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Weihrauchforschung

Neue Erkenntnisse

26.01.2010  09:38 Uhr

Weihrauchforschung

Neue Erkenntnisse

von Oliver Werz

Bereits vor mehr als 3000 Jahren nutzten die Inder Weihrauchharze in der ayurvedischen Heilkunde. Heutzutage werden vor allem ethanolische Extrakte des Harzes in der Volksheilkunde eingesetzt, um entzündliche Erkrankungen zu lindern, zum Beispiel Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Asthma, Psoriasis und auch einige Krebserkrankungen.

Um die Wirksamkeit zu untersuchen, wurde bereits ein gutes Dutzend klinischer Studien durchgeführt. Doch obwohl Weihrauchextrakte dabei signifikant wirkten, reichen die Studienergebnisse für eine Zulassung des Weihrauchs als Arzneimittel in Deutschland derzeit nicht aus: In den Studien waren entweder die Patientenzahlen zu gering oder es fehlten Kontrollen, unter anderem gegen Placebos oder Referenzarzneimittel. Daher bleibt Patienten lediglich die Möglichkeit, Weihrauch-Präparate auf ärztliche Verschreibung über eine Apotheke aus dem Ausland zu importieren, zum Beispiel Sallaki® Gufic aus Indien.

Weihrauchbäume gehören zur Familie der Burseraceen und werden in mehr als zehn verschiedene Arten unterteilt. Die wohl bekannteste Art dürfte Boswellia serrata sein, die in Nord- und Zentralindien beheimatet ist. Besonders im Nordosten Afrikas, im Oman, Jemen, Nigeria, Äthiopien, Somalia, findet man eine große Vielfalt an Weihrauch-Baumarten wie Boswellia carterii (synonym Boswellia sacra), Boswellia papyrifera, Boswellia socotrana, und Boswellia frereana. Während der indische Weihrauchextrakt unter dem Namen »Boswellia« bekannt ist, wird der aus Afrika kommende Weihrauch häufig als »Olibanum« bezeichnet.

Wirkstoffe bekannt

Die Harze bestimmter Weihrauchbäume, zum Beispiel von B. serrata, B. payrifera und B. carterii, weisen relativ hohe Gehalte an Boswelliasäuren auf, teils sogar über 30 Prozent. Die Boswelliasäuren sind pentazyklische Triterpensäuren und wurden bislang ausschließlich in Weihrauchharzen nachgewiesen. Daneben enthält das Harz  weitere Triterpensäuren, ätherische Öle und Schleimstoffe.

Anhand ihrer Struktur – der räumlichen Anordnung der Methylseitengruppen – unterteilt man Boswelliasäuren in alfa- beziehungsweise beta-Boswelliasäuren. Zum anderem unterscheidet man neben der klassischen Boswelliasäure (Boswellic Acid = BA), aufgrund von Acetyl- oder Ketogruppen die Acetyl-Boswelliasäure (Acetyl Boswellic Acid = ABA), die Acetyl-Keto-Boswelliasäure (Acetyl Keto Boswellic Acid = AKBA) und die Keto-Boswelliasäure (Keto Boswellic Acid = KBA). Der prozentuale Anteil dieser einzelnen Derivate im Harz selbst und in den daraus gewonnenen Extrakten ist unterschiedlich. Üblicherweise überwiegen die Boswelliasäuren ohne Ketogruppe.

Weitaus interessanter als der Anteil der einzelnen Boswelliasäuren in den Extrakten sind die Plasmaspiegel im Körper, die nach Einnahme von Weihrauchextrakten erzielt werden können. Dabei liegen die Konzentrationen der Boswelliasäuren ohne Ketogruppe wesentlich höher als die der Keto-Boswelliasäuren, da letztere eine sehr schlechte Bioverfügbarkeit aufweisen. Aufgrund ihres lipophilen Charakters beeinflusst die begleitende Nahrung stark die Bioverfügbarkeit der Boswelliasäuren. Wie nicht anders zu erwarten, fördert fettreiche Nahrung deren Resorption. 

Erste Erklärungen verworfen

Das größte Augenmerk der Weihrauchforscher richtet sich nach wie vor auf die molekularen und biochemischen Wirkungsmechanismen, die der therapeutischen Wirkung von Weihrauchextrakten zugrunde liegen. Zahlreiche Tierexperimente mit Weihrauchextrakten und Boswelliasäure-Gemischen belegen die entzündungshemmende Aktivität. Anzumerken ist jedoch, dass hierbei häufig sehr hohe Dosen eingesetzt wurden, so dass sich die positiven Effekte nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen.

