Experten fordern mehr Sicherheit |
20.01.2012 15:44 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Der Skandal um minderwertige Brustimplantate aus Frankreich hat eine Diskussion über die Sicherheit von Medizinprodukten ausgelöst. Die Bundesregierung will an der Zulassung für Medizinprodukte jedoch nichts ändern. Es soll aber mehr Kontrollen geben.
Nach Schätzungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben in Deutschland weniger als 10 000 Frauen die minderwertigen Implantate erhalten, in den meisten Fällen bei Schönheitsoperationen. Bei der Herstellung der strittigen Implantate hatte die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) minderwertiges Industriesilikon verwendet, das sich nicht für Brustimplantate eignet. Experten fürchten, dass Silikon austreten und in den Körper gelangen kann. Unklar ist, ob ein Zusammenhang zwischen den Brustimplantaten und Krebserkrankungen besteht.
Patientennutzen ungeprüft
In Deutschland hat dieser Fall eine Diskussion über das Medizinproduktegesetz in Gang gesetzt. Kritiker fordern härtere Zulassungsprüfungen insbesondere für risikoreiche Medizinprodukte, die in den Körper eingesetzt werden, also auch für Brustimplantate.
Derzeit müssen die Hersteller je nach Art des Medizinprodukts zwar in gewissem Umfang klinische Prüfungen vornehmen, die Ergebnisse veröffentlichen müssen sie aber nicht. Zudem gibt es keine eindeutigen Vorschriften zum Studiendesign. Kern des Zulassungsverfahrens ist immer die technische Prüfung des Produkts, der Nutzen für den Patienten spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Anders als bei Arzneimitteln erfolgt die Zulassung auch nicht durch das BfArM oder eine andere Behörde. Die Hersteller von Medizinprodukten können sich irgendwo in Europa eine Zertifizierungsstelle, zum Beispiel den TÜV, aussuchen. Wenn das Medizinprodukt nach Prüfung dort das Industriesiegel CE erhält, ist es damit in der gesamten EU zugelassen.
Die PIP-Implantate erhielten das Industriesiegel vom TÜV Rheinland. Die Zertifizierungsstelle sieht sich im Nachhinein von dem französischen Hersteller hinters Licht geführt und hat bereits Anzeige erstattet. Den Prüfern seien bei regelmäßigen Kontrollen stets das für den medizinischen Gebrauch geeignete Silikon und die korrekten Dokumente präsentiert worden, sagte ein Sprecher. So mussten die Kontrolleure den Eindruck gewinnen, dass auch bei der laufenden Produktion das geeignete Silikon zum Einsatz kam.
Kontrollbehörden getäuscht
Der Hersteller hat die bewusste Täuschung der Kontrollbehörden inzwischen zugegeben. Bei seiner Verschleierungstaktik spielte ihm auch das Gesetz in die Hand. Laut Vorschrift müssen Kontrollen Tage im Voraus angekündigt werden. Dem Unternehmen blieb damit genügend Zeit, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Krankenkassen und Ärzte drängen nun auf Konsequenzen. Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbands, forderte die Bundesregierung daher auf, das Medizinproduktegesetz noch in dieser Legislaturperiode zu reformieren. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Vogler (Die Linke) forderte zu dem Thema eine öffentliche Anhörung im Bundestag.
Meldesystem verbessern
Der Bundesregierung geht dies zu weit. Verbesserungsbedarf gebe es allerdings bei der Überwachung im Bereich der Medizinprodukte. Künftig soll es nun auch unangemeldete Kontrollen bei den Herstellern geben. Außerdem sollen die Regeln für die Überwachung durch die Bundesländer vereinheitlicht werden. Auch die Informationswege können verbessert werden: Bei Problemen mit einem Produkt informiert heute das BfArM die 16 Bundesländer, diese melden die Warnungen dann an 68 Ämter weiter, die schließlich die Ärzte informieren. Allerdings kann das BfArM bislang nicht kontrollieren, wann die Information bei den Ärzten ankommt. Ein Meldesystem wie der »Rote-Hand-Brief« für Arzneimittel existiert für Medizinprodukte nicht.
Es gibt auch kein Register, in dem erfasst wird, wer ein Silikonkissen der Firma Poly Implant Prothèse erhalten hat. Die Vertreter der Krankenkassen fordern deshalb nun eine solche Datenbank, die den Verbleib von Implantaten dokumentiert.
Unklar ist auch, wer die Kosten für die Entnahme der mangelhaften Implantate trägt. Die Frauen, die sich aus ästhetischen Gründen operieren ließen, werden einen Teil aus eigener Tasche zahlen müssen. Bei Schäden infolge einer Schönheitsoperation müssen die Krankenkassen die Versicherten laut Gesetz an den entstandenen Kosten »in angemessener Höhe« beteiligen. Je nach Einkommen kann dieser Anteil bis zu 50 Prozent betragen. /
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