Bereitschaft der Bürger erhöhen |
23.03.2012 16:58 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Alle Fraktionen des Bundestages haben sich nach jahrelanger Debatte auf eine Neuregelung der Organspende geeinigt: Künftig werden die Krankenkassen alle Bürger befragen, ob diese bereit sind, nach dem Tod Organe zu spenden.
Eine solche Einigung ist in der Politik selten: Die Fraktionen aller im Bundestag vertretenen Parteien haben gemeinsam einen Kompromiss zur Frage der Organspende gefunden. In Deutschland soll demnach künftig die sogenannte Entscheidungslösung gelten. In regelmäßigen Abständen erhalten alle Versicherten, sobald sie über 16 Jahre alt sind, Post von ihrer Krankenkasse. Darin werden sie über die Organspende informiert und zu einer Erklärung aufgefordert. Wählen können die Bürger zwischen den Antworten »ja«, »nein« und »ich weiß nicht«. Dem Anschreiben soll auch ein Spendeausweis beiliegen. Einen Zwang zur Entscheidung soll es aber nicht geben. Wer will, kann den Brief ungelesen wegwerfen.
Derzeit gilt in Deutschland die sogenannte Zustimmungslösung. Danach wird nur derjenige zum Organspender, der dies ausdrücklich in einem Spendeausweis festgehalten hat. Liegt kein entsprechendes Dokument vor, müssen die Angehörigen über eine Organentnahme entscheiden. Rund 12 000 Menschen warten hierzulande auf ein Spenderorgan, jedes Jahr sterben rund 1100 von ihnen, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist. Obwohl laut Umfragen drei von vier Deutschen der Organspende grundsätzlich positiv gegenüberstehen, besitzt nur etwa jeder Vierte einen Spendeausweis. Seit Langem wird daher diskutiert, wie sich diese Lücke schließen lässt.
Bewusstsein schaffen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), bezeichnete die nun erzielte Einigung als Durchbruch. »Wir schaffen die Voraussetzungen, um die Bereitschaft für mehr Organspenden in Deutschland zu erhöhen«, sagte er. Auch Linken-Gesundheitsexpertin Martina Bunge sagte, mit dem neuen Gesetz werde die Organspende mehr ins Bewusstsein der Menschen rücken. Bereits in diesem Jahr sollen die Kassen ihre Mitglieder erstmals anschreiben und um eine Erklärung bitten, ein weiteres Mal in zwei Jahren. Ab 2017 sollen sich die Krankenkassen dann alle fünf Jahre bei ihren Versicherten melden. Das Gleiche gilt für die privaten Krankenversicherer.
Darüber hinaus sollen die Behörden Informationen zur Organspende ausgeben, wenn sie amtliche Ausweise wie Reisepass oder Führerschein ausstellen. Wichtig an der Neuregelung sei, dass niemand zur Entscheidung gezwungen wird, betonte Spahn. »Es geht nicht um Zwang, sondern darum, die Menschen von der Notwendigkeit zur Organspende zu überzeugen.« Wie bisher kann man die Spendebereitschaft auf einem Organspendeausweis festhalten. Zudem soll die Erklärung auf Wunsch auch auf der Elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden können, sobald dies technisch möglich ist.
Bereits im November hatten sich die fünf Bundestagsfraktionen auf die Grundzüge der jetzt vorliegenden Entscheidungslösung geeinigt. Bis zuletzt gab es jedoch Streit um Detailfragen. So wollten die Sozialdemokraten eigentlich verbindlichere Regeln einführen, die stärker eine Erklärung einfordern. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch unter anderem am Widerstrand der FDP. Dennoch zeigte sich SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann zufrieden mit dem Kompromiss. »Dass alle Fraktionsvorsitzenden sich gemeinsam für die Organspende einsetzen, ist ein starkes Signal«, sagte sie.
Freiwilligkeit wichtig
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, lobte die Einigung. Es sei wichtig, dass die Entscheidung zur Organspende freiwillig bleiben soll, sagte er. Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) geht das Gesetz hingegen nicht weit genug. Er forderte Regelungen auch für diejenigen, die sich zur Organspende nicht erklären wollen. In diesem Fall solle automatisch die sogenannte Widerspruchslösung gelten, sagte Grüttner. Danach wird jeder zum Organspender, der sich nicht ausdrücklich dagegen ausspricht. /
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