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Welt-Krebstag

Tumorerkrankungen am 4. Februar im Fokus

20.01.2012  15:49 Uhr

Von Ralf Daute / Krebserkrankungen sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Auch macht der Krebs keinen Unterschied zwischen alt oder jung, reich oder arm, unbekannt oder berühmt. Um Krebserkrankungen mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, riefen im Jahr 2006 die Union internationale contre le cancer (UICC) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam mit anderen Organisationen den Weltkrebstag ins Leben. Dieser findet jährlich am 4. Februar statt.

Bei Steve Jobs, dem am 5. Oktober 2011 verstorbenen Chef des Computerkonzerns Apple, wurde im Sommer 2003 ein Inselzelltumor der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert. Die Geschichte seiner Erkrankung zeigt einerseits, dass der Kampf gegen den Krebs noch nicht gewonnen ist. Andererseits macht sie deutlich, über welche Möglichkeiten die moderne Medizin mittlerweile verfügt, die aber noch längst nicht jedem Patienten zuteil werden.

Der Fall Jobs hat eine weitere Dimension: An seinem persönlichen Leidensweg lässt sich nicht nur der medizinische Fortschritt aufzeigen, sondern auch die menschliche Seite des Leidens – Ängste, Rückschläge und Hoffnungen. Die vielen Facetten der Krebserkrankung machen auch die fast 300 Or­-ganisationen in weltweit 86 Ländern am 4. Februar zum Thema. Hierzulande beteiligen sich die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und das Deutsche Krebsforschungszentrum an dem Aktionstag. Für dieses Jahr hat die UICC das Motto »Together it is possible« ausgegeben. Jede Regierung, aber auch jeder Einzelne wird aufgerufen, einen Beitrag zu leisten, um die Last dieser Erkrankung etwas abzumildern.

Langer erfolgloser Weg

Zurück zu Steve Jobs, dessen Biografie in diesen Tagen sicher viele Menschen lesen werden. Jobs hatte zunächst die Behandlungsmethoden der Schulmedizin in den Wind geschlagen und versucht, seine Krankheit mit alternativen Mitteln zu bezwingen, so auch mit Diäten. Er hatte Angst, sich operieren zu lassen, und misstraute den Ärzten. Erst nach Monaten, als feststand, dass er auf dem eingeschlagenen Weg nicht weiterkam, schwenkte Jobs radikal um und vertraute sich voll und ganz der modernen Medizin an. Es folgten Operationen, eine Transplantation und eine ausgeklügelte medikamentöse Therapie, für die sich ein ganzes Ärzteteam verantwortlich zeichnete. Die Spezialisten hatten das Erbgut seines Tumors vollständig analysiert und attackierten die Krebszellen mit einer sogenannten gezielten Therapie. »Diese Therapie war nicht die Silberkugel«, berichtet Jobs-Biograf Walter Isaacson, »aber sie schien ihr manchmal nahezukommen.«

Anhand der genetischen Informationen testeten die Ärzte alle möglichen Wirkstoffe – darunter gebräuchliche und ungebräuchliche, bereits zugelassene Medikamente und noch in der Entwicklung befindliche Substanzen. So wollten sie herausfinden, welche am besten wirkten. Sobald der Krebs mutiert war, das heißt sein Erbgut verändert hatte, und damit das Medikament unwirksam wurde, griffen sie zum nächsten und setzten den Kampf fort.

Acht Jahre dauerte der Kampf, und Jobs blieb bis kurz vor seinem Tod optimistisch: »Entweder bin ich der erste, der einen Krebs wie diesen überlebt«, vertraute Jobs seinem Biografen an, »oder ich werde einer der letzten sein, der daran stirbt.«

In einem medizinischen Lehrbuch, das der ägyptische Universalgelehrte Imhotep 2700 Jahre vor unserer Zeitrechnung verfasst haben soll, werden 48 Krankheiten nebst Therapie beschrieben. Bei dem 45. Leiden, das er als »aus der Brust hervorquellende Massen« bezeichnete, handelte es sich offensichtlich um eine Tumorerkrankung. Hier musste der Experte passen: »Es gibt keine Heilung.«

Ursprung der Begriffe

Nach dieser ersten schriftlichen Dokumentation des Leidens dauerte es noch mehr als 2000 Jahre, bis der Urvater der Medizin, Hippokrates (460 bis 370 v. Chr.), der Krankheit ihren weltweit gültigen Namen gab: karkinos, Krebs. Hippokrates hatte mit seinen Schülern Organe untersucht, die von Tumoren befallen waren. Er befand, dass sich die Wucherungen in das Gewebe eingenistet hatten wie Krabben im Sand am Strand. Karkinos wiederum übersetzte ein paar Jahrhunderte später der römische Arzt Aulus Cornelius Celsus (25 v. Chr. bis 50) ins lateinische Wort für Krebs: cancer. Der Arzt Galen (130 bis 200) wiederum, der erst in Pergamon Gladiatoren behandelte und später als Leibarzt der römischen Kaiser wirkte, führte einen dritten Begriff in die Medizin ein: Oncos, das griechische Wort für Schwellung.

