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Wadenkrämpfe

Heftig aber meist harmlos

23.03.2012  16:47 Uhr

Von Maria Pues / Sportler kennen sie, Schwangere ebenfalls, und auch Senioren bleiben häufig von Wadenkrämpfen nicht verschont. Alle Betroffenen benötigen eine differenzierte Beratung von PTA oder Apotheker.

Fast immer treten die starken Schmerzen plötzlich nachts im Wadenmuskel auf – manchmal auch im Fuß. Schätzungen zufolge erleben rund 40 Prozent der Bevölkerung diese heftigen Beschwerden mindestens einmal im Leben. Fehlgeleitete elektrische Impulse verursachen die Symptome.

Dass sie vor allem in Waden- und Fußmuskulatur auftreten, führen Experten darauf zurück, dass es sich bei diesen um sogenannte tonische, langsam kontrahierende Typ-1-Faser-Muskeln handelt. Diese reagieren besonders sensibel auf derartige Erregung.

Trotz ihrer Intensität sind die Beschwerden in den meisten Fällen harmloser Natur. Häufig führen Verschiebungen im Elektrolytgleichgewicht zu Nervenreizen, die den Muskel rasch und krampfartig kontrahieren lassen. Mediziner sprechen von einer neurogenen Ursache: Der Krampf wird in bestimmten Nervenfasern innerhalb des Muskels ausgelöst.

Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Dehnungsrezeptoren in Muskeln und Sehnen am Krampfgeschehen beteiligt sind. Die Messung der elektrischen Impulse, die mit der Reizweiterleitung verbunden sind, zeigt zahlreiche Entladungen von Aktionspotenzialen in sehr rascher Folge.

Mögliche Ursachen für Wadenkrämpfe

  • Volumenmangel
  • Natriummangel
  • Urämie
  • Schwangerschaft
  • Hypothyreose
  • Hyperurikämie
  • Medikamente (siehe Extrakasten)
  • Neurologische Grunderkrankungen mit spastischer Tonuserhöhung

Wadenkrämpfe sind eine der wenigen Eigendiagnosen von Patienten, an deren Richtigkeit PTA und Apotheker kaum Zweifel haben müssen. Außerdem sind Wadenkrämpfe trotz des plötzlich auftretenden heftigen Schmerzes in den allermeisten Fällen harmloser Natur. Ein einfacher Fall also? Mitnichten. Die Gleichung Wadenkrampf = Magnesiummangel geht zwar oft auf, aber eben nicht immer. Ungewohnte Belastungen, Fehlstellungen und falsches Schuhwerk kommen als Auslöser ebenso infrage wie Erbrechen, Durchfall oder Arzneimittel (siehe Kasten). Eine umfassende Beratung und ein paar Extratipps können Patienten davon überzeugen, auch mit scheinbar einfachen Problemen besser in der Apotheke um Rat zu fragen, als sich am Drogerie- oder Supermarktregal selbst zu bedienen. Drei Beispiele aus dem Apothekenalltag sollen dies verdeutlichen.

Schwangere: ­Magnesium ergänzen

Eine Schwangere, 27 Jahre, klagt über nächtliche Wadenkrämpfe. Sie ist zwar blass, erklärt jedoch, dass bei ihr keine Grunderkrankungen vorliegen. Auf die Frage nach ihrer Ernährung erklärt die werdende Mutter, dass sie ganz bewusst ihre Lebensmittel auswählt und viel Gemüse, Beerenobst, Vollkornbrot und Haferflocken isst. Allerdings machten ihr derzeit manchmal Übelkeit und Erbrechen zu schaffen. Neben dem Rat, ihrem Frauenarzt von diesen Beschwerden zu berichten, kann ihr die Ergänzung ihrer Magnesiumzufuhr empfohlen werden, vorzugsweise mit einem niedrig dosierten Präparat, das mehrmals täglich anzuwenden ist. Zwar ziehen die meisten Menschen eine einmalige Einnahme vor, doch im Fall der jungen Frau vermindert die häufigere Gabe die Gefahr, dass sie einen großen Teil der Einmaldosis erbricht. Außerdem kann die werdende Mutter auf diese Weise die Magnesiumdosis ihrer Ernährung anpassen und so die Gefahr einer Überdosierung und der damit verbundenen weichen Stühle beziehungsweise Durchfall vermindern.

In medizinischen Leitlinien hat der Einsatz von Magnesium bei Wadenkrämpfen in der Schwangerschaft den höchsten Evidenzgrad. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt werdenden Müttern pro Tag ­ 310 mg Magnesium. Diese Dosis liegt nur geringfügig über der allgemeinen Empfehlung für Frauen ab 25 Jahren mit 300 mg täglich, Schwangeren unter 19 Jahren mit 350 mg, Stillenden mit 390 mg Magnesium am Tag.

Arzneimittel, die zu Waden­krämpfen führen können

  • Beta-Blocker
  • Theophyllin
  • Terbutalin
  • Salbutamol
  • Neuroleptika
  • Isoniazid
  • Orale Kontrazeptiva
  • Morphinpräparate
  • Steroide
  • Diuretika

Auch passt die häufigere Gabe kleinerer Dosierungen besser zur Resorption des Magnesiums. Magnesium wird über die gesamte Strecke des Dünndarms zum einen passiv mit dem Wasser und zum anderen aktiv mittels eines Transporters in den Körper aufgenommen. Bei steigender Zufuhr verschlechtert sich die Resorption, zu hohe Dosen passieren den Darm und werden ausgeschieden. Das Anion des Magnesiumsalzes spielt Studien zufolge für die Resorption praktisch keine Rolle, weil das Salz im oberen Dünndarm in seine Ionen zerfällt. Unabhängig vom Ausgangssalz ist das Magnesium-Ion dann von Wasser-Molekülen umgeben. Wichtig ist, dass sich das Magnesiumsalz im Magen-Darm-Trakt gut löst.

Sportler: Trinken und dehnen

Ein muskulöser Mann, Mitte 30, möchte Magnesium-Brausetabletten kaufen. Auf vorsichtige Nachfrage der PTA erklärt er, dass er neuerdings häufig kurz nach Trainingsbeginn einen Wadenkrampf bekomme. Grunderkrankungen sind ihm nicht bekannt. Laut DGE-Empfehlung liegt sein Magne­sium-Bedarf bei 350 mg täglich. Auch er berichtet, dass er sich gesundheitsbewusst und ausgewogen ernährt, allerdings habe er mit einem neuen Trainingsprogramm begonnen. Nach dem Winter im Fitnessstudio will er erstmalig an einem Marathon teilnehmen.

Neben der Trinkmenge sollte er auch den Trainingsplan kritisch prüfen. Den Tipp, die Belastung anfangs ein wenig zu reduzieren und mit Dehnungsübungen zu ergänzen, hören ambitionierte Hobbysportler meist ungern. Häufig hilft ihnen aber genau diese Strategie, denn so kann sich die Muskulatur den steigenden Belastungen anpassen und reagiert nicht mehr mit einem Krampf, der nicht nur schmerzt, sondern auch die Freude am Training empfindlich stört. Lockeres Warmlaufen, bevor es ans eigentliche Trainieren geht, bereitet die Muskulatur langsam auf die Belastung vor, insbesondere wenn man – wie der junge Mann erzählt – den ganzen