Wieder-Erwachen der Herpes-Viren |
25.03.2010 11:32 Uhr |
Wieder-Erwachen der Herpes-Viren
von Tanja Schweig
Meist völlig unbemerkt und schon in der frühen Kindheit nistet sich das Herpes-Virus in die menschlichen Nervenknoten ein. Durch bestimmte Reize wird es aktiviert, wandert in die Hautzellen und vermehrt sich dort rasend schnell: Erst dann bemerkt der Betroffene die Herpesinfektion.
Wenn infizierte Eltern mit ihrem Kind schmusen, übertragen sie unabsichtlich das Herpes-simplex-Virus. Zu diesem Zeitpunkt müssen sich noch nicht einmal die typischen Herpesbläschen an den Lippen zeigen, und trotzdem kann das Virus gerade aktiv sein und sich über die Schleimhäute ausbreiten. Aber auch Geschwister und Freunde reichen das Virus durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion weiter. Diese Erstinfektion verläuft bei 99 Prozent der Kinder völlig symptomlos.
Im Gegensatz dazu verbreitet sich der Genitalherpes über sexuelle Kontakte, sodass sich die meisten Menschen erst nach der Pubertät mit den Viren infizieren. Auch Herpes genitalis kann symptomlos verlaufen, sodass ihn die Infizierten vermutlich am häufigsten in beschwerdefreien Zeiten auf ihren Sexualpartner übertragen.
Herpes-Viren siedeln sich meist im Grenzbereich zwischen Haut und Schleimhaut an, entweder im Gesicht (Herpes labialis oder H. nasalis) oder an den Genitalien (Herpes genitalis). Virenforscher unterscheiden zwei Spezies: Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV 1) ist für die meisten Herpes-Infektionen im Gesicht oder auf den Lippen verantwortlich. Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV 2) verursacht die überwiegende Zahl der genitalen Herpes-Infektionen an Penis, Scheide oder im Analbereich. Aber auch HSV 1 löst ein Drittel der genitalen Herpes-Infektionen aus.
Immunschwäche ermöglicht Rezidiv
Weil die Erreger hoch infektiös sind, kommen fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens mit Herpes-Viren in Berührung. Die Viren stimulieren dann jedoch ihr Immunsystem nicht stark genug, damit es ausreichend Antikörper zu seiner Vernichtung bildet. Daher verbleiben nach der Erstinfektion immer einige Viren latent im Körper: Bei 90 Prozent aller Erwachsenen Herpes-Viren vom Typ 1, bei 10 bis 20 Prozent auch Viren vom Typ 2.
Die Viren »überleben« unbeschadet an den Nervenknoten. Nur wenn das Immunsystem geschwächt ist, wandern die Viren entlang der Nervenfasern, befallen die Hautzellen und vermehren sich dort explosionsartig. Die Auslöser eines derartigen Rezidivs listet Kasten. Wie oft und wie schwer Betroffene ein Rezidiv erleben, ist extrem unterschiedlich: Manche erkranken nie, andere äußerst selten, während wieder andere mit mehreren Attacken im Monat kämpfen. Wahrscheinlich limitiert sich Herpes über Jahre hinweg selbst, jedenfalls nimmt die Rezidivrate mit den Lebensjahren ab.
Zunächst bemerken Betroffene, dass eine Hautstelle an den Lippen oder in der Nase spannt, kribbelt, juckt oder brennt (Prodromalphase). Später rötet sich die Haut (Erythemphase), und es bilden sich kleine Erhebungen (Papulaphase). Schon nach einem bis zwei Tagen entwickeln sich Gruppen von Bläschen, deren Inhalt zunächst klar, nach wiederum einem bis zwei Tagen eitrig trüb erscheint. Wenn die Bläschen ab dem dritten Tag aufplatzen, bilden sich schmerzhafte Geschwüre (ulceröse Phase). Die Entzündungen trocknen, doch der frische Schorf reißt häufig auf, sodass die Stelle blutet. Später löst sich der Schorf und darunter erscheint eine leicht rosafarbene, empfindliche, trockene neue Haut (Abheilphase). Von der ersten Phase bis zum Abheilen vergehen zwischen 8 und 12 Tage.
