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Chronisches Erschöpfungssyndrom

Mehr als nur Müdigkeit

27.04.2010  21:17 Uhr

Chronisches Erschöpfungssyndrom

Mehr als nur Müdigkeit

von Daniela Biermann

Der 12. Mai ist der Internationale Tag des Chronischen Erschöpfungssyndroms. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Krankheit, die Mediziner oft nicht erkennen und der die meisten Mitmenschen mit Unverständnis begegnen.

Das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS, vom Englischen Chronic Fatigue Syndrome) gibt den Medizinern Rätsel auf. Meist steht bleierne Müdigkeit im Vordergrund der Symptome. Viele Patienten schlafen mehr als 10 Stunden pro Nacht, empfinden den Schlaf jedoch nicht als erholsam. Jede Anstrengung kostet sie viel Kraft und verschlimmert ihren Zustand. In schweren Fällen können Betroffene ihren Alltag selbst nicht mehr regeln, verlassen das Haus nicht mehr, sogar das Zähneputzen und Essen wird für sie zur Herkules-Aufgabe. Daneben treten Hals-, Kopf-, Muskel- und ­Gelenkschmerzen auf, Gedächtnis und Konzentration sind beeinträchtigt. Die Lymphknoten schwellen immer wieder an, Sehstörungen, Schwindel, Fieber und Magen-Darm-Störungen machen ihnen zu schaffen. Außerdem erkanken die Betroffenen häufig an banalen Infekten wie Erkältungen.

Ratlose Ärzte

Die Diagnose steht für den Arzt erst dann fest, wenn andere mögliche Ursachen ausgeschlossen sind, zum Beispiel Krebs, Schilddrüsenunterfunktion und Autoimmunerkrankungen. Bis ein Mediziner die Krankheit endlich diagnostiziert, haben die Patienten häufig eine jahrelange Ärzte-Odyssee hinter sich. 

Experten in den USA schätzen die Zahl der Betroffenen auf über 1 Million in allen Bundesstaaten. Die Zahl müsste darüber liegen, denn laut Seuchenbehörde erhält nicht einmal jeder Fünfte eine Diagnose. Der deutsche Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom (Fatigatio e.V.) spricht von etwa 300 000 deutschen Betroffenen. Trotz dieser großen Zahlen ist CFS vielen Ärzten kein Begriff, geschweige denn der Bevölkerung. Daher leiden die Betroffenen unter mangelndem Verständnis, obwohl CFS eine medizinisch anerkannte Erkrankung ist.

Viren im Verdacht

Wer ständig müde ist, kann nur mutmaßen, was ihn so krank macht. Als psychisch krank wollen die meisten nicht bezeichnet werden. Und schon gar nicht als eingebildete Kranke. Gegen eine reine Psychosomatik spricht unter anderem, dass die ersten Symptome oft sehr plötzlich auftreten. Einige Patienten erholen sich nie mehr richtig von einem schweren Infekt, beispielsweise einer Grippe. Dies spricht für die derzeit gängigste Hypothese, dass ein Virus den Symptomenkomplex auslöst. Unter Verdacht stehen vor allem das Epstein-Barr-Virus, das Humane Herpes-Virus (HHV) Typ 6 und das 2006 entdeckte XMR-Virus (XMR steht für Xenotropic murine leukemia). Das Epstein-Barr-Virus gehört zur Gruppe der Herpesviren. Vor allem bei Jugendlichen verursacht es Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Es ist an der Entwicklung mancher Krebserkrankungen beteiligt und steht unter Verdacht, auch bei Erkrankungen des Immunsystems wie Multiple Sklerose eine Rolle zu spielen. HHV6 verursacht bei Säuglingen und Kleinkindern das »Dreitagefieber«. Typisch für Herpesviren ist, dass sie sich jahrelang in den Knotenpunkten der Nerven im Rückenmark, den Ganglien verstecken. Es wird vermutet, dass sie bei CFS-Kranken wieder aktiv werden.

Eine heftige Diskussion ist in den vergangenen Monaten um das XMR-Virus entbrannt. Es ähnelt Viren, die bei Mäusen Krebs auslösen. Im Oktober 2009 stellten Forscher vom US-amerikanischen Whittemore-Peterson-Institut im Fachblatt »Science« die These auf, dass diese Viren CFS auslösen könnten. Bei Blutuntersuchungen von CFS-Kranken hatten sie in 67 Prozent der Proben Spuren des Virus entdeckt. Im Januar 2010 gaben jedoch britische Wissenschaftler bekannt: Der Nachweis des Virus sei ihnen bei keinem von 186 Patienten gelungen. Beide Forschergruppen werfen sich nun Fehler in der Methodik vor. Einen eindeutigen Beleg für die An- oder Abwesenheit von XMRV bei CFS-Kranken gibt es derzeit nicht. Neben Viren werden noch andere Ursachen diskutiert, zum Beispiel Schwankungen im Hormonhaushalt, Autoimmundefekte, Umweltfaktoren und eine genetische Veranlagung.

Eine Therapie gibt es bislang nicht. Die Betroffenen sollten Anstrengung und Stress vermeiden. Ob Bewegung die Beschwerden lindert oder verstärkt, ist noch unklar. CFS-Kranke sollten sich gesund ernähren, eventuell sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll. Eine Verhaltenstherapie kann dazu beitragen, mit der Krankheit besser umzugehen. Da die Erkrankten körperlich stark eingeschränkt sind und sich oftmals sozial zurückziehen, sind sie depressionsgefährdet. Eine Depression ist jedoch nicht Ursache des CFS. Depressionen und andere Symptome wie Husten und Schmerzen können derzeit nur symptomatisch behandelt werden.

Geringe Heilungschancen

Da CFS die Erkrankten individuell sehr unterschiedlich einschränkt, sind auch die Chancen auf eine langfristige Besserung sehr verschieden. Manche Patienten bleiben bettlägerig, während andere mit der Zeit wieder arbeiten können. Die US-Seuchenbehörde spricht von Besserungsraten zwischen 8 und 63 Prozent. Im Schnitt verbessert sich der Zustand von 40 Prozent der Patienten. Vermutlich genesen nur 5 bis 10 Prozent komplett.

Viele Patienten geben trotzdem nicht auf, so wie die 30-jährige Melanie. Immer wenn es ihre Kräfte zulassen, spendet sie anderen über das Internet Trost und kämpft um die Anerkennung ihrer Erkrankung. Sie wünscht sich vor allem mehr Forschung in dem Bereich: »Was mir bei all den Arztbesuchen passiert ist, sollte nicht noch anderen passieren.«

Das Porträt von Melanie lesen Sie in der Pharmazeutischen Zeitung: Erschöpfungssyndrom: Ein guter Tag für Melanie, PZ 17/2010; externer Link.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
biermann(at)govi.de 

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