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Selbstmedikation bei Neurodermitis

Jede Phase braucht ihre Creme

26.02.2009  10:48 Uhr

Selbstmedikation bei

Jede Phase braucht ihre Creme

von Daniela Schierhorn

Neurodermitis ist die häufigste chronische Hauterkrankung. In den Industrieländern sind fast 10 Prozent der Kinder und etwa 3 Prozent der Erwachsenen betroffen. Die Ekzeme und der oftmals unerträgliche Juckreiz beeinträchtigen die Lebensqualität, die Leistungen in der Schule, am Arbeitsplatz und das soziale Miteinander.

Der Name Neurodermitis ist einer von vielen: Auch die Begriffe atopisches Ekzem, atopische Dermatitis oder endogenes Ekzem bezeichnen die chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Die Neurodermitis gehört wie das allergische Asthma bronchiale und der Heuschnupfen zu den atopischen Erkrankungen. Atopisch heißt, dass eine angeborene Überempfindlichkeit besteht. Bei Neurodermitikern reagieren Haut und Schleimhäute zu stark auf eigentlich harmlose Substanzen oder Einflüsse aus der Umwelt.

Im Verlauf einer Neurodermitis wechseln Krankheitsschübe unterschiedlicher Dauer und Schwere mit eher beschwerdefreien Phasen. Das Aussehen der Haut ändert sich entsprechend der Stadien. In den beschwerdefreien Zeiten ist die Haut besonders trocken und schuppt. Ursache dafür ist ihre gestörte Barrierefunktion. Im Vergleich mit gesunder Haut sind Wasser- und Fettgehalt erniedrigt und die Talgproduktion geringer. Auch produzieren Neurodermitiker weniger Schweiß. 

Während der akuten Schübe tritt zunächst heftiger Juckreiz auf, der die Betroffenen besonders schwer belastet. Die Haut entzündet sich, was sich durch das Kratzen mehr und mehr verstärkt. Je nach Lebensalter treten die Ekzeme an anderen Körperstellen in Erscheinung. 

Je nach Stadium der Erkrankung (akut, subakut oder chronisch) und auch nach dem Lebensalter ist der Hautzustand sehr unterschiedlich. Bei Säuglingen bildet sich der typische Milchschorf an der Kopfhaut und im Gesicht. Später leiden die Säuglinge und Kleinkinder an Ekzemen im Bereich des Kopfes, Gesichts und am Hals. Schulkindern machen zumeist die klassischen Beugeekzeme in den Gelenken von Ellenbogen, Kniekehlen und rund um die Handgelenke zu schaffen. In bis zu 90 Prozent der Fälle bessert sich die Erkrankung in der Pubertät. Selten entwickeln aber auch Erwachsene erstmalig ein atopisches Ekzem. 

Die Ursachen der Neurodermitis sind nicht geklärt. Daher fehlt es bislang an einer Kausaltherapie. Unbestritten ist, dass es eine genetische Veranlagung gibt, wobei Wissenschaftler nicht ein einzelnes, sondern verschiedene Gene auf mehreren Chromosomen für die Veranlagung verantwortlich machen. Außerdem sehen Experten immunologische Veränderungen als mögliche Ursache an. Sicher ist, dass die Hauterkrankung von vielen Faktoren getriggert wird. Das heißt: Bestimmte und individuell verschiedene Auslöser (Trigger- oder Provokationsfaktoren) sorgen für die Erstmanifestation und rufen danach immer wieder Erkrankungsschübe hervor. Deshalb basiert die Therapie auch darauf, die Triggerfaktoren ausfindig zu machen und falls möglich zu meiden oder zu reduzieren . Als Triggerfaktoren kommen in Frage: 

  • Irritationen durch Textilien (Wolle, Tierfelle), Schwitzen, falsche Hautreinigung, Rauchen
  • Allergien auf Hausstaubmilben, Pollen, Nahrungsmittel
  • Infekte durch Bakterien, Viren, Pilze
  • klimatische Einflüsse (extreme Kälte und/oder Lufttrockenheit)
  • psychischer und physischer Stress
  • hormonelle Auslöser (Schwangerschaft, Menstruation)

Die Betroffenen behandeln ihre Haut stadienabhängig mit sogenannten Basistherapeutika. Diese stabilisieren die defekte Barrierefunktion der Haut, reduzieren die Hauttrockenheit und mildern damit den Juckreiz. Die Basistherapie muss ständig durchgehalten werden, auch in den Phasen ohne Entzündungen. Viele Betroffene empfinden es allerdings als sehr lästig, die Haut täglich einzucremen, und vernachlässigen die Therapie. Auch müssen sie sorgfältig darauf achten, ihre Haut schonend zu reinigen (siehe Kasten).

