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Raucherentwöhnung

Zwischen Sucht und Verstand

26.01.2010  09:32 Uhr

Raucherentwöhnung

Zwischen Sucht und Verstand

von Gerd Leidig

Erfahrungsgemäß reagieren Raucher unterschiedlich, wenn PTA oder Apotheker sie fragen, ob sie das Rauchen aufgeben wollen. Antwortet der Raucher mit einem Satz, in dem die Worte »eigentlich« oder »aber« vorkommen, wird es interessant. Diese beiden Wörter sind klassische Hinweise auf ein Phänomen, das Psychologen als Ambivalenz bezeichnen.

In der Phase der Ambivalenz denken Raucher gelegentlich darüber nach, ob der Aufdruck auf der Zigarettenpackung »Rauchen kann tödlich sein« auch etwas mit ihnen zu tun haben könnte. Sie werden plötzlich hellhörig, wenn ein Bekannter an Lungenkrebs erkrankt. Es verunsichert sie, wenn ihre Lunge schmerzt, beim Atmen pfeift oder rasselt. Sie reagieren entsetzt, wenn ihnen trotz Kurzsprint der Bus oder die Bahn vor der Nase davon fährt. Jeder Raucher braucht erfahrungsgemäß eine gewisse, meist individuell unterschiedliche Anzahl solcher Erlebnisse.

Das kleine Wörtchen aber

Der innere Dialog lautet typischerweise: »Na ja, ich weiß ja, eigentlich sollte ich mit dem Rauchen aufhören, zumindest sollte ich die tägliche Zigarettenzahl verringern, aber ...« Viele werden aus ihrer Schulzeit noch die Formulierung kennen: »Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust...« Diese Aussage ist für Raucher in der ambivalenten Phase charakteristisch. Auf der einen Seite wollen sie nicht mehr rauchen, auf der anderen Seite nennen sie »gute« Gründe, weshalb sie es doch noch weiter tun. Diese Raucher wissen, dass jede weitere Zigarette ihrer Gesundheit schadet, aber sie behaupten, sie könnten sich im Augenblick einfach nicht mit diesem Thema beschäftigen. Oder aber sie sehen aktuell keinen gangbaren Weg, auf dem sie zum Nichtraucher werden könnten.

Typischerweise bestehen ihre Aussagen aus mehreren Teilen. Im Hauptsatz gestehen die Raucher sich selbst und ihren Zuhörern die rationale Begründung für das Nichtrauchen ein. Im angehängten Nebensatz, der meist mit dem Ambivalenzmarker »aber« beginnt, argumentieren sie pseudorational oder emotional, warum sie auf das Rauchen noch nicht verzichten können.

PTA oder Apotheker können auf ambivalente Aussagen des Rauchers unterschiedlich reagieren: Beziehen sie sich auf den Hauptsatz, loben sie den Kunden für seine rationale Einsicht und bestärken ihn darin. Beziehen sie sich auf den Nebensatz nach dem »aber«, werten sie seine psychologischen Argumente ab.

Paradoxe Kommunikation

Es entspricht zwar dem Selbstverständnis der Heilberufler, dass PTA oder Apotheker Kunden auf ihrem Weg zu einer gesunderen Lebensführung unterstützen wollen. Dennoch reagieren viele auf ambivalente Raucher falsch. Mit einem Verhalten, das dem Helfersyndrom entspricht, erzeugen sie den größten Widerstand. Denn sobald sie den Anwalt für eine Verhaltensänderung spielen, wird der Raucher seine alten Gewohnheiten verteidigen. Typische Reaktionen des Rauchers sind: »Sie haben zwar recht, aber bei mir ist das nicht so einfach« oder »Natürlich sehe ich Ihre Argumente ein, aber was glauben Sie, was ich schon alles probiert habe.«

Stattdessen sollten PTA oder Apotheker besser für eine kurze Zeit die oft verborgene, positive Absicht würdigen. Dies ist scheinbar paradox, aber der Königsweg einer motivierenden Gesprächsführung. So helfen sie, dass die Raucher selbstmotiviert ihren persönlichen Weg aus der Nicotinsucht finden. Kommunikationsexperten schlagen beispielsweise folgende Formulierungen vor: »Na ja, Sie müssen natürlich gut überlegen, ob im Augenblick überhaupt der richtige Zeitpunkt ist, um mit dem Rauchen aufzuhören«, »Sie rauchen bereits schon 20 Jahre. Dann haben Sie sich natürlich schon mächtig daran gewöhnt. Das ist schon eine große Herausforderung, wenn Sie daran etwas ändern wollen« oder »Welche Alternativen hätten Sie denn überhaupt zum Rauchen? Einfach die Zigarette wegzulassen, ist gar nicht so leicht!«

Ambivalenz sichtbar machen

Wer also im Gespräch sehr sensibel auf die Bremse tritt, statt vorschnell auf Veränderung zu drängen, irritiert damit zunächst sein Gegenüber. Die meisten Raucher erwarten eine andere Reaktion. Im weiteren Gesprächsverlauf geht es darum, dass PTA oder Apotheker sich nach Vorsätzen und Werten erkundigen, die dem Raucher sehr wichtig sind. Wenn er diese benannt hat, ist das nächste Kommunikationsziel, ihm den Widerspruch deutlich zu machen, in dem er sich selbst befindet. Ein Beispiel: Der Kunde gibt an, er möchte mit seiner Frau im Ruhestand noch einige unbeschwerte Jahre verleben. Seine Ehefrau möchte dann regelmäßig mit ihm joggen gehen. Jetzt wäre Zeit für den Hinweis, dass seine durchs Rauchen eingeschränkte Fitness ihn daran hindern könnte. Je intensiver der Kunde den Widerspruch zwischen den Nachteilen des Rauchens und seinen Lebenszielen empfindet, desto größer wird seine Motivation, das Rauchverhalten zu verändern oder sogar ganz aufzuhören.

Erkundigt sich der Raucher im Verlauf des Gesprächs nach Möglichkeiten zur Raucherentwöhnung, ist der Moment gekommen, wo PTA oder Apotheker nicht weiter auf die Bremse treten dürfen, sondern ihn fachkundig beraten können.

E-Mail-Adresse des Verfassers
gerd.leidig(at)online.de 

Wie war das noch?

Der Beitrag ist der dritte Teil einer Serie zur Raucherentwöhnung. Die ersten zwei Artikel wurden in den Ausgaben 11 und 12/2009 veröffentlicht:

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