Eine Betroffene berichtet |
27.04.2010 09:46 Uhr |
Eine Betroffene berichtet
PTA-Forum / Marion Hass ist Gründerin der Selbsthilfegruppe »Morbus-Werlhof«. PTA-Forum hat die engagierte ITP-Patientin zu ihren Erfahrungen mit der Krankheit befragt.
PTA-Forum: Hat sich seit der Diagnose ITP der Alltag für Sie verändert?
Hass: Ja, deutlich. Ich habe mich mit dem Krankheitsbild massiv auseinandergesetzt, gehe regelmäßig zur Blutkontrolle, achte bei medizinischen Eingriffen darauf, dass die medizinische Notversorgung gewährleistet ist, kurz: Ich wurde zu einem mündigen Patienten. Leider gibt es nur wenige Ärzte, die mir meine Fragen beantworten und mir hilfreich zur Seite stehen.
PTA-Forum: Haben Sie Ihre Aktivitäten aus Angst vor Verletzungen stark reduziert?
Hass: Da 1982 kaum Informationen über ITP existierten, änderte ich nichts. Beruflich war ich weiterhin im europäischen Ausland unterwegs, privat unternahm ich Reisen in den Himalaya, nach Afrika und Spitzbergen. Jedoch habe ich immer ein Notfall-Set bei mir sowie eine ITP-Notfallkarte. Außerdem höre ich auf meinen Körper und verhalte mich entsprechend.
PTA-Forum: Wie niedrig war bei Entdeckung der ITP Ihre Thrombozytenzahl und welche Therapie stand danach an?
Hass: Die Thrombozyten betrugen damals 11 000 pro Mikroliter. Mir wurde sofort die Milz entfernt. Danach konnte ich zwei Jahre ohne Medikamente leben. Dann pendelten sich die Thrombozyten auf Werte zwischen 30 000 und 50 000 pro Mikroliter ein, weswegen mir mein Hämatologe ein Cortison-Präparat verschrieb.
PTA-Forum: Was haben diese Maßnahmen bewirkt?
Hass: Für mich persönlich nichts. Der Aufwand und die Kosten, die die Milz-Operation mit sich brachten, hätte die Krankenkasse sich und ich mir ersparen können. Nach 20 Jahren lehnte ich die weitere Einnahme von Cortison ab und therapiere seitdem mit alternativen Heilmethoden wie TCM, orthomolekularer Medizin und angepasster Ernährung. Heute bewegen sich meine Thrombozyten-Werte zwischen 230 000 und 270 000 pro Mikroliter.
PTA-Forum: Wie lange leben Sie inzwischen mit der Krankheit und wie fühlen Sie sich heute?
Hass: 1982 wurde ITP diagnostiziert, aber mit dem heutigen Wissen um die Anzeichen denke ich, dass ich seit mehr als 40 Jahren mit ITP lebe. In der Regel fühle ich mich wohl, trotz ITP. Jedoch treten immer neue Symptome auf, seitdem ich das 50. Lebensjahr überschritten habe. 90 Prozent der behandelnden Ärzte sind sie unbekannt. Häufig werde ich deswegen in die Psycho-Ecke abgestellt.
PTA-Forum: Wie gehen Sie inzwischen damit um – hat sich der Alltag normalisiert?
Hass: Die medizinische Unkenntnis und die menschliche Behandlung durch viele Ärzte sind sehr deprimierend. Demnach trage ich die Verantwortung für meinen Körper und den Umgang mit der Krankheit ganz allein. Inzwischen weiß ich sehr genau, was sich in meinem Körper abspielt und wie er sich verhält. Doch bei Neurologen, Orthopäden, Kardiologen stoße ich wiederholt auf großes Unverständnis. Von einem normalen Alltag kann also keine Rede sein.