Tipps zur Hautreinigung

  • seifenfreie Syndets mit saurem pH-Wert benutzen
  • hypoallergene Waschsyndets ohne Duft-, Konservierungs- und Parfümstoffe verwenden
  • beim Baden beachten: maximal 5 bis 10 Minuten, nur (lau)warm statt heiß, ölhaltige Badezusätze statt Schaumbäder zugeben
  • Haut vorsichtig trocken tupfen statt rubbeln
  • zweimal täglich und immer unmittelbar nach der Reinigung die Haut mit Basispflegeprodukten eincremen 

Neurodermitiker müssen die Basistherapeutika nach dem jeweiligen Krankheitsstadium auswählen. In der akuten Phase mit geröteten, nässenden und blutenden Ekzemen benötigen sie gemäß des dermatologischen Grundsatzes »feucht auf feucht« flüssige Zubereitungen: In Frage kommen Schüttelmixturen, Bäder oder wässrige Öl-in-Wasser-Zubereitungen. Auch feuchte Umschläge unter Zusatz von Gerbstoffen eignen sich aufgrund ihres austrocknenden und wundreinigenden Effektes.

Wenn das Ekzem gerade abheilt und nur noch leicht gerötet ist, erfolgt der Übergang zu stärker rückfettenden Dermatika. Dann wird der Wasseranteil des Pflegeproduktes schrittweise reduziert. Jetzt eignen sich fettreichere Öl-in-Wasser-Lotionen oder -Cremes. Für die trockene Haut während der nicht akuten Phasen sind Cremes mit ausgewogenem Fett- und Feuchtigkeitsgehalt am besten. Wasserbindende Zusätze wie Glycerol oder Harnstoff bewirken eine noch stärkere Hydratisierung der Haut. Für extrem trockene und verdickte Haut wie an den Fußsohlen sind Fettsalben aufgrund ihres wärme- und feuchtigkeitsstauenden Effektes von Vorteil. 

Bei der Wahl der Hautpflege spielt auch die Jahreszeit eine Rolle. Bei warmen Temperaturen vertragen die meisten Neurodermitiker Cremes und Lotionen besser. Für die kalte Jahreszeit eignen sich vor allem Salben und Fettsalben. 

Dem Juckreiz begegnen

Leitsymptom der Neurodermitis ist der quälende Juckreiz. Verschlechtert sich der Hautzustand, nimmt der Juckreiz zu und provoziert intensives Kratzen. Damit verletzt der Betroffene die oberen Hautschichten. Anschließend reagiert er noch empfindlicher und kratzt sich noch früher als sonst, schon bei geringstem Juckreiz. Somit startet ein Teufelskreis aus Kratzen, erneutem Juckreiz und noch stärkerem Kratzen. Die geschädigte Haut wird anfälliger gegenüber Keimen. Hautinfektionen und Entzündungen folgen. Das Kratzen trägt erheblich zur Chronifizierung der Neurodermitis bei.

Um den Juckreiz zu lindern, haben sich verschiedene Zusätze zu den Basis-Topika bewährt. Zum Beispiel stillen feuchtigkeitsregulierendes Glycerol oder Harnstoff oder deren Kombination den Juckreiz. Eventuell können auch das Lokal-anästhetikum Polidocanol (Thesit) oder Gerbstoffe den Rezepturen zugemischt werden. Kontrollierte klinische Studien zur Wirksamkeit von Polidocanol liegen allerdings ebenso wenig vor wie für den Einsatz von Gerbstoffen. Die Wirkung der Gerbstoffe beruht in erster Linie auf ihrem adstringierenden und austrocknenden Effekt. Es stehen synthetische (Tamol) und natürliche Gerbstoffe (schwarzer Tee, Eichenrinde-Extrakte) zur Auswahl.

Eine nicht medikamentöse Alternative ist, dass die Patienten die juckenden Areale mit feuchten Umschlägen, Schüttelmixturen auf Zinkoxid-Basis oder Gelbeuteln (immer mit einem Tuch umwickelt) kühlen. Von leichtem Juckreiz lenken auch autogenes Training oder Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation gut ab.

Wenn diese Maßnahmen nicht gegen den Juckreiz ausreichen, profitieren Patienten von oralen H1-Antihistaminika. Die sedierende Nebenwirkung einiger H1-Antihistaminika hat zusätzlich einen therapeutischen Nutzen: Die Medikamente  erleichtern abends das Einschlafen, vor allem wenn kleine Kinder wegen des Juckreizes nicht zur Ruhe kommen. PTA und Apotheker sollten die Eltern über die zentral dämpfende Wirkung in jedem Fall informieren. Tagsüber sind nicht sedierende H1-Antihistaminika (wie Cetirizin, Loratadin, Mizolastin) zu empfehlen.

