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Alkoholabhängigkeit

Arzneimittel gegen die Sucht

Datum 24.04.2008  09:43 Uhr

Alkoholabhängigkeit

Arzneimittel gegen die Sucht

Hildegard Tischer, Wiesbaden

Medikamente können Alkoholabhängigen helfen, nicht wieder rückfällig zu werden. Doch die meisten Arzneimittel setzen noch nicht gezielt genug an. Wie die bekannten Substanzen wirken und was sich in der Therapie verbessern muss, erläuterte der Suchtforscher Professor Dr. Falk Kiefer auf dem Internistenkongress in Wiesbaden.

Ungefähr 3 Prozent der erwachsenen Deutschen sind alkoholabhängig, die meisten davon Männer. Die Sucht beeinträchtigt nicht nur das Leben des Süchtigen selbst, sie belastet seine Familie, erhöht das Unfallrisiko und führt zu Arbeitsausfällen. Und sie verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Eine Suchtbehandlung erhielten weniger als 10 Prozent der Alkoholabhängigen, beklagte Kiefer, Professor für Suchtforschung an der Universität Heidelberg und stellvertretender ärztlicher Direktor am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, auf dem Internistenkongress. Immerhin 55 bis 60 Prozent der Alkoholabhängigen gelänge es, nach der Suchtbehandlung wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Allerdings würden 40 bis 60 Prozent der trockenen Alkoholiker innerhalb von ein bis zwei Jahren rückfällig. Um Rückfälle zu reduzieren, eignen sich neben psycho-sozialen therapeutischen Maßnahmen auch Medikamente. Der am häufigsten eingesetzte Wirkstoff ist das seit zehn Jahren in Deutschland zugelassene Acamprosat (Campral®). Es dämpft die bei Alkoholismus erhöhte Aktivität des glutamatergen Systems und mindert damit das Craving, das unwiderstehliche Verlangen nach Alkohol. Über einen anderen Mechanismus wirkt der Opiatantagonist Naltrexon (Nemexin®, Nalorex®). Er ist in Deutschland zur Behandlung Heroinsüchtiger zugelassen. Nach eigenem Ermessen könne der Arzt ihn aber im Off-Label-Use auch Alkoholkranken verordnen, so Kiefer. Naltrexon mindere die angenehme Wirkung von Alkohol, so dass der Anreiz zum Trinken sinke. Das Trinken lohnt sich einfach nicht mehr. Beide Medikamente könnten laut Kiefer auch kombiniert werden. Es deute einiges darauf hin, dass sich die Wirkung der beiden addiert.

Ein in Deutschland kaum noch verordneter Wirkstoff zur Rückfallprophylaxe, das Disulfiram (Antabus®), sollte laut Kiefer neu bewertet werden. Es gebe Hinweise, dass Disulfiram Rückfälle besser verhindere als andere Arzneistoffe, deshalb verdiene es Beachtung. Generell könnten Arzneimittel jedoch keine Wunder vollbringen.

Längst nicht alle Alkoholiker würden auf die medikamentöse Therapie ansprechen, schränkte der Suchtexperte ein. In der Tat zeigte eine Meta-Analyse von Susanne Rösner, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medizinischen Fakultät der Universität München, dass Acamprosat das Rückfallrisiko um 16 Prozent senkt, Naltrexon um 21 Prozent. Bei den einzelnen ausgewerteten Studien lagen die Prozentzahlen sowohl höher als auch niedriger.

Doch trotz der Unsicherheit, ob die Medikamente bei einem Patienten wirkten oder nicht, könne er die Zurückhaltung der Ärzte nicht nachvollziehen, so Kiefer. Auch sei ihm unverständlich, dass einem Großteil der Patienten Acamprosat, obgleich voll erstattungsfähig, nur auf Privatrezept verordnet wird. Er vermutet, dass Ärzte die Alkoholabhängigkeit in erster Linie als psychosoziales Problem betrachten. Der Ansatz, die Krankheit mit Arzneimitteln zu behandeln, leuchte vielen deshalb zunächst nicht ein. 

Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung gezielterer Pharmaka hält Kiefer es für wichtig, Untergruppen innerhalb der Alkoholpatienten zu definieren. So seien an der Entstehung der Sucht unterschiedliche, auch genetische Faktoren, beteiligt, die es zu entschlüsseln gelte. Es habe sich gezeigt, dass Patienten mit familiärer Vorbelastung und einem frühen Erkrankungsbeginn besser auf Medikamente ansprächen als andere. Aktuelle Studien versuchen, besonders geeignete Untergruppen zu identifizieren, um dann in Zukunft den Erfolg der medikamentösen Rückfallprophylaxe weiter steigern zu können. Zur Erkennung genetischer Varianten seien bildgebende Verfahren ein vielversprechender Ansatz. 

Ergänzt werden sollte die medikamentöse Behandlung durch den Besuch von Selbsthilfegruppen, idealerweise auch durch ambulante suchtspezifische Therapien, wie sie zum Beispiel von Suchtberatungsstellen angeboten werden, riet der Suchtforscher.

 

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
hildegard.tischer(at)arcor.de

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