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Melatonin

Taktgeber der inneren Uhr

Datum 09.01.2015  14:21 Uhr

Von Maria Pues, Köln / Gerät die innere Uhr aus dem Takt, stört dies nicht nur den erholsamen Nachtschlaf. Alle Zellen des Körpers leben im Wechsel von Aktivität und Ruhe. Kommen sie aus dem Rhythmus, können beispielsweise Stoffwechselerkrankungen entstehen. Melatonin spielt hier als Taktgeber eine zentrale Rolle.

Nicht nur eine innere Uhr, sondern gleich mehrere, die miteinander vernetzt sind, regulieren unter anderem Stoffwechselvorgänge und den Schlaf-wach-Rhythmus des Körpers. Die Zusammenhänge und mögliche Folgen von Störungen erläuterte Professor Dr. Henrik Oster von der Universität zu Lübeck auf der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Köln. Schlafen und Wachen, Hormonproduktion und Zellzyklen – sie alle werden von den inneren Taktgebern im Gehirn gesteuert. Aber auch in den Zellen von Leber, Herz und (Neben-) Nieren gibt es innere Uhren. Sie besitzen einen eigenen Rhythmus, der sich auch einstellt, wenn man dem Wechsel von Hell und Dunkel nicht ausgesetzt ist. Dies zeigten zum Beispiel die Experimente im Andechser Bunker, bei denen Probanden ohne äußeren Zeitgeber lebten.

Im Alltag erfolgt die Synchronisa­tion der zahlreichen Uhren üblicherweise mit dem Wechsel der Tageszeiten. Der Grund für die Uhrenvielfalt im Körper: Er könne sich so an wechselnde Umweltbedingungen anpassen, erläuterte der Referent weiter. Der Fachbegriff hierfür heißt Plastizität. Wird die zirkadiane Rhythmik gestört – etwa bei Schichtarbeitern – oder kommen die molekularen Uhren in wichtigen Geweben aus dem Takt, so entwickelt der Körper beispielsweise zu ungünstigen Zeiten großen Appetit. Dies kann metabolische Erkrankungen fördern. So konnte im Tierversuch an Mäusen mit einem Night-Eating-Syndrome ein Defekt an der Adipozyten-Uhr nachgewiesen werden. Bei ihnen sei die zirkadiane Regulation der Lipolyse in Adipozyten gestört, so der Referent weiter. Nahrungsaufnahme in der Ruhephase führt bei diesen Mäusen zu einer erheblichen Gewichtszunahme.

Rhythmus aus dem Takt

Je nach Schlafstörung benötigt der Patient eine spezifische Therapie. Insgesamt rund 80 Arten von Schlafstörungen listet die internationale Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD) in den drei Hauptgruppen Dyssomnien, Parasomien und Schlafstörungen bei körperlichen und psychiatrischen Erkrankungen auf.

Schlafforscher unterscheiden verschiedene Kategorien von Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus’. So können diese beim Betroffenen selbst liegen und/oder durch äußere Einflüsse hervorgerufen werden. Ist der komplette Ablauf der Phasen nach hinten verschoben, spricht man von einem verzögerten Schlafphasensyndrom; dabei handelt es sich um den Extremfall einer »Eule«, also eines Abendtyps. Dieser wird später müde als der Durchschnitt und kommt morgens später auf Trab. Den umgekehrten Fall einer extre­men »Lerche«, also eines Morgentyps, nennt man vorverlagertes Schlafphasensyndrom. Bei beiden handelt es sich nicht um Krankheiten. Allerdings können Betroffene ein erhebliches Schlafdefizit ansammeln, wenn sie in einem ihnen nicht entsprechenden Tagesrhythmus leben müssen. Auch bestimmte Erkrankungen des Gehirns oder äußere Lebensumstände können zu einem extrem unregelmäßigen Schlaf-wach-Muster führen.

