Neue Arzneistoffe im Januar 2010 |
25.01.2010 11:09 Uhr |
Neue Arzneistoffe im Januar 2010
von Sven Siebenand
Anfang des Jahres kamen drei neue Arzneimittel auf den deutschen Markt: Das Antiarrhythmikum Dronedaron ist für Erwachsene mit Vorhofflimmern zugelassen, ein neuer Pneumokokken-Impfstoff ist ausschließlich für Säuglinge und Kleinkinder vorgesehen, und das neue Laxans Prucaloprid darf nur Frauen verordnet werden.
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Es tritt auf, wenn sich die Vorhöfe des Herzens unregelmäßig und schnell zusammenziehen. Schätzungen zufolge sind etwa eine Million Menschen in Deutschland davon betroffen. Die komplexe Krankheit erhöht die Risiken für einen Schlaganfall oder andere kardiovaskuläre Ereignisse und verdoppelt die Sterblichkeitsrate.
Neues Antiarrhythmikum
Anfang des Jahres wurde das Antiarrhythmikum Dronedaron (Multaq® 400 mg Filmtabletten, Sanofi-Aventis) zugelassen für erwachsene Patienten, die in der Vergangenheit an Vorhofflimmern litten oder aktuell noch leiden, auch wenn es nur phasenweise auftritt. Der Wirkstoff verhindert nicht nur das Flimmern, sondern senkt gleichzeitig die Herzfrequenz.
Die Grundstruktur des Dronedaron ähnelt dem bekannten Antiarrhythmikum Amiodaron. Der neue Arzneistoff ist ein sogenannter Mehrkanalblocker: Er hemmt Calcium-, Kalium- und Natriumkanäle. Können zum Beispiel Kaliumionen nicht mehr durch die entsprechenden Kanäle in die Muskelzelle hinein- beziehungsweise hinausströmen, wird letztlich das Auftreten des Flimmerns verhindert und die Herzfrequenz sinkt.
Die Patienten müssen zweimal täglich eine 400-mg-Tablette Dronedaron einnehmen, eine mit dem Frühstück, die andere mit dem Abendessen. PTA und Apotheker können darauf hinweisen, dass sie die Tabletten nicht mit Grapefruitsaft schlucken. Denn dieser hemmt das Enzym CYP3A4, durch welches Dronedaron hauptsächlich metabolisiert wird. Aus dem gleichen Grund ist auch die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Hemmern wie Ketoconazol nicht erlaubt. Ebenfalls kontraindiziert sind Arzneimittel, die Torsade de pointes (eine Art von Herzrasen) verursachen, wie unter anderem bestimmte orale Makrolid-Antibiotika. In der Fachinformation warnt der Hersteller vor weiteren möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. So rät er von der gleichzeitigen Anwendung mit Rifampicin und anderen potenten CYP3A4-Induktoren wie beispielsweise Johanniskraut ab, weil sie die Wirksamkeit von Dronedaron beeinträchtigen könnten.
Andersherum erhöht Dronedaron möglicherweise den Plasmaspiegel des Lipidsenkers Simvastatin deutlich. Auch Betablocker und Digoxin sollten nur mit Vorsicht mit dem neuen Arzneistoff kombiniert werden. Die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind so umfangreich, dass PTA oder Apotheker mit einem Interaktionscheck überprüfen sollten, ob der Patient das neue Antiarrhythmikum problemlos mit seinen anderen Medikamenten kombinieren kann.
Patienten mit schweren Leber- oder Nierenerkrankungen dürfen Dronedaron nicht erhalten. Zudem ist dieser Wirkstoff für Patienten mit Herzinsuffizienz in Ruhe oder bei minimaler Belastung tabu.
Als Nebenwirkungen traten bei einer Dosierung von zweimal täglich 400 mg Dronedaron am häufigsten Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen, Müdigkeit und Schwäche auf. Bei mehr als 10 Prozent der Patienten, also sehr häufig, erhöht der neue Arzneistoff den Kreatinin-Blutspiegel und verlängert das »QTc-Bazett«-Intervall, das heißt, verändert die elektrische Aktivität des Herzens.
Neuer Pneumokokken-Impfstoff
Seit 2006 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, alle Kinder bis zum Alter von 24 Monaten gegen Pneumokokken zu impfen. Der neue Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Prevenar13® von Wyeth Pharma schützt Säuglinge und Kleinkinder jetzt gegen sechs zusätzliche Serotypen von Streptococcus pneumoniae. Neben den mit dem Vorgänger-Impfstoff Prevenar® abgedeckten Serotypen 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F und 23F enthält die neue Vakzine zusätzlich die Serotypen 1, 3, 5, 6A, 7F und 19A. Damit schützt der Impfstoff vor insgesamt 13 Serotypen. Drei dieser Serotypen 3, 6A und 19A fehlen dagegen im 10-valenten Konkurrenzpräparat Synflorix® von GSK, das seit Mai 2009 auf dem deutschen Markt ist.