Alle drei Begriffe haben sich bis heute gehalten. Die Krebsmedizin ist bekannt als Onkologie, eine Krebsgeschwulst als Karzinom, und krebserregende Stoffe wirken kanzerogen.

Nach dem gängigen Erklärungsmodell zur Entstehung jeglicher Krankheiten resultierten nach Auffassung der Mediziner des Altertums alle Leiden aus einem Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle). Bei Krebs sollte ein Übermaß an schwarzer Galle vorliegen. Diese Theorie entwickelte Galen weiter und trug mit seiner umfangreichen Lehrtätigkeit dazu bei, dass die Viersäftelehre über 1300 Jahre der medizinische Standard blieb.

Basis für neue Forschung

Dass Krankheiten nicht auf einem Ungleichgewicht der Körpersäfte beruhen, sondern organische Ursachen haben, untermauerte der italienische Arzt Giovanni Morgagni im Alter von 80 Jahren in seinem 1761 veröffentlichten Hauptwerk »De sedibus et causis morborum per anatomen inda­gatis« (Über den Sitz und die Ursachen der Krankheiten, aufgespürt durch die Anatomie). Die fünf Bücher gelten als Gründungsdokument der wissen-schaft­lichen Pathologie. In den Bänden schildert Morgagni seine Erkenntnisse aus insgesamt 640 Autopsien.

Dieses Werk bildete unter anderem die Grundlagen, auf denen dann fast 80 Jahre später die deutschen Wissenschaftler Johannes Peter Müller (1801 bis 1858) und Rudolph Virchow (1821 bis 1902) dem Rätsel der Krebserkrankungen einen großen Schritt näher kamen. Müller bewies 1838, dass Krebs aus Zellen besteht und nicht aus Lymphe, wie bis dahin angenommen wurde. Virchow erkannte schließlich, dass alle Zellen von anderen Zellen abstammen – also auch die Krebszellen.

Doch warum Zellen auf einmal zu Krebszellen mutieren, dazu stellten die Wissenschaftler auch weiterhin nur Mutmaßungen an. Dass aber äußere Einflüsse eine Rolle zu spielen vermögen, war aufmerksamen Ärzten bereits damals klar. So berichtete beispielsweise im Jahr 1713 der italienische Arzt Bernardino Ramazzini (1633 bis 1714), dass Nonnen so gut wie nie an Gebärmutterhalskrebs erkrankten, dafür aber häufiger an Brustkrebs. Für diesen Unterschied zu anderen Frauen suchte ­Ramazzini eine Verbindung zum zölibatären Lebensstil.

Seine Beobachtungen sind in zweierlei Richtung die Vorläufer heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse: einerseits in Bezug auf hormonelle Einflüsse, die zur Entstehung von Krebserkrankungen führen oder deren Verlauf begünstigen, andererseits in Bezug auf sexuell übertragbare Erreger wie die humanen Papilloma-Viren (HPV). Beispiele für neue Arzneimittel, die den Einfluss der Hormone hemmen, sind die Estrogenrezeptor-Antagonisten gegen Brustkrebs. Auf Basis des zweiten Zusammenhangs entstand die Impfung gegen HPV, die das Risiko von Gebärmutterhalskrebs minimieren soll.

Der therapeutische Standard in der Krebstherapie ruhte jedoch lange Zeit im Wesentlichen auf den zwei Säulen: operieren und hoffen. Meist hofften Patient, Arzt und Angehörige allerdings vergebens. »Nach der Entfernung (des Tumors) kehrte die Krankheit dennoch zurück«, beobachtete der römische Arzt Celsus. Erst im 19. und 20. Jahrhundert machte die Chirurgie auch dank der zuvor entwickelten Anästhesie so große Fortschritte, dass die Heilungschancen der Patienten drastisch stiegen. Viele Verfahren, beispielsweise die Brustamputation oder die zusätzliche Entfernung angrenzender Lymphknoten, wurden in diesen Jahren erfunden oder erfolgreich weiterentwickelt.

Als 1896 der deutsche Physikprofessor Wilhelm Conrad Röntgen (1845 bis 1923) die später nach ihm benannten Röntgenstrahlen entdeckte, dauerte es noch genau drei Jahre, bis die Medizin zum ersten Mal in der Geschichte eine zweite Waffe in die Hand bekam: die Strahlentherapie. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, war einer der berühmten Patienten. Nachdem bei Freud ein Mundhöhlenkarzinom diagnostiziert worden war, wurde er zunächst operiert und später bestrahlt. Dank der therapeutischen Fortschritte überlebte Freud nach der Diagnose noch 16 Jahre. Dafür musste er mehr als 30 meist qualvolle Operationen erdulden. Bereits 1923 wurden ihm größere Teile des rechten Kieferknochens, des Gaumes und der Zungenschleimhaut entfernt und durch eine Prothese ersetzt. Den letzten »Vorstoß meines lieben alten Karzinoms«, wie Freud seinen Krebs nannte, bekämpften die Ärzte mit Röntgenstrahlen. Vergebens, der Tumor wucherte weiter, sodass Freud im Jahr 1939 seinen Hausarzt um Sterbehilfe bat.

Erstes Zytostatikum

Für einen weiteren Durchbruch in der Krebsbehandlung, die Entwicklung der Chemotherapie, sorgten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach unter anderem Untersuchungen an Soldaten, die mit Giftgas in ­Berührung gekommen waren. Bei vergifteten Soldaten entdeckten die ­Mediziner Veränderungen in den blutbildenden Knochenmarkzellen. Im Laufe weiterer Forschungen zeigte sich, dass dem Giftgas ähnliche chemische Verbindungen gegen Lymphknotenkrebs wirkten. So wurde im Jahr 1942 Stickstoff-Lost als erstes Zytostatikum zur Behandlung von Krebs eingesetzt. Dies war der Ausgangspunkt einer Entwicklungswelle, die bis heute anhält. Die Suche nach Substanzen, die die DNA der Krebszellen angreifen und dabei möglichst geringe Nebenwirkungen verursachen, ist noch lange nicht beendet.

Erweitert um eine Vielzahl zytostatisch wirksamer Arzneistoffe besteht das Fundament der klassischen Krebstherapie heute aus Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Das in den vergangenen Jahren rapide gewachsene Verständnis um die zellbiologischen Mechanismen einer Krebserkrankung ist die Ausgangsbasis für die Entwicklung weiterer, gezielt wirkender Medikamente, beispielsweise der monoklonalen Antikörper. Auch wenn viele dieser Substanzen nicht imstande sind, Patienten vom Krebs zu heilen, können sie diesen immerhin eine Zeitlang aufhalten und die Lebenszeit des Patienten verlängern.

Auch das allgemeine Bewusstsein über Krebs hat sich rapide verändert: Es ist noch gar nicht so lange her, dass über diese Krankheit nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Krebs war ein Tabuthema und wurde schamhaft verschwiegen. Das wiederum führte dazu, dass viele Menschen auf wichtige Vorsorgeuntersuchungen verzichteten oder aus Angst vor der ­Diagnose erst dann zum Arzt gingen, wenn die Erkrankung für eine erfolg­reiche Therapie bereits zu weit fort­geschritten war.

In Deutschland ist es vor allem Mil­dred Scheel (1932 bis 1985) und der von ihr am 25. September 1974 gegründeten Deutschen Krebshilfe zu verdanken, dass öffentlich über die Krankheit gesprochen wird, zum Beispiel in Fernsehshows. Auch wurden die Ursachenforschung intensiviert und für die Krebsbehandlung spezialisierte Zentren gegründet. Als die Ehefrau des damali­- gen Bundespräsidenten Walter Scheel selbst an Darmkrebs erkrankte, verheimlichte sie der Öffentlichkeit jedoch ihr Leiden. So meldete sie sich als »Frau Berger« auf der von ihr gegründeten Kölner Krebsstation an. »Es wäre eine Katastrophe, wenn die Leute erfahren, dass mir keiner helfen konnte«, soll sie gesagt haben.

Doch ihr Werk wirkt fort. Wenn heute Betroffene, ob prominent oder nicht, offen über ihr Leiden sprechen, so leisten sie damit einen Beitrag, der anderen Menschen Mut macht. Welche Fortschritte die Medizin gemacht hat, zeigt auch die Tatsache, dass Krebs in sehr vielen Fällen kein Todesurteil mehr bedeutet: Mittlerweile überleben zwei von drei Krebspatienten die Diagnose um fünf Jahre und länger. Trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge geht der medizinische Fortschritt weiter. /

Krebs in

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