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Immunthrombozytopenie

Akutzeichen blaue Flecken

Datum 27.04.2010  09:35 Uhr

Immunthrombozytopenie

Akutzeichen blaue Flecken

von Iris Priebe

Wer sich an einem harten Gegenstand stößt, kennt die Folge: Kleinste Blutgefäße reißen und führen zu Blutungen in der Haut. Kurz darauf bilden sich blaue Flecken, die nach wenigen Tagen wieder verblassen. Treten sie jedoch in großer Anzahl und ohne ersichtlichen Grund auf, kann dies auf eine seltene Blutgerinnungsstörung hindeuten.

Unangemessen große blaue Flecken (Hämatome) nach leichten Stößen oder auch ungewöhnlich lange Blutungen nach kleinen Schürf- oder Schnittverletzungen können ebenfalls Anzeichen für die seltene Krankheit Immunthrombozytopenie, kurz ITP, sein. Zu den weiteren Symptomen gehören rötlich-braune, flohstichartige Flecken (Petechien) am ganzen Körper oder konzentriert an den Beinen sowie spontanes Nasen- oder Zahnfleischbluten und manchmal auch Blutbläschen im Mund. Frauen, die an ITP leiden, haben darüber ­hinaus häufig eine stärkere und länger andauernde Regelblutung.

Seltene Erkrankung

In Deutschland erkranken schätzungsweise jährlich rund 500 bis 1000 Kinder und 1300 bis 2000 Erwachsene an ITP, die auch idiopathische thrombozytopenische Purpurea sowie neuerdings Immunthrombozytopenie genannt wird oder Morbus Werlhof nach ihrem Entdecker Paul Gottlieb Werlhof (1699 bis 1767). Bei ITP richtet sich das Immunsystem gegen die körpereigenen Thrombozyten.

Die Ursache der Erkrankung ist nicht abschließend geklärt. Bekannt ist jedoch, dass eine zu geringe Thrombozytenzahl die Blutungsneigung begünstigt. Thrombozyten spielen eine maßgebende Rolle bei der Blutgerinnung. Ohne die Blutplättchen würde sich bei Verletzungen kein Thrombus bilden, und der Betroffene würde verbluten. 

Die Diagnose der ITP wird anhand der Thrombozytenzahl je Mikroliter Blut gestellt. Dabei unterscheiden Mediziner zwischen drei unterschiedlichen Schweregraden: Werte zwischen 150 000 bis 50 000/µl stehen für eine milde ITP, die mittelschwere ITP liegt bei 50 000 bis 20 000/µl und die schwere ITP liegt bei weniger als 20 000 Thrombozyten/µl vor. Das Blut eines Gesunden enthält zwischen 150 000 und 450 000 Blutplättchen pro Mikroliter.

Zu kurze Lebensdauer

Die Immunthrombozytopenie verursacht keine spürbaren Beschwerden. Die Patienten fühlen sich in der Regel gesund und leistungsfähig, sodass sie Hinweise wie lang andauernde Blutungen nach einer Verletzung häufig nicht ernst nehmen. Dennoch läuft in ihrem Organismus etwas grundsätzlich aus dem Ruder: Das Immunsystem bildet fälschlicherweise Antikörper gegen körpereigene Thrombozyten. Sobald sich die Autoantikörper an die Blutplättchen heften, werden diese über den Blutkreislauf zur Milz transportiert und dort vorzeitig von Fresszellen (Makrophagen) abgebaut. Die übliche Lebensdauer von Thrombozyten liegt bei bis zu zwölf Tagen, bevor sie aus dem Blut entfernt werden. Bei ITP-Kranken ist diese Zeit ex­trem verkürzt: Bereits einige Stunden, nachdem die Blutplättchen frisch in den Blutkreislauf eintreten, werden sie markiert, zerstört und entfernt.

Darüber hi­naus zeigt sich bei ungefähr 40 Prozent der Patienten, dass die Neubildung der Thrombozyten im Knochenmark gestört ist: Einige Patienten bilden verstärkt Thrombozyten, um den Mangel wieder auszugleichen, andere Patienten produzieren dagegen eine deutlich verminderte Zahl. 

