PTA-Forum online Avoxa
instagram facebook
Interaktionen

Tetracycline und Metallionen

Datum 27.02.2008  10:27 Uhr

Interaktionen

Tetracycline und Metallionen 

Andrea Gerdemann, München, und Nina Griese, Berlin

Tetracycline hemmen die Proteinbiosynthese von Bakterien und werden je nach Wirkstoff bei verschiedenen Infektionserkrankungen eingesetzt. Polyvalente Kationen verringern jedoch die  Wirksamkeit dieser Arzneisubstanzen. Da auch Nahrungsmittel zwei- und dreiwertige Metallionen enthalten, kommt PTA oder Apotheker die Aufgabe zu, bei der Abgabe eines Tetracyclins den Patienten auf diese Wechselwirkung hinzuweisen.

 

Tetracycline haben ein relativ breites Anwendungsspektrum. Sie wirken bakteriostatisch auf grampositive und gramnegative Bakterien und werden beispielsweise gegen Atemwegserkrankungen oder Infektionen des Urogenital- beziehungsweise Magen-Darm-Traktes eingesetzt. Von den vier Tetracyclinen, die in Deutschland auf dem Markt sind, wird Doxycyclin am häufigsten verordnet. Das Wirkspektrum von Minocyclin und Doxycyclin ist identisch; allerdings sehen viele Ärzte in der Lipophilie von Minocyclin einen Vorteil bei der Aknebehandlung. Tetracyclin und Oxytetracyclin werden kaum noch verordnet. Oxytetracyclin ist zur oralen Einnahme nur noch in Kombination mit Myrtol im Handel.

 

Mit Tetracyclinen interagieren unter anderem die Metallionen Calcium, Magnesium, Eisen, Aluminium, Bismut und Zink. Diese polyvalenten Kationen werden bei verschiedenen Indikationen eingesetzt. Calciumhaltige Brausetabletten kaufen Patienten häufig im Rahmen der Selbstmedikation, Ärzte verordnen Calciumsalze vor allem zur Osteoporoseprophylaxe. Magnesiumpräparate sind bei Magnesiummangelzuständen indiziert. Viele Patienten nehmen Brausetabletten mit Magnesium in der Selbstmedikation gegen nächtliche Wadenkrämpfe ein. Die Indikation für Eisenpräparate sind ebenfalls Mangelzustände, zum Beispiel im Verlauf oder gegen Ende der Schwangerschaft. Antazida mit polyvalenten Kationen, zum Beispiel Aluminiumhydroxid, spielen sowohl bei Verordnungen als auch in der Selbstmedikation eine Rolle. 

 

Therapieversagen möglich

Alle Tetracycline bilden mit zwei- und dreiwertigen Metallionen stabile Chelatkomplexe, die nur gering löslich sind und daher wesentlich schlechter im Darmtrakt resorbiert werden. Als Folge sinkt der Tetracyclinplasmaspiegel, und die antibakterielle Wirkung wird erheblich beeinträchtigt. Dies kann sogar zu einem Therapieversagen führen. 

 

Da Calciumionen auch in Nahrungsmitteln enthalten sind, muss der Patient wissen, dass er die Tabletten nicht zusammen mit Milchprodukten oder Mineralwasser einnehmen darf.

 

Die Interaktion zwischen Tetracyclinen und zwei- und dreiwertigen Metallionen ist gut untersucht und dokumentiert. Ob die Wechselwirkung klinisch relevant ist, hängt davon ab, wie stark das Metallion die Plasmaspiegel der Tetracycline reduziert. Antazida mit Aluminium-, Calcium-, Magnesium- oder Bismutionen vermindern den Plasmaspiegel der Tetracycline um 50 bis 100 Prozent. Dasselbe gilt für Mineralstoffpräparate mit Calcium- oder Magnesium. Die Interaktion kann somit zu Therapieversagen führen. 

 

Eisenpräparate reduzierten je nach Tetracyclin und Untersuchung die Resorption der Tetracycline um 30 bis 90 Prozent. Daher ist es auch bei Eisenpräparaten wahrscheinlich, dass die antibakterielle Wirksamkeit verringert ist. Zink scheint weniger stark zur Komplexbildung zu neigen. Bei Tetracyclin ist diese Wechselwirkung jedoch klinisch relevant, bei Doxycyclin dagegen nicht. Für Oxytetracyclin und Minocyclin liegen keine Untersuchungen zur Interaktion mit Zink vor.

 

Auch manche Hilfsstoffe in Fertigarzneimitteln enthalten größere Mengen polyvalenter Kationen. So führt beispielsweise die Fachinformation von Accupro® (Quinapril) die Wechselwirkung mit Tetracyclinen aufgrund des hohen Magnesiumgehalts auf und damit die klinisch relevante Verringerung der antibakteriellen Wirksamkeit möglich ist. 

 

Einnahmezeitpunkt entscheidend

Wenn der Patient die Tetracycline und die Metallionen-haltigen Medikamente zeitlich getrennt einnimmt, lässt sich die Komplexbildung verhindern. Bei Antazida oder anderen Präparaten mit mehrwertigen Metallionen sollte der Abstand zur Tetracyclineinnahme mindestens zwei, besser drei Stunden betragen. Am einfachs-ten fällt es Patienten, die interagierenden Medikamente zu verschiedenen Mahlzeiten beziehungsweise Tageszeiten einzunehmen. Das ist insbesondere bei -Eisen-salzen empfehlenswert: Am besten nimmt der Patient das Eisenpräparat 30 Minuten vor dem Frühstück und das Tetracyclin vor beziehungsweise zum Mittagessen. 