Bei In-vitro-Untersuchungen an isolierten Zellen konnten Forscher nachweisen, dass die AKBA und KBA die Leukotrienbiosynthese unterdrückten. Dies führten die Wissenschaftler auf die Hemmung des Schlüsselenzyms 5-Lipoxygenase zurück. Für diesen Effekt waren jedoch auch relativ hohe Konzentrationen nötig, die teilweise mehr als 100-fach höher lagen als die erzielbaren Plasmakonzentrationen im menschlichen Körper. Zudem konnten dann im Vollblut Boswelliasäuren weder die Leukotrienbiosynthese hemmen noch Weihrauchextrakte die Leukotrien-B4-Spiegel bei gesunden Probanden senken. Als Konsequenz daraus muss der therapeutische Einsatz von Weihrauch bei Leukotrien-assoziierten Erkrankungen überdacht werden.

Wirkprinzip untersucht

Die weiteren Forschungsarbeiten konzentrierten sich daher folgerichtig auf die Boswelliasäuren ohne Ketogruppe. Mit dem so genannten Target-fishing, einem neuartigen Verfahren, wurden Boswelliasäuren an unlösliche Sepharosekügelchen gebunden. Mit dieser Methode konnten diejenigen Enzyme identifiziert werden, mit denen Boswelliasäuren interagieren. In den Versuchen hefteten sie sich schließlich an Cathepsin G. Dieses Enzym kommt in neutrophilen Granulozyten vor. Es baut Strukturproteine wie Elastin, Kollagen, Fibronektin und Proteoglykane ab und ermöglicht somit den Immunzellen, zum Beispiel aktivierten Phagozyten, ins umliegende Gewebe einzuwandern und einzudringen (Migration und Infiltration). In der Folge entzündet sich das Gewebe. 

In zellfreien Systemen hemmten dann tatsächlich alle Boswelliasäuren potent die Aktivität dieses Enzyms Cathepsin G und verhinderten die Invasion von entzündungsfördernden Zellen.

Eine multizentrische, Placebo-kontrollierte, randomisierte, doppelt verblindete klinischen Studie ergab, dass Weihrauchextrakte bei Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu mit Placebo behandelten Patienten die Aktivität von Cathepsin G im Plasma signifikant reduzierten. Aufgrund dieser Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass die Hemmung des Cathepsin G durch Boswelliasäuren zur Wirkung der Weihrauchextrakte bei entzündlichen Erkrankungen beiträgt.

Weitere Enzyme gehemmt

Mithilfe des Target-fishings wurden weitere Enzyme aus verschiedenen entzündungsrelevanten Zelltypen identifiziert, die mit Boswelliasäuren interagieren. In wie weit diese Erkenntnisse pharmakologisch relevant sind, wird derzeit geprüft. Erste Daten weisen jedoch darauf hin, dass die einzigartige Wirksamkeit der Weihrauchextrakte in lebenden Organismen neben dem Angriff an Cathepsin G auf der Hemmung dieser Enzyme beruht. Dadurch lassen sich nun die in der Volksheilkunde schon seit langem genutzten therapeutischen Einsatzgebiete wissenschaftlich erklären. Aber es lassen sich daraus vor allem auch neue Indikationen ableiten. Dazu zählen vorwiegend akute entzündliche Prozesse, aber auch entzündliche Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Psoriasis. Kürzlich konnte die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Thomas Simmet, Universitätsklinikum Ulm, anschaulich zeigen, dass Boswelliasäuren bei Mäusen antipsoriatisch wirkten.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass zahlreiche Untersuchungen an Tieren und Menschen nicht nur die ungewöhnlich lange Anwendung des Weihrauchs in der Volkmedizin wissenschaftlich untermauern, sondern inzwischen die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltstoffe und deren Angriffspunkte ebenso wie die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik dieser Wirkstoffe relativ gut bekannt sind. Ein derartig umfangreicher und detaillierter wissenschaftlicher Kenntnisstand ist bei pflanzlichen Extrakten, insbesondere zur Anwendung bei entzündlichen und schmerzhaften Zuständen, eher selten und unterstreicht das therapeutische Potenzial des Weihrauchs als Arzneimittel./

E-Mail-Adresse des Verfassers:
oliver.werz(at)uni-tuebingen.de

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