In den akuten entzündlichen Phasen nimmt die Therapie mit topischen Glucocorticoiden nach wie vor einen hohen Stellenwert ein. Diese Arzneistoffe hemmen die Entzündung und vermindern die Zellteilung (antiproliferativer Effekt). Außerdem wirken sie immunsuppressiv und stillen den Juckreiz. Hinsichtlich ihrer Wirkstärke unterscheiden Pharmakologen in Europa vier Wirkstoffklassen. In der Regel verschreiben Ärzte bei Neurodermitis schwache bis mittelstarke Glucocorticoide der Klasse 1 bis 2. Meist tragen die Patienten die topischen Zubereitungen einmal täglich über einen begrenzten Zeitraum auf. Klingen die akuten Symptome ab, reduzieren sie schrittweise die Anwendungshäufigkeit.

Nebenwirkung zeitabhängig

Einige Patienten fürchten Glucocorticoide wegen ihres breiten Nebenwirkungsspektrums. PTA und Apotheker können die Compliance fördern, wenn sie ängstlichen Patienten erklären, dass Glucocorticoide die Haut erst nach mehr als sechs Wochen Therapie verdünnen. Dagegen sollte der Einsatz von Glucocorticoiden im Gesicht und Genitalbereich, wo die Haut besonders dünn ist, auf wenige Tage beschränkt bleiben. 

Eine Alternative zu den Glucocorticoiden sind die verschreibungspflichtigen topischen Calcineurinantagonisten Tacrolimus und Pimecrolimus. Sie führen auch bei längerer Anwendungsdauer – selbst im Gesicht – nicht zu einer Hautverdünnung. Aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils eignen sie sich auch für die Therapie bei Kindern. Tacrolimus ist in 0,03-prozentiger und Pimecrolimus in 1-prozentiger Konzentration für Kinder ab zwei Jahren zugelassen. Pimecrolimus ist lokal besser verträglich als die häufig stark brennende Tacrolimus-Salbe. 

Bei 90 Prozent der Neurodermitiker wächst der Keim Staphylococcus aureus auf der Haut. Dieses Bakterium kann Entzündungsprozesse weiter anheizen. Moderat bis mäßig ausgeprägte Ekzeme, die gut auf eine antientzündliche Therapie mit topischen Glucocorticoiden oder topischen Calcineurininhibitoren ansprechen, bedürfen in der Regel keiner zusätzlichen antimikrobiellen Therapie. Der Arzt wird aber chronisch-rezidivierende Ekzeme zusätzlich lokal antiseptisch behandeln, selbst wenn eine Superinfektion mit Keimen kaum erkennbar ist. Als Wirkstoffe kommen Triclosan, Polihexanid oder Chlorhexidin zum Einsatz, wegen der Gefahr einer Sensibilisierung jedoch nur kurzfristig. Bei  deutlichen Zeichen einer bakteriellen Superinfektion, zum Beispiel gelbe Krusten auf den Ekzemen, wird der Arzt orale Antibiotika verordnen. 

Therapie stadiengerecht

Eine gute Compliance ist für den Erfolg einer Neurodermitis-Therapie unerlässlich. PTA und Apotheker können zum einen die Patienten motivieren, dass sie die Basistherapie konsequent anwenden. Zum anderen können sie ihnen bei der stadiengerechten Auswahl der Hautpflegeprodukte helfen. Und drittens können sie über mögliche unerwünschte Wirkungen und Behandlungsalternativen kompetent Auskunft erteilen. Die Tabelle gibt einen Überblick über die aktuelle Stufentherapie laut Leitlinie Neurodermitis.

Stufentherapie der Neurodermitis

Hautbild Behandlungsgrundsätze
Stufe I: trockene Haut topische Basistherapie: Hydratation der Haut, Einsatz von Emollientien (erweichende Hautpflegemittel) Vermeidung oder Reduktion von Triggerfaktoren
Stufe II: leichte Ekzeme erforderliche Maßnahmen von Stufe I + juckreizstillende und antiseptische Wirkstoffe, topische Glucocorticoide Klasse 1 bis 2 und/oder topische Calcineurininhibitoren
Stufe III: moderate Ekzeme erforderliche Maßnahmen der vorherigen Stufen + topische Glucocorticoide Klasse 2 bis 3 und/oder topische Calcineurininhibitoren
Stufe IV: persistierende, schwer ausgeprägte Ekzeme erforderliche Maßnahmen der vorherigen Stufen schwer ausgeprägte + systemische immunmodulierende Therapie Ekzeme (zum Beispiel mit Ciclosporin A)

Quelle: Leitlinie Neurodermitis der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und anderer Fachgesellschaften (2008)

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
D.Schierhorn(at)abda.aponet.de 

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