Den quälenden Reiz stillen und den zähen Schleim lösen |
30.01.2007 09:39 Uhr |
Den quälenden Reiz stillen und den zähen Schleim lösen
von Andrea Gerdemann, München
In der kühlen Jahreszeit ist es wieder so weit: Viele Menschen sind erkältet und husten. Dann wenden sich die Kranken meist zuerst an PTA oder Apotheker und bitten um einen Rat oder eine Arzneimittel-Empfehlung. Der erste Schritt vor der Selbstbehandlung eines Hustens ist, die Symptomatik abzuklären.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem trockenen Reizhusten, der auch als unproduktiv bezeichnet wird, und dem produktiven Husten, bei dem der Körper versucht, durch kräftige Hustenstöße die verstopften Atemwege vom Schleim zu befreien. Da der Schleim oft hochviskos ist, gelingt das Abhusten häufig nicht. Beide Erscheinungsformen des Hustens müssen unterschiedlich behandelt werden. Bei trockenem Reizhusten kommen meist Hustenstiller (Antitussiva) und bei Husten mit Auswurf Hustenlöser (Expektoranzien) zum Einsatz.
Eine für die Apotheke typische Situation ist die folgende: Eine junge, etwa 35 Jahre alte Frau betritt die Apotheke und bittet um ein Mittel gegen ihren Husten. In einem ersten kurzen Gespräch stellen die PTA oder der Apotheker ihr einige gezielte Fragen, um genauere Informationen über die Art des Hustens zu erhalten. Die im Kasten aufgeführten Fragen helfen hierbei weiter.
aus: Braun/Schulz, Selbstbehandlung, 7. Erg.-Lfg. 2006
Die junge Frau antwortet, dass ein trockener Reizhusten sie quält, besonders in der Nacht. Darüber hinaus hat sie das Gefühl, dass sich der Schleim nicht so richtig löst, und zusätzlich hat sie Kopfschmerzen. Die Beschwerden bestehen seit zwei Tagen, beschränken sich auf den Hals-Nasen-Ohren-Bereich und ihre Temperatur ist normal. Sie berichtet, am Vortag habe sie wegen der Kopfschmerzen zwei Ibuprofen 200 Tabletten eingenommen, die ihr geholfen hätten.
Nach diesen wichtigen Informationen zum Krankheitsbild müssen PTA oder Apotheker in einem nächsten Schritt entscheiden, ob die Patientin ihren Husten selbst behandeln darf oder ob sie einen Arzt aufsuchen sollte. Daher versuchen sie im weiteren Gespräch herauszufinden, ob Gründe oder Risikofaktoren vorliegen, die eine Behandlung durch den Arzt unabdingbar machen. Der Kasten enthält Beispiele, bei denen der Verweis an den Arzt dringend erforderlich ist.
aus: Braun/Schulz, Selbstbehandlung, 7. Erg.-Lfg. 2006
Nachts anders therapieren
Im Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass die Patientin Nichtraucherin ist, keine Allergien hat, keine weiteren Medikamente einnimmt, nicht schwanger ist und nicht stillt. PTA oder Apotheker entscheiden daraufhin, dass sie ihren Husten selbst behandeln darf. Nun gilt es, ein oder mehrere geeignete Präparate für die Patientin auszuwählen.
Bei der Empfehlung von Hustenpräparaten müssen einige grundsätzliche Punkte bedacht werden: Husten ist in erster Linie ein natürlicher Schutzreflex, der nur bedingt gehemmt werden darf. Für Patienten mit Husten gilt ein striktes Rauchverbot. Präparate mit nur einem Inhaltsstoff sind in der Regel Kombinationspräparaten vorzuziehen. Die fixe Kombination eines Hustenlösers mit einem Hustenstiller erhöht die Gefahr eines Sekretstaus, weil der Hustenreflex gedämpft wird. Die Gefahr ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Bei Patienten mit einem produktiven Husten, der auch nachts so quält, dass sie keinen Schlaf finden, kann es sinnvoll sein, tagsüber ein Expektorans und am Abend ein Antitussivum zu verabreichen. Auch hier sollten PTA oder Apotheker besser Einzelpräparate empfehlen und keine fixen Kombinationen.
Ein weiterer Punkt, der bei der Abgabe von Hustenpräparaten beachtet werden sollte, ist der häufig hohe Zuckergehalt von Hustensäften und -bonbons. PTA oder Apotheker sollten beispielsweise Diabetikern »zuckerfreie« Produkte empfehlen. Ein Tipp für die Apothekenpraxis: Wer ein Hustenbonbon mit hohem Zuckergehalt versehentlich verschluckt, sollte viel Flüssigkeit nachtrinken. So lassen sich eventuelle, osmotisch bedingte Speiseröhrenschäden verhindern. Auch den Alkoholgehalt der Arzneizubereitungen müssen sie zum Beispiel bei der Abgabe für Kinder berücksichtigen.