Wichtig: Da der Inhalt der Bläschen infektiös ist, sollte niemand daran kratzen und die Hände nach einem Kontakt gründlich waschen. Außerdem sollten Freunde und Familienangehörige während dieser Zeit besonders auf Hygiene achten, damit sie sich nicht anstecken. Gläser und Besteck, aber auch Zahnbürste und Handtücher sollte man nicht untereinander tauschen und direkten Hautkontakt vermeiden. Ist der Herpes abgeheilt, sollten Handtücher und Bettwäsche gewaschen und die Zahnbürste erneuert werden. Wenn Herpes-Patienten einen Säugling versorgen, müssen sie sich vor jedem Anfassen gründlich die Hände waschen.
Reaktivierte Viren bekämpfen
Keine Therapie beseitigt die latent im Körper vorhandenen Viren. Derzeit können Arzneimittel lediglich die Vermehrung der Viren bremsen, nachdem diese aus dem Ruhestadium »erwacht« sind.
Manchen Betroffenen helfen Kompressen mit eiskaltem Wasser, um Juckreiz, Schmerz oder Schwellung einzudämmen. Oft lindern schon eine adstringierende Zinkschüttelmixtur oder weiche Zinkpaste die Beschwerden. Zur Frühbehandlung sind auch spezielle Präparate mit Zinksulfat oder einer Kombination aus Zinksulfat und Heparin auf dem Markt (siehe Tabelle unten). Zinkionen sollen antiviral wirken, indem sie sich an die Membranen der Herpes-Viren anlagern. Wichtig: Alle Produkte sollten die Patienten nur mit einem sauberen Finger auf die Lippen tupfen, noch besser mit einem frischen Wattestäbchen. Der Schorf im letzten Stadium lässt sich mit Vaseline aufweichen und ablösen.
Wirkstoff verbessert Heilung
Wer Lippenherpes mit wirkstoffhaltigen Cremes bekämpft, kann den Krankheitsverlauf durchschnittlich einen halben bis einen Tag verkürzen und die Symptome abmildern. Zur Behandlung stehen inzwischen mehrere rezeptfreie Präparate (siehe Tabelle) zur Verfügung. Die Wirkstoffe Aciclovir und Penciclovir hemmen in infizierten Hautzellen die Vermehrung der Viren. Daher muss der Patient die Präparate möglichst früh im Prodromalstadium auftragen und dann mehrere Tage weiterbehandeln. Penciclovir soll laut Aussage des Herstellers auch noch in der Bläschenphase wirksam sein.
Wirkstoff | Konzentration/Zubereitung | Anwendung am Tag | Handelsname |
---|---|---|---|
Aciclovir | 5%ige Creme | 5-mal (alle 4 Stunden tagsüber) | zum Beispiel Zovirax® |
Docosan-1-ol | 10%ige Creme | 5-mal (alle 3 Stunden tagsüber) | Erazaban® |
Foscarnet (Rp!) | 2%ige Cremre | mindestens 6-mal (alle 3 Stunden tagsüber) | Triapten® |
Melissenblätter-Trockenextrakt | 1%ige Creme | 2- bis 4-mal | Lomaherpan® |
Penciclovir | 1%ige Creme | mindestens 8-mal (alle 2 Stunden tagsüber) | Fenistil® Pencivir |
Tromantadin (Rp!) | 1%iges Gel | 3- bis 5-mal (auch öfter) | Viru-Merz® Serol |
Zinksulfat | 1%iges Gel | bis 4-mal | Virudermin® |
Zinksulfat-Heparin | 0,5%iges Gel mit 175 I.E. Heparin-Na | 3- bis 6-mal | Lipactin® |
Ein Präparat mit Docosan-1-ol kam 2008 neu auf den Markt. Der genaue antivirale Wirkmechanismus ist nicht bekannt. Auch diesen Arzneistoff müssen Patienten in der Prodromal- oder Erythremphase anwenden.