Prevenar13 ist ab Januar in Deutschland verfügbar. Die Zulassung gilt für Säuglinge und Kinder im Alter von sechs Wochen bis fünf Jahren. Der Arzt injiziert den Impfstoff in den Muskel. Der Impfstoff soll die Kinder dann vor den invasiven Erkrankungen aktiv immunisieren, die durch Streptokokken verursacht werden, unter anderem vor Lungenentzündung und akuter Mittelohrentzündung.
Für die Grundimmunisierung eines Säuglings sind drei Dosen von je 0,5 ml erforderlich. Die erste Dosis wird normalerweise im Alter von zwei Monaten verabreicht, und der Abstand zur zweiten und dritten Impfung beträgt jeweils mindestens einen Monat. Eine vierte Booster-Impfung wird im Alter von 11 bis 15 Monaten empfohlen. Die erste Dosis kann der Kinderarzt aber auch bereits im Alter von sechs Wochen verabreichen. Für nicht geimpfte ältere Säuglinge und Kinder gelten andere Empfehlungen: Bei den 7 bis 11 Monate alten Säuglingen besteht das Impfschema aus zwei Dosen (je 0,5 ml) im Abstand von mindestens einem Monat. Eine dritte Dosis soll im zweiten Lebensjahr folgen. 12 bis 23 Monate alte Kleinkinder sollen zwei Impfdosen (je 0,5 ml) im Abstand von mindestens zwei Monaten erhalten, 2- bis 5-Jährige nur noch eine Einzeldosis von 0,5 ml. Wichtig: Säuglinge und Kinder, bei denen die Immunisierung mit Prevenar begonnen wurde, können zu jedem beliebigen Impftermin auf Prevenar13 umgestellt werden. Zudem kann der Arzt den Impfstoff gleichzeitig mit den in Europa verfügbaren Standard-Impfstoffen spritzen.
Als häufigste Nebenwirkungen traten Reaktionen an der Injektionsstelle, Reizbarkeit, verminderter Appetit, vermehrter und/oder verminderter Schlaf sowie Fieber auf. Laut Fachinformation sollten Kinder mit Anfallsleiden oder Fieberkrämpfen in der Vorgeschichte Antipyretika bekommen. Auch alle Kinder, denen Prevenar13 gleichzeitig mit Ganzkeim-Pertussis enthaltenden Impfstoffen verabreicht wird, sollten ein fiebersenkendes Mittel erhalten.
Neues Laxans für Frauen
Mit Prucaloprid (Resolor® Filmtabletten, Movetis NV) ist Mitte Januar ein neues, verschreibungspflichtiges Laxans auf den deutschen Markt gekommen. Der Wirkstoff erhielt die Zulassung zur Behandlung von Frauen mit chronischer Verstopfung, denen andere Laxanzien nicht ausreichend helfen. Die Standarddosis beträgt 2 mg einmal täglich. Über 65-Jährige nehmen in der Regel zunächst 1 mg pro Tag, bei Bedarf sind aber auch 2 mg möglich. Patientinnen mit stark beeinträchtigter Nieren- oder Leberfunktion dürfen täglich maximal 1 mg des Wirkstoffs einnehmen. Den Einnahmezeitpunkt können die Frauen frei wählen.
Prucaloprid ist ein 5-HT4-Rezeptoragonist. Dies bedeutet, dass er wie Serotonin (5-HT) an denselben Rezeptoren im Darm wirkt. Bindet Serotonin an diese Rezeptoren, stimuliert es die Darmbewegungen. Auf dieselbe Weise wirkt auch Prucaloprid und ermöglicht so eine schnellere Darmentleerung.
Laut Laboruntersuchungen ist das Risiko der Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bei Prucaloprid gering. Die häufigsten Nebenwirkungen des neuen Wirkstoffes sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen. Prucaloprid darf nicht bei dialysepflichtigen Patientinnen zum Einsatz kommen. Zudem dürfen Frauen mit Darmperforation oder -obstruktion sowie schweren entzündlichen Erkrankungen des Darmtraktes, zum Beispiel Morbus Crohn, den neuen Arzneistoff nicht anwenden. Auch Schwangeren und Stillenden wird von Prucaloprid abgeraten. Wenn die einmal tägliche Einnahme des Laxans nach vier Wochen noch keine Wirkung zeigt, sollte der Arzt die Patientin erneut untersuchen und überdenken, ob er die Behandlung mit Prucaloprid fortsetzt. Warum ist das Medikament nur für Frauen zugelassen? Nahezu alle Teilnehmer an der Hauptstudie waren Frauen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Zulassungsbehörde EMA weist deshalb darauf hin, dass weitere Daten erforderlich sind, um die Wirkungsweise des Arzneimittels bei Männern zu klären.
E-Mail-Adresse des Verfassers:
siebenand(at)govi.de