Folgenfreier Frühjahrsputz |
26.02.2009 09:43 Uhr |
Folgenfreier Frühjahrsputz
von Tanja Schweig
PTA und Apotheker sind Fachleute für Arzneimittel. Die Ausbildung im Labor macht sie aber auch zu Experten im Umgang mit Chemikalien. Diese Kompetenz können sie am 20. März, dem Aktionstag »Vergiftungsschutz für Kinder im Haushalt«, nutzen und Eltern oder Tagesmütter über die potenziellen Gefahren aufklären.
Fallen die ersten kräftigen Sonnenstrahlen im Frühjahr durch die Fenster, erscheint die Wohnung plötzlich in einem neuen Licht: Boden, Schränke, Regale und Bücher, überall hat sich feiner Staub ausgebreitet. Viele Hausfrauen und manchmal auch Hausmänner starten dann ihren Frühjahrsputz. Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg aus dem Jahr 2008 zeigte: Die Deutschen kaufen im Frühjahr die meisten Putzmittel. Von Januar bis April machen die Hersteller von Allzweck-, Bad- oder Fensterreinigern ihre höchsten Umsätze.
Leider birgt die Putzwut der Erwachsenen Gefahren für Kinder. Die fruchtig duftenden, bunten Flüssigkeiten, Waschstücke oder -granulate üben vor allem auf Kleinkinder einen faszinierenden Reiz aus, denn sie erinnern häufig an Limonade oder Süßigkeiten. Da überrascht es nicht, dass Kinder davon trinken oder essen. Manche Seifenhersteller gestalten ihre Badeprodukte inzwischen wie Törtchen, Bonbons oder Lutschkugeln und setzen ihnen Aromastoffe von Aprikose bis Schokolade zu. Damit schaffen sie nicht nur einen Kaufanreiz, sondern verlocken Kleinkinder dazu, sich das gut riechende Produkt in den Mund zu stecken.
Die Häufigkeit von Vergiftungen ist nicht exakt bekannt. Schätzungsweise vergiften sich pro Jahr über 100 000 Kinder, 20 000 werden im Krankenhaus behandelt, 500 Fälle verlaufen lebensbedrohend, 20 bis 40 Kinder sterben.
Kinder im Alter unter 6 Jahren sind besonders gefährdet. Sie vergiften sich am häufigsten mit Reinigungsmitteln, an zweiter Stelle mit Arzneimitteln. Im Alter von 6 bis 15 Jahren rücken dagegen die Vergiftungen durch Arzneimittel auf Platz eins, gefolgt von den Reinigungsmitteln. Vergiftungen durch Pflanzen stehen in beiden Altersgruppen an dritter Stelle. Eltern, Tagesmütter und Erzieherinnen in Kindergärten sind also gut beraten, wenn sie ihre Putz- und Waschmittel, Kosmetiklotionen und technischen Flüssigkeiten für Maschinen und Kraftfahrzeuge für Kinder unerreichbar aufbewahren, besser sogar wegschließen.
In Haushalten mit Kleinkindern sollten Putzmittel nie im Schrank unter der Spüle stehen, sondern unerreichbar hoch, am besten in abschließbaren Schränken. Niemals dürfen sie in Limonadenflaschen oder Marmeladengläser umgefüllt werden. Häufig passieren Unfälle in Stresssituationen, wenn die Aufmerksamkeit des Erwachsenen von dem Kind abgelenkt wird, weil das Telefon läutet oder jemand an der Tür klingelt. Daher sollte man sich strikt angewöhnen, Reinigungsmittel immer sofort nach dem Gebrauch zu verschließen und hochzustellen.
Gefahr für alte Menschen
Kaum bekannt ist die Tatsache, dass Haushaltsreiniger und andere flüssige Chemikalien auch hoch betagte oder verwirrte Menschen stark gefährden. Von 1990 bis 1998 wurden dem Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin neun Todesfälle von Menschen im Alter zwischen 65 und 90 Jahren gemeldet, die versehentlich tensidhaltige Haushaltsprodukte wie Spülmittel oder Duschgel tranken. Daher muss auch das Pflege- und Reinigungspersonal in Altersheimen, -pflegestätten und Kliniken Haushaltsreiniger, Dusch- und Desinfektionsmittel sicher verwahren.
Auf die gesamte Problematik weist das Forum Unfallprävention im Deutschen Grünen Kreuz e.V. (DGK) hin. Es veranstaltet dazu am 20. März den bundesweiten Informationstag »Vergiftungsschutz für Kinder im Haushalt«. Auch die Apotheken sind aufgerufen, sich an der Aufklärung von Eltern sowie Tagesmüttern, Krankenhaus- und Heimpflegepersonal zu beteiligen.
Inzwischen leisten auch einige Industrieunternehmen Beiträge zum Vergiftungsschutz. Neben kindersicheren Verschlüssen setzen manche Hersteller ihren Produkten Bitterstoffe zu. Trinkt oder isst ein Kind versehentlich einen solchen Reiniger, wird es wegen des unerträglichen Geschmacks schon den -ersten Schluck ausspucken. Ein gebräuchlicher Bitterstoff ist Denatoniumbenzoat (Bitrex®). Die Substanz wurde 1958 eher zufällig bei der Synthese eines neuen Betäubungsmittels entdeckt. Das farb- und geruchlose Pulver schmeckt extrem bitter. Daher fand es zunächst Einsatz als Vergällungsmittel von Alkohol. Jetzt setzen einige Hersteller den Bitterstoff Haushaltsreinigern, Chemikalien für die Landwirtschaft, Heimwerker- und Automobilprodukten zu. Verbraucher erkennen die Flaschen am Bitrex-Logo.
Viele Unfälle passieren, weil sich die Eltern der Gefahren bestimmter Produkte nicht bewusst sind. Deshalb kann ein Aktionstag alle Betroffenen sensibilisieren, über das Thema »Vergiftungsschutz im Haushalt« nachzudenken. Dann gelingt der Frühjahrsputz ohne Gefahren für die Kinder.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
tschweig(at)online.de