Auf Frühwarnzeichen achten |
26.02.2009 11:47 Uhr |
von Sven Siebenand, Davos
Bis zu 250.000 Menschen in Deutschland leiden an Morbus Parkinson. Damit ist die sogenannte Schüttellähmung nach Morbus Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung des Nervensystems. Bis heute ist die Heilung nicht möglich. Allerdings gibt es einige Medikamente zur symptomatischen Behandlung. Wichtige Abgabehinweise für diese Arzneimittel wurden beim Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Davos vorgestellt.
Die schlechte Nachricht zuerst: Nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind, führt Morbus Parkinson ohne Behandlung in durchschnittlich neun Jahren zum Tod. Nun die gute Nachricht: Es gibt eine Reihe von Arzneimitteln, die den Krankheitsverlauf um viele Jahre hinauszögern. Die frühe Diagnose und die sachgerechte Therapie sind also von großer Bedeutung. Auf diesen Aspekt machte auch Professor Dr. Holger Stark von der Universität Frankfurt am Main während seines Vortrages bei der Fortbildungswoche in Davos aufmerksam.
Die vier klassischen Grundsymptome der Schüttellähmung sind Bewegungsverlangsamung (Akinese), grobes Zittern in der Ruhe (Ruhetremor), Muskelsteifheit (Rigor) und Haltungsinstabilitäten. Lange vor diesen Symptomen treten meistens typische Frühwarnzeichen auf, die es zu beachten gilt. Dazu zählen Rückenschmerzen beziehungsweise Wirbelsäulenbeschwerden, nachlassender Geruchssinn und Schwierigkeiten in der Feinmotorik. Beispielsweise, so Stark, verändere sich plötzlich die Handschrift, sie werde kleiner und undeutlicher.
Bereits 1817 beschrieb der Arzt und Apotheker James Parkinson die Schüttellähmung. Mittlerweile weiß man, dass der Untergang dopaminerger Nervenzellen in verschiedenen Arealen des Gehirns die Erkrankung verursacht. Vor allem die sogenannte Substantia nigra (schwarze Substanz), ein Kernkomplex im Mittelhirn, ist davon betroffen. »Warum die Nervenzellen letztlich zugrunde gehen, ist noch nicht vollkommen aufgeklärt«, so Stark. Die Folge ist jedenfalls, dass die Balance der Neurotrans-mitter Dopamin und Acetylcholin aus den Fugen gerät.
Goldstandard L-DOPA
Eine wichtige Säule in der Parkinson-Behandlung ist daher, die Konzentration des Botenstoffs Dopamin zu erhöhen. Am einfachsten wäre es, direkt Dopamin einzunehmen. Das ist allerdings nicht möglich, da dieses die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. Deshalb kommt die Vorstufe L-DOPA zum Einsatz. Dieses wird typischerweise mit Carbidopa oder Benserazid kombiniert und gilt laut Stark als Goldstandard in der Parkinson-Behandlung. Diese beiden sogenannten Decarboxylasehemmer verhindern, dass L-DOPA außerhalb des Gehirns zu Dopamin abgebaut wird und dort Nebenwirkungen verursacht. Ins Gehirn gelangen diese Substanzen nicht, so dass L-DOPA dort zu Dopamin abgebaut werden kann und seine Wirkung entfaltet.
PTA und Apotheker sollten bei der Abgabe von L-DOPA immer dazu raten, das Mittel 30 bis 90 Minuten vor oder zwei Stunden nach den Mahlzeiten einzunehmen. Der Grund: Bei einer gleichzeitigen Nahrungsaufnahme konkurriert die Aminosäure L-DOPA mit solchen aus der Nahrung.
Zwei Klassen von Dopaminagonisten
Eine andere Möglichkeit, die Dopaminwirkung zu steigern, sind Substanzen, die den enzymatischen Abbau von Dopamin blockieren. Das sind einerseits die Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) wie Selegilin und Rasagilin und andererseits die Catecholamin-O-Methyl-Transferase-Hemmer (COMT-Hemmer) wie Tolcapon und Entacapon. Letztere können den Urin rötlich-braun verfärben, was viele Patienten verunsichert. »Das ist kein Blut, sondern beruht auf einer Komplexbildung mit Eisen und ist völlig ungefährlich«, gab der Pharmazeut Entwarnung. Bei der Abgabe von MAO-Hemmern sollten PTA und Apotheker raten, die Mittel besser morgens und nicht abends einzunehmen, da sie zu Schlafstörungen führen können.
Ferner gibt es eine Reihe von Substanzen, die direkt an Dopamin-Rezeptoren angreifen. Zum einen sind das von den Mutterkornalkaloiden abgeleitete Arzneistoffe wie Bromocriptin, Lisurid und Pergolid. Wichtiger sind dem Referenten zufolge aber andere Substanzen wie Pramipexol und Ropinirol. Diese können allerdings plötzlich auftretende Schlafattacken auslösen. Auf diese Gefahr, zum Beispiel beim Autofahren und Bedienen von Maschinen, sollten PTA oder Apotheker die Patienten hinweisen. Zudem können Dopaminagonisten eine Reihe eher ungewöhnlicher Nebenwirkungen auslösen. Dazu gehören Spielsucht, Hypersexualität und Kaufrausch. Grund dafür ist, dass Dopamin von zentraler Bedeutung für das Belohnungsprinzip des Gehirns ist.
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