Hustenzentrum blockieren
Bei den Hustenstillern (Antitussiva) sind vier Substanzen in der Selbstmedikation von Bedeutung: Clobutinol, Dextromethorphan, (Levo-)Dropropizin und Pentoxyverin. Mittel der 1. Wahl bei unproduktivem Husten sind Clobutinol und Dextromethorphan. Clobutinol unterbricht den Hustenreflex im Hustenzentrum des Stammhirns. Die Substanz ist nicht mit den Opioiden verwandt. Dextromethorphan dagegen ist in seiner Struktur dem Opioidderivat Codein ähnlich, besitzt aber keine analgetischen und narkotischen Eigenschaften. Auch Dextromethorphan wirkt zentral auf das Hustenzentrum, wo es die Hustenreizschwelle senkt. (Levo-) Dropropizin ist wie Clobutinol kein Opioidabkömmling. Bei diesem Arzneistoff ist der Wirkmechanismus noch unklar. Es wird vermutet, dass die Substanz peripher auf die Rezeptoren im Respirationstrakt wirkt. Das ebenfalls nicht opioide Pentoxyverin wirkt sowohl zentral als auch peripher. Es hemmt zum einen das Hustenzentrum im Stammhirn und blockiert zum anderen sensible Rezeptoren im Bronchialtrakt.
Alle aufgeführten Arzneistoffe beeinträchtigen die Reaktionsfähigkeit und können müde machen. Besonders bei der Ersteinnahme dieser Präparate sollten PTA oder Apotheker den Patienten bitten zu beobachten, ob die Präparate seine Konzentrationsfähigkeit senken. Auf Alkohol sollte er grundsätzlich verzichten, denn dieser verstärkt die potentiellen Nebenwirkungen. In seltenen Fällen führt die Einnahme von Antitussiva zu gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit oder Erbrechen. Für Dextromethorphan gehören Asthma und COPD zu den Kontraindikationen.
Hustenstiller sollten die Patienten normalerweise zur Nacht einnehmen, das heißt etwa 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen, bei trockenem Reizhusten bis zu drei- bis viermal täglich.
Tees richtig zubereiten
Auch einige Arzneipflanzen hemmen den Hustenreiz und eignen sich für die Selbstmedikation. Bei den pflanzlichen Antitussiva sind insbesondere Eibischwurzel, Sonnentaukraut, Thymiankraut und Spitzwegerichkraut zu nennen. Einen Tee aus Sonnentaukraut bereitet der Patient aus circa 1 g fein geschnittener Droge. Diese Dosis wird mit kochendem Wasser übergossen und nach 10 Minuten abgeseiht. Drei- bis viermal täglich kann der Patient eine Tasse dieses Tees trinken. Bei Eibischwurzel gelten 6 g als mittlere Tagesdosis für Aufgüsse. Die Droge wurde sowohl von der Kommission E als auch von der ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) positiv monographiert.
Die Kommission E nannte als Anwendungsgebiet Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und damit verbundenen trockenen Reizhusten. Spitzwegerichkraut eignet sich laut Kommission E bei akuten Katarrhen der Luftwege (innerlich) und entzündlichen Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut (äußerlich). Die mittlere Tagesdosis für Spitzwegerichkraut beträgt 3 bis 6 g Droge. Patienten, denen die Teezubereitung zu aufwändig ist, können stattdessen ein Fertigarzneimittel einnehmen, zum Beispiel mit Spitzwegerichkraut oder auch die Kombination aus Sonnentaukraut mit Thymiankraut. Für diese Kombination existiert ebenfalls eine positive Aufbereitungsmonographie.
Abhusten erleichtern
Hustenlöser (Expektoranzien) haben verschiedene Wirkmechanismen: Sie stimulieren die Sekretion von dünnflüssigem Schleim, verflüssigen festen Schleim oder beschleunigen dessen Abtransport durch das Flimmerepithel. Damit erleichtern sie das Abhusten des Schleims und unterstützen die physiologischen Selbstreinigungsmechanismen der Atemwege. Für die Selbstmedikation eignen sich Ambroxol, Acetylcystein (ACC), Bromhexin und Guaifenesin.
Bromhexin und Ambroxol sind chemisch eng verwandt: Ambroxol ist einer von 15 wirksamen Metaboliten des Bromhexins. Beide Arzneistoffe wirken nach allen drei oben beschriebenen Mechanismen. Ambroxol stimuliert darüber hinaus noch die Bildung von oberflächenaktivem Surfactant, einem Teil des Selbstreinigungssystems der Lunge. Darüber hinaus verfügt Ambroxol über einen lokalanästhetischen Effekt, der bei Lutschtabletten genutzt wird. ACC senkt die Viskosität des Bronchialschleims, so dass der Patient diesen besser abhusten kann. Guaifenesin kommt vergleichsweise geringere Bedeutung zu. Die Substanz reduziert zum einen die Viskosität des Bronchialschleims und stimuliert zum anderen die Bildung von dünnflüssigem Sekret.
Compliance erhöhen
Manche Hersteller weisen in den Fachinformationen und Packungsbeilagen von ACC-haltigen Präparaten auf Interaktionen mit einigen Antibiotika hin. Sie empfehlen deshalb, die beiden Arzneimittel im zweistündigen Zeitabstand einzunehmen. Diese Wechselwirkung wurde allerdings nur in vitro beobachtet. Da sie somit keine klinische Relevanz hat, wurde sie auch nicht in die ABDA-Datenbank aufgenommen. Ein Tipp für die Praxis: PTA oder Apotheker sollten Patienten, die ACC einnehmen und gleichzeitig ein Antibiotikum verordnet bekommen, auf den Inhalt der Packungsbeilage und deren Relevanz hinweisen. So verhindern sie, dass der Patient durch die dort beschriebene Wechselwirkung beim Lesen zu Hause verunsichert wird.
Bromhexin und Ambroxol dagegen verbessern bei gleichzeitiger Einnahme den Übertritt des Antibiotikums in das Lungengewebe. Guaifenesin kann die Wirkung sedierender und muskelrelaxierender Arzneistoffe verstärken. Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden oder allergische Reaktionen sind bei allen vier Hustenlösern selten.
Droge, Öl oder Fertigarznei anwenden
Auch zahlreiche Arzneidrogen helfen bei Husten. Dazu zählen Anisfrüchte, Efeublätter, Eukalyptusblätter, Fenchelfrüchte, Primelwurzel, Senegawurzel, Sternanisfrüchte, Thymiankraut und Wollblumen. Bei den Arzneipflanzen, deren Wirkung auf ihrem Gehalt an ätherischem Öl beruht, kommt auch das isolierte Öl zum Einsatz, beispielsweise das Eukalyptusöl.
Die Art der Teezubereitung und die Dosierungsempfehlungen unterscheiden sich je nach Droge. Dabei spielt eine Rolle, ob es sich um eine Wurzeldroge, um Blätter, Blüten oder Früchte handelt. Thymiankraut wurde von der Kommission E und der ESCOP positiv monographiert. Als Anwendungsgebiete nennt die Kommission E Symptome der Bronchitis und des Keuchhustens sowie Katarrhe der oberen Luftwege. Bei Thymiankraut bereitet man mehrmals täglich aus 1 bis 2 g geschnittener Droge eine Tasse als Aufguss. Als mittlere Tagesdosis für einen Teeaufguss aus Efeublättern sollen die Patienten 0,3 g Droge verwenden, bei Eukalyptusblättern 4 bis 6 g Droge und bei der Primelwurzel 0,5 bis 1,5 g zerkleinerte Droge. Die tägliche Menge von Eukalyptusöl zur inneren Anwendung sollte 0,3 bis 0,6 g nicht überschreiten. Da etliche Fertigarzneimittel Extrakte aus den Arzneipflanzen in verschiedenen Darreichungsformen wie Tropfen, Lösungen, Tabletten, Säfte oder auch Zäpfchen enthalten, ist die Teezubereitung eher selten.
Gegen ihren quälenden nächtlichen Reizhusten empfiehlt die PTA der 35-jährigen Patientin aus dem Fallbeispiel einen Hustenstiller mit dem Wirkstoff Clobutinol. Auf Nachfrage erfährt sie, dass die Frau lieber Tabletten statt eines Saftes oder Tropfen einnehmen möchte. Der Hinweis, dass das Arzneimittel müde machen könnte, stört sie nicht weiter, da sie es 30 Minuten vor dem Schlafengehen einnehmen will. Die PTA empfiehlt ihr, mit der geringsten Dosierung zu starten, das heißt mit einem Dragee à 40 mg; falls die Wirkung nicht ausreicht, kann sie auf zwei Dragees erhöhen.
Da die Patientin berufstätig und somit den ganzen Tag außer Haus ist, empfiehlt ihr die PTA außerdem Retardkapseln mit Ambroxol als schleimlösendes Präparat für den Tag. Die Kapseln muss die Patientin nur einmal täglich, am besten nach dem Frühstück mit reichlich Flüssigkeit einnehmen, was die Compliance sichert. Gegen das Kratzen im Hals soll sie über den Tag verteilt regelmäßig Hustenbonbons lutschen. Die Bonbons halten den Rachen feucht und wirken so auch dem Reizhusten entgegen.
Außerdem soll die Patientin mehr als zwei Liter pro Tag trinken, und auf eine hohe Raumluftfeuchtigkeit achten, die über 50 Prozent liegen sollte. Im Winter ist es oft sinnvoll in den von Heizungsluft trockenen Räumen Schalen mit Wasser aufzustellen. Auch die Inhalation von heißem Wasserdampf oder ein Kamillendampfbad können den schleimlösenden Prozess verstärken.
Rundum gut versorgt
Die Patientin verlässt die Apotheke mit einem Hustenstiller für die Nacht, einem Hustenlöser für den Tag, einer Packung Hustenbonbons, einigen nicht medikamentösen Tipps zur Unterstützung der Behandlung sowie dem abschließenden Hinweis: Wenn sich ihre Symptome innerhalb von drei Tagen nicht bessern, einen Arzt aufzusuchen.
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