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. »Wegen ihrer Nebenwirkungen – Blendung und Nahsichtstörung – wurden Atropin-Tropfen zu diesem Zweck aber bislang kaum verordnet«, berichtet der Freiburger Augenarzt. Das ändere sich aber gerade. Denn Forscher aus Singapur haben eine Konzentration gefunden, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 50 Prozent mindert und gleichzeitig weitgehend nebenwirkungsfrei ist. »Für den sehr seltenen Fall, dass leichte Blendungsempfindlichkeit und Nahsichtstörung auftreten, bilden sich diese vollständig zurück, sobald man die Tropfen absetzt, sodass kein Schaden entsteht.« Die bei anderen Indikationen – etwa nach Augenoperationen oder bei Aderhautentzündung – üblichen Atropin-Konzentrationen von 0,5 bis 1 Prozent kommen bei der Behandlung von Kurzsichtigkeit wegen besagter Nebenwirkungen nicht infrage.

Die Studien aus Singapur zeigen, dass Augentropfen mit einer Atropin-Konzentration von 0,01 Prozent gut wirken und dabei verträglich sind. »Seit der Veröffentlichung dieser Daten hat sich die Anwendung niedrig dosierter Atropin-Augentropfen weltweit durchgesetzt und wird auch in Deutschland seit einigen Jahren in Kliniken und Augenarztpraxen eingesetzt«, berichtet Lagrèze – »allerdings nur im nicht erstattungsfähigen off-Label-Gebrauch.«

Positive Erfahrungen

Die Freiburger Klinik für Augenheilkunde, an der Lagrèze als leitender Arzt tätig ist, hat als erste deutsche Klinik einen Bericht über Erfahrungen mit der Gabe von Atropin-Tropfen gegen Kurzsichtigkeit veröffentlicht. Zwischen Juni 2014 und Dezember 2017 behandelte das Ärzteteam 56 Kinder zwischen 6 und 17 Jahren, deren Kurzsichtigkeit innerhalb eines Jahres um 0,5 Dioptrien oder mehr fortschritt, mit Atropin-Augentropfen. Der Unterschied im Fortschreiten der Kurzsichtigkeit vor Behandlungsbeginn und zwölf Monate danach sei hoch signifikant gewesen, berichtet Lagrèze. »Die durchschnittliche Dioptrie-Zunahme halbierte sich.« Dies deute darauf hin, dass die Ergebnisse verschiedener Vergleichsstudien aus dem asiatischen Raum im Großen und Ganzen auf Europa übertragbar sind. Das zeigen darüber hinaus auch zwei Studien mit niederländischen und spanischen Kindern und Jugendlichen.

Die Atropin-Therapie soll für Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren geeignet sein, bei denen die Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine halbe Dioptrie zunimmt. »Die Eltern geben abends vor dem Zubettgehen jeweils einen Tropfen in jedes Auge«, erklärt Lagrèze. Wenn die Kinder daraufhin unwillkürlich blinzeln, verteilt sich der Wirkstoff umso besser. Da es 0,01-prozentige Atropin-Augentropfen nicht als Fertigarzneimittel gibt, müssen sie steril entsprechend der augenärztlichen Verordnung hergestellt werden. »Wichtig ist eine Tropfen-Zubereitung ohne Konservierungsmittel, da sonst später Probleme mit trockenen Augen auftreten können«, betont Lagrèze.

Zudem muss der Augenarzt die Eltern darauf hinweisen, dass es sich bei der Behandlung um einen off-Label-Use handelt, also um einen Gebrauch, für den es bei Kurzsichtigkeit noch keine offizielle Zulassung gibt. »Nach zwei Jahren Therapiedauer entscheidet dann der Augenarzt, ob die Behandlung fortgesetzt werden sollte«, erläutert Lagrèze. Zur Wirkung einer längeren Anwendung und auch darüber, bis zu welchem Alter sie sinnvoll ist, werde noch geforscht. So seien zurzeit weitere randomisierte, kontrollierte Studien in Vorbereitung – auch eine Behandlungsstudie in Deutschland. Lagrèze ist zuversichtlich: »Ich persönlich rechne damit, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Pharmaunternehmen die Zulassung von Atropin-Tropfen zur Behandlung von Kurzsichtigkeit erhalten wird.«

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