Zwar einen regelmäßigen, aber verschobenen Rhythmus haben Personen mit einem sogenannten freilaufenden Rhythmus. Bei ihnen ist der Rhythmus länger als 24 Stunden. So fallen Schlafphasen nach einiger Zeit in die hellen Stunden und Aktivitätsphasen in die Nacht. Dies betrifft häufig Blinde, denen der äußere Taktgeber durch das Tageslicht fehlt. Gut bekannt ist eine Schlafstörung bei Zeitzonenwechsel, der Jetlag, sowie eine Störung durch ungewöhnliche Arbeitszeiten wie Schichtarbeit. Auch Patienten mit Morbus Alzheimer leiden häufig an Schlafstörungen. Bei ihnen führen Verkalkungen im Bereich der Zirbeldrüse zu den meist gefürchteten nächtlichen Aktivitäten.

Arznei und Nahrungs­ergänzungsmittel

Eine zentrale Rolle bei der Regula­tion von Schlafen und Wachzeit spielt Melatonin, das Hormon der Zirbeldrüse. Der Körper bildet es während der Nacht selbst. Am Tag ist durch den Lichteinfluss die Ausschüttung gehemmt. Melatonin kann man inzwischen auch von außen zuführen. In Deutschland ist es als rezeptpflichtiges Arzneimittel im Handel, in den USA ist es als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Nicht nur der Zulassungsstatus unterscheidet sich. Das hierzulande erhältliche Arzneimittel Circadin® enthält 2 mg Melatonin in retardierter Form. Es ist laut Fachinformation zur kurzzeitigen Behandlung einer primären, durch schlechte Schlafqualität gekennzeichneten Insomnie bei Patienten ab 55 Jahren zugelassen. Nahrungsergänzungsmittel enthalten meist geringere Mengen des Hormons. Bekannt wurde die Substanz vor etlichen Jahren, als meist USA-Reisende sie als Mittel gegen Jetlag begeistert lobten. Andere sind bis heute skeptisch, ob sie ein Hormon aus dem Supermarkt überhaupt einnehmen möchten.

»Melatonin ist kein Schlafmittel«, betonte Dr. Dieter Kunz von der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin. Ein Schlafmittel sei eine Substanz, die die Zeit bis zum Einschlafen verkürzt, nächtliche Wachzeiten verringert und die Schlafzeit verlängert. Die Qualität und die Funktion des Schlafs würden dabei jedoch meist nicht berücksichtigt, erläuterte er.

»Melatonin wirkt auf die innere Uhr«, so Kunz. Es habe eine spezifische Wirkung auf die zirkadiane Komponente des Schlafes, aber es wirke nicht direkt schlafanstoßend. So könne man von Melatonin keine sofortige Wirkung erwarten, wie Patienten sie etwa von Benzodiazepinen kennen. Dies müsse man ihnen erklären, um falschen Erwartungen vorzubeugen, etwa wenn diese von einem Benzodiazepin auf Melatonin umgestellt würden.

Gegenteilige Wirkung

Den Tag zur Nacht machen kann man mit Melatonin nicht. Denn auch die Rezeptoren, an denen Melatonin wirkt, unterliegen einer zirkadianen Rhythmik. Zur falschen Zeit eingenommen, habe Melatonin Anwender auch schon wach statt schläfrig gemacht, berichtete Kunz. Korrekt angewendet kann das Hormon jedoch einem aus dem Takt geratenen Schlaf seinen Rhythmus wiedergeben, indem es die Phasen bis zu einem gewissen Grad verschiebt. Zum Beispiel Betroffenen, die vor Mitternacht auch durch Änderungen des Lebensstils nicht müde werden, signalisiert die Melatonin-Gabe: Draußen ist es dunkel, Systeme runterfahren und auf Regeneration schalten. Bei Patienten mit Diabetes und/oder Bluthochdruck habe man beobachtet, dass sich auch Blutzucker- und Blutdruckwerte mit dem Schlafrhythmus verbesserten. Kunz folgerte: »Da kommt möglicherweise mehr in Ordnung als der Schlaf.«

Patienten sollten Melatonin nach der letzten Mahlzeit circa ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen einnehmen. Wichtig für die Wirkung sei, dass Melatonin stets zur gleichen Zeit eingenommen werde, betonte er. Falls dies nicht möglich sei, sollte Patienten die Einnahme besser aussetzen. Da Melatonin langfristig wirke, müssten dann keine negativen Effekte befürchtet werden. Auch die in der Fachinformation genannten Studien zeigten, dass Probanden, die drei Wochen lang Melatonin bekommen hatten, auch drei Monate später nach Absetzen des Arzneimittels noch gut schliefen. /

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