Vorsicht angebracht, aber keine Panik |
20.01.2012 15:37 Uhr |
Von Annette Mende und Maria Pues / Weil sie auffallend häufig rissen, wurden Ärzte und Behörden auf die Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) aufmerksam. Nicht alle Implantate dienen kosmetischen Zwecken.
Aufgrund ihrer minderen Qualität sind die preisgünstigen Silikonimplantate von PIP seit Ende vergangenen Jahres zunehmend in die Schlagzeilen geraten. Da ungewöhnlich viele Frauen wegen gebrochener PIP-Silikonkissen nachoperiert werden mussten, waren die auch bei Schönheitsoperationen verwendeten Brustimplantate bereits im April 2010 europaweit verboten worden. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass PIP bei der Herstellung illegal Silikonöle verwendet hatte, die nicht für die Verwendung in Brustimplantaten geeignet sind.
Reißt ein Silikonimplantat, verformt sich nicht nur die Brust, sondern das ausgetretene Silikonöl kann auch größere örtliche Entzündungen auslösen. Bei den Implantaten der Firma PIP gibt es darüber hinaus Anzeichen, dass sie verstärkt Silikon »ausschwitzen«, also durch die Hülle hindurch in den Körper abgeben.
Behörde empfiehlt, Kissen zu entfernen
Ein befürchteter Zusammenhang zwischen PIP-Implantaten und möglichen Krebserkrankungen der Trägerinnen konnte in einer von der französischen Gesundheitsbehörde Afssaps beauftragten Untersuchung jedoch nicht nachgewiesen werden. Dennoch gab die Afssaps Ende Dezember die Empfehlung heraus, PIP-Implantate vorsorglich zu entfernen – und zwar auch dann, wenn das Silikonkissen noch intakt ist.
Nach anfänglicher Zurückhaltung schloss sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dieser Empfehlung an. Wie dringend eine Entnahme im Einzelfall ist, hängt davon ab, wie lange die Patientin das Implantat bereits trägt, heißt es auf der Website des BfArM. Das Bundesinstitut will jetzt zusammen mit den zuständigen Landesbehörden und Fachgesellschaften sowie den Behörden im europäischen Ausland ermitteln, wie groß die Gesundheitsgefahr ist, die von den PIP-Implantaten ausgeht.
Das Ergebnis ist unter anderem wichtig für die Frage nach der Übernahme der Kosten für die Explantation. »Schließlich sind die Kassen in jedem Fall in der Pflicht, wenn es eine medizinische Indikation gibt«, sagte Professor Dr. Diethelm Wallwiener, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie, in einer Pressemitteilung. Die Kostenträger müssten die Patienten entsprechend Paragraf 52 SGB V aber »angemessen« beteiligen, wenn der Ersteingriff keine Rekonstruktion, sondern ein ästhetischer Eingriff gewesen sei.
In Deutschland sind bislang insgesamt 19 Fälle von gerissenen PIP-Implantaten gemeldet worden, in Frankreich mehr als 1000. Im Nachbarland haben 30 000 Frauen PIP-Implantate erhalten, wie viele es hierzulande sind, ist nicht bekannt. Weltweit sollen zwischen 400 000 und 500 000 Frauen die PIP-Silikonkissen tragen. Manche wünschten sich aus kosmetischen Gründen eine schön geformte, straffe Brust – zum Beispiel nach Schwangerschaften. Andere möchten nach einer Brustkrebs-Operation nicht für den Rest ihres Lebens von dieser Krankheit gezeichnet sein.
Im Extremfall deformiert sich Implantat
Am häufigsten kommen in beiden Fällen Silikonimplantate zum Einsatz. Ihr Vorteil besteht in einer zumeist unkomplizierten Operation: Wenn ein Hautmantel der Brust erhalten werden kann, kann das Silikonimplantat einfach darunter geschoben werden. Ist die Haut zu straff, wird sie zunächst gedehnt. Dann wird ein kleiner Beutel leer unter die Haut gebracht und nach und nach mit Kochsalzlösung aufgefüllt. Nachteile von Silikonimplantaten bestehen darin, dass sie vom Körper als fremd erkannt und mit Bindegewebe umgeben werden. Dies kann zu Spannungen und Verhärtungen führen. Im Extremfall wird das Implantat deformiert, was auch äußerlich sichtbar werden kann. Das Implantat muss dann durch ein neues ersetzt werden. Auch die betroffenen Frauen selbst empfinden das Material zuweilen als körperfremd, sie beschreiben es als »kalt«.
Medizinische Gründe, die gegen den Einsatz von Silikonimplantaten sprechen, sind geplante Bestrahlungen, da dabei zumeist die Elastizität der Haut abnimmt und Spannungen auftreten können. Jüngere Patientinnen müssen zudem damit rechnen, dass das Implantat im Laufe der Jahre ersetzt werden muss. Studien bescheinigen Silikonimplantaten im Allgemeinen eine gute Verträglichkeit. Auch eine befürchtete Zunahme an Brustkrebs-Rezidiven konnte bei ihrer Verwendung nicht festgestellt werden.
Weder als fremd noch als kalt empfinden Patientinnen Implantate aus körpereigenen Geweben. Bei diesen werden Muskel-, Fett- und/oder Hautgewebe, meist vom Bauch, Rücken oder Oberschenkel entnommen und in die Brust eingesetzt. Abwehrreaktionen wie gesteigertes Bindegewebswachstum treten dann nicht auf. Ein möglicherweise notwendiger Wechsel eines gealterten Implantates entfällt, und auch spätere Bestrahlungen bereiten keine Schwierigkeiten.
Allerdings sind Operationen zum Brustaufbau mit körpereigenen Geweben deutlich aufwendiger als das Einbringen von Silikonimplantaten. Auch die Heilung dauert länger. Mit Schwierigkeiten müssen die Chirurgen zuweilen bei sehr schlanken Frauen rechnen. Bei ihnen müssen sie mangels ausreichenden Körperfetts vermehrt auf Muskelmasse zurückgreifen. An der Entnahmestelle des Gewebes an Bauch oder Rücken können neben unschönen Narben Probleme beim Bewegen auftreten, wenn ein Teil des Muskelgewebes fehlt.
Brustaufbau gelingt auch mit Körperfett
Reizvoll erscheint da eine Operationsmethode, bei der ausschließlich – meist überschüssiges – Fett abgesaugt und zum Brustaufbau eingesetzt wird. Dieses Verfahren wurde in Deutschland allerdings erst sehr selten und dann meist im Rahmen von Studien eingesetzt. Bisherigen Einzelfallbeschreibungen zufolge sind mehrfache Injektionen notwendig, da der Organismus einen Teil des Fetts wieder abbaut. Langzeiterfahrungen fehlen noch.
Doch nicht jede Frau wünscht eine plastisch-chirurgische Rekonstruktion der Brust, sei es aus Angst vor weiteren Operationen, Misstrauen gegenüber Implantat-Materialien oder aus anderen Gründen. Während viele Patientinnen Brust-Prothesen, die in den BH eingelegt werden, bald nach einer Amputation der Brust verwenden, entscheiden sich einige, dies auch weiterhin zu tun und auf Operationen zur Rekonstruktion der Brust zu verzichten. Diese Prothesen bestehen wie viele Implantate aus Silikongel-Kissen. Sie werden in spezielle BHs eingelegt und können auch bei körperlicher Arbeit, beim Sport oder Schwimmen getragen werden, da das flexible Material sich den Bewegungen anpasst. /
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