Von einer akuten ITP sprechen Mediziner, wenn der Thrombozytenmangel noch keine sechs Monate besteht. Verlaufsformen, die darüber hinaus anhalten und sich nicht wieder zurückbilden, werden als chronisch eingestuft. Doch auch bei Patienten mit chronischer ITP schwankt die Thrombozytenzahl, zeitweilig ist sie normal, dann wieder erniedrigt. Eine spontane oder dauerhafte Heilung tritt nur selten auf. Im schlimmsten Fall kann es auch zu inneren Blutungen in den Organen und im Gehirn kommen, die zum Teil lebensbedrohlich verlaufen.

Den Verdacht auf ITP erhärtet eine labor­diagnostische Blutbestimmung. Zunächst ermittelt das Labor die Thrombozytenzahl. »Mit dem sich anschließenden MAIPA-Test (= Monoclonal Antibody Immobilisation of Platelet Antigens) gelingt es bei immerhin 50 Prozent der Fälle glykoproteinspe­zifische Autoantikörper, die für die ITP verantwortlich sind, nachzuweisen«, erklärt Dr. Katharina Madlener von der Kerkhoff-Klinik Bad Nauheim. Fällt das Ergebnis negativ aus, kann den Betroffenen zur weiteren Abklärung und um andere Erkrankungen auszuschließen (Ausschlussdiagnose) Knochenmark entnommen werden. Dann wird anschließend der Zustand der Mega­karyozyten bewertet, die die Thrombozyten produzieren.

Cortisoltherapie

Nach einer positiven Diagnose stehen unterschiedliche Behandlungsstrategien zur Verfügung. Das Ziel der Therapie ist, die Thrombozytenzahl anzuheben. Bisher ist der Einsatz von Glucocorticoiden, zunächst intravenös, später durch perorale Gabe, gängige Medikation zur Behandlung nicht lebensbedrohlicher Blutungen und von Patienten mit einer Thrombozytenzahl unter 30 000/µl. Die Glucocorticoide hemmen die Immunreaktionen (Immunsuppression) und damit den Abbau der Blutplättchen. Die Wirkung hält jedoch manchmal nur einige Wochen an. 

Reicht die Gabe von Glucocorticoiden nicht aus, kommen intravenös zu verabreichende Immunglobuline zum Einsatz. Diese Eiweiße bildet der Organismus auch selbst zur Abwehr körperfremder Substanzen. Auf welche Weise Immunglobuline auf die ITP wirken, ist nicht abschließend geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass sie den Abbau der mit Autoantikörper beladenen Thrombozyten verhindern und so die Blutplättchenzahl ansteigen lassen. 

Greifen diese Arzneimittel nicht, besteht noch die Option, die Milz als Hauptabbauort der Thrombozyten operativ zu entfernen (Splenektomie). Die Milz ist das Filterorgan für ausgediente Blutbestandteile, Keime und Krankheitserreger. Aus diesem Grund müssen Vor- und Nachteile ihrer Entfernung gut abgewogen werden. 

Neue Medikamente

Inwieweit diese Maßnahmen in der Zukunft noch eine Rolle spielen, wird sich zeigen. Denn eine neue Generation von Medikamenten soll die Produktion der Thrombozyten ankurbeln und durch den Nachschub den steten Abbau ausgleichen. Thrombozyten entstehen aus Megakaryozyten im Knochenmark. Gesteuert wird die Bildung über das Wachstumshormon Thrombopoetin. Die neuen Arzneimittel binden wie Thrombopoetin an denselben Rezeptor auf der Oberfläche von Megakaryozyten und regen diese zur Bildung ­neuer Blutplättchen an. Zu dieser Arzneistoffgruppe gehören die Orphan Drugs Romi­plostim (Nplate®) und Eltrombopag (Revolade®). Sie werden eingesetzt bei erwachsenen Patienten mit ITP, die auf die konventionellen Therapien nicht oder ungenügend reagieren, oder bei denen eine Splenektomie kontraindiziert ist.

Romiplostim ist seit Mai 2009 auf dem Markt. Nplate® ist ein Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung, die sich die Patienten einmal wöchentlich nach Schulung durch den behandelnden Arztes subkutan spritzen. Das seit Anfang März 2010 zugelassene Eltrombopag ermöglicht dagegen eine orale Therapie. Die Dosierung beträgt ein bis drei Tabletten am Tag und wird vom Arzt auf Basis der Thrombozytenzahl individuell festgelegt.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
irispriebe(at)gmx.de

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