 

Der optimale Einnahmezeitpunkt für Antazida ist ein bis zwei Stunden nach den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen. Während einer Therapie mit Tetracyclinen sollten die Patienten zwischen Tetracyclin und Antazidum eine Pause von mindestens zwei Stunden einhalten.

 

Milch und Milchprodukte

Die Bioverfügbarkeit von Tetracyclin und Oxytetracyclin wird durch Nahrung generell stark vermindert. Daher sollten Patienten beide Arzneistoffe nüchtern, eine halbe Stunde (Oxytetracyclin) oder eine Stunde (Tetracyclin) vor dem Essen einnehmen. Milch und Milchprodukte beeinträchtigen die Bioverfügbarkeit dieser beiden Substanzen noch stärker. Die Empfehlung lautet: Die Antibiotika nicht zusammen mit Milch und -produkten einnehmen, sondern einen zwei- bis -dreistündigen Abstand einhalten. Auch calciumhaltige Mineralwässer könnten die Wirkung verringern, daher sollten die Patienten beide Antibiotika mit Leitungswasser schlucken.

 

Die lipophileren Tetracycline Minocyclin und Doxycyclin werden durch Nahrung und Milchprodukte weniger beeinflusst als Tetracyclin und Oxytetracyclin, doch auch hier reduzieren Milchprodukte die Bioverfügbarkeit beider Tetracycline stärker als Nahrung. Da Doxycyclin und Minocyclin ulcerogen wirken, sollten die Patienten sie trotzdem besser zum Essen einnehmen. Dabei wird die verminderte Bioverfügbarkeit in Kauf genommen, weil die Nahrung dazu führt, dass weniger Magen-Darm-Störungen auftreten. 

 

Je nach Patient ist die Komplexbildung unterschiedlich stark ausgeprägt. Ob die Wechselwirkung klinisch relevant ist, diskutieren Pharmakologen kontrovers. Da nicht vorhersehbar ist, wie stark die Resorption verringert wird, sollten PTA oder Apotheker auch bei Abgabe von Doxycyclin oder Minocyclin den Patienten empfehlen, einen zweistündigen Abstand zu Milchprodukten einzuhalten.

 

Beispiel aus der Apothekenpraxis

Frau Lauer, eine 40-jährige Stammkundin, reicht in der Apotheke ein Rezept über Doxy-CT® 100 mg Hartkapseln ein, die ihr aufgrund einer Sinusitis verordnet wurden. Beim Einscannen des Präparats zeigt die Software eine mittelschwere Interaktion zwischen Tetracyclinen und polyvalenten Kationen. In der Medikationsdatei der Kundin liest die PTA, dass Frau Lauer regelmäßig Biolectra Magnesium® 240 forte Brausetabletten in der Apotheke kauft. Im Interaktionsmodul der ABDA-Datenbank findet sie unter Maßnahmen den Hinweis, dass Tetracycline zwei bis drei Stunden vor oder nach polyvalenten Kationen eingenommen werden sollten. Die Resorption wird dabei umso weniger beeinträchtigt, je größer der zeitliche Abstand zwischen den Tetracyclinen und den Metallionen ist. 

 

Um die Relevanz der Interaktionsmeldung beurteilen zu können, fragt die PTA zunächst: »Wissen Sie, wie und wie lange Sie das Antibiotikum einnehmen müssen? Nehmen Sie die Magnesiumbrausetabletten noch ein und wenn ja, wann nehmen Sie diese ein?«

 

Die Kundin antwortet: »Der Arzt hat mir gesagt, ich soll heute zwei Kapseln einnehmen und ab morgen nur noch eine Kapsel, bis die Packung aufgebraucht ist. Die Brausetabletten trinke ich immer morgens zum Frühstück, sie helfen gut gegen meine Wadenkrämpfe.« Daraufhin erklärt die PTA der Patientin: »Ihr Arzt hat Ihnen ein gutes Antibiotikum verordnet, das allerdings mit dem Magnesium in Ihren Brausetabletten reagiert. Das Magnesium bildet mit dem Antibiotikum ein schwer lösliches Salz. Das führt dazu, dass das Antibiotikum nicht mehr ausreichend wirken kann. Auch Milchprodukte verringern die Wirksamkeit des Antibiotikums, da Milch Calcium enthält.« Die Patientin ist erstaunt und fragt nach: »Was soll ich denn jetzt machen?«

 

»Damit Ihr Antibiotikum optimal wirkt, müssen Sie die beiden Präparate zeitlich versetzt einnehmen«, informiert die PTA sie. »Nehmen Sie am besten, wie vom Arzt verordnet, heute Morgen noch zwei Kapseln mit einem großen Glas Leitungswasser zu einer kleinen Mahlzeit ohne viel Milch. Ab morgen können Sie dann eine Kapsel morgens zum Essen einnehmen. Achten Sie bitte darauf, möglichst auch bis zwei Stunden nach der Einnahme keine Milchprodukte zu sich zu nehmen. Ein Spritzer Milch im Kaffee ist sicherlich noch nicht kritisch, ein Milchkaffee oder ein Müsli mit Milch allerdings wohl.« Frau Lauer antwortet: »Das ist kein Problem. Ich trinke morgens immer Tee und esse ein Brötchen.« Die PTA weiter: »Gut. So lange Sie das Antibiotikum einnehmen, trinken Sie Ihre Magnesiumtabletten am besten zum Mittag- oder Abendessen.« 

 

Frau Lauer bedankt sich für die gute Beratung. Eine Nachfrage beim behandelnden Arzt ist in diesem Fallbeispiel nicht nötig, da die PTA das Problem im Gespräch mit der Patientin lösen kann.

 

E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
N.Griese(at)abda.aponet.de

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.