Präparate mit Tromantadin eignen sich nur für das Anfangsstadium der Herpesinfektion und sollen nicht mehr in der Bläschenphase aufgetragen werden, um Sensibilisierungen zu vermeiden. 1982 wurden Präparate mit Tromantadin der Verschreibungspflicht unterstellt, da sie zu Kontaktallergien führen können.
Seit wenigen Jahren sind hauchdünne, transparente Hydrokolloid-Pflaster gegen Lippenherpes (zum Beispiel Compeed Herpespflaster, Hansaplast® SOS Herpes Patch) auf dem Markt. Diese Pflaster können 8 Stunden und länger auf der Haut verbleiben und eignen sich für alle Phasen der Infektion. Sie schützen die Wunde vor Schmutz und anderen Errregern, sorgen für ein feuchtes Milieu zum Abheilen und beugen so der Narbenbildung vor. Vor allem »verstecken« sie die Bläschen; Kundinnen können über das Pflaster wie gewohnt ihr Make-up oder ihren Lippenstift auftragen. Einer klinischen Studie zufolge sollen die Pflaster genauso wirken wie eine 5-prozentige Aciclovir-Creme. Unerwünschte lokale Reaktionen unter dem Pflaster sind möglich.
Die Symptome des Genitalherpes treten 3 bis 10 Tage nach der Erstinfektion oder Reaktivierung auf. Wenn die Bläschen aufbrechen, können extrem schmerzhafte Geschwüre entstehen. Oft bereitet das Wasserlassen Beschwerden, sind die Lymphknoten in den Leisten angeschwollen, und die Betroffenen fühlen sich sehr geschwächt. Nach zwei bis drei Wochen heilt der Herpes von selbst ab.
Schmerzhafter Genitalherpes
Bei Verdacht auf Genitalherpes müssen PTA oder Apotheker die Patienten an den Arzt verweisen. Denn Betroffene sollten so rasch wie möglich Virostatika wie Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir einnehmen, am besten innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten von Symptomen und 5 Tage lang. Zusätzlich verordnet der Arzt den Patienten häufig Analgetika und Sitzbäder mit iodhaltigen Lösungen oder Eichenrindenextrakt.
Komplikationen durch Herpes-Viren sind selten, gegebenenfalls verlaufen sie dann aber oft schwer. Zum Beispiel können Viren die Augen befallen, bei Neurodermitikern ein schweres Hautekzem (Ekzema herpeticatum) verursachen oder sich auf der Mundschleimhaut ausbreiten. Diese sehr schmerzhafte Gingivostomatitis herpetica setzt vor allem Kleinkindern heftig zu und sollte frühstmöglich mit einer Aciclovir-Suspension behandelt werden. Zusätzlich können die Kleinen den Mund mit Kamillentee oder Hexetidin-Lösung spülen. In der Akutphase können die Kinder nur noch flüssige Kost zu sich nehmen.
Eine gefürchtete Komplikation des Herpes genitalis ist die Übertragung der Viren auf das ungeborene oder neugeborene Kind während Schwangerschaft und Geburt. Neugeborene können an einer Herpes-Sepsis oder Herpes-Enzephalitis erkranken und daran sogar sterben. Das Risiko der Virusübertragung ist am höchsten, wenn die Erstinfektion der Mutter am oder nahe dem Geburtstermin liegt. Dagegen scheint ein Rezidiv während der Schwangerschaft keine Komplikationen zu machen und selbst zum Zeitpunkt der Geburt das Neugeborene kaum gefährden.
Vorbeugen ist möglich
Was können Betroffene tun, um Rezidive eines Lippenherpes zu verhindern? Eigentlich helfen alle Maßnahmen, die das Immunsystem stärken: ausreichend schlafen, emotionalen Stress reduzieren, sich täglich mindestens 20 bis 30 Minuten bewegen, sich ausgewogen ernähren, wenig Alkohol trinken und nicht rauchen. Zudem empfiehlt es sich, besonders während des Urlaubes in den Bergen oder am Meer, einen Sunblocker auf die Lippen aufzutragen.
Vor einer Ansteckung mit Genitalherpes schützen Kondome; während eines akuten Rezidives sollten man auf Geschlechtsverkehr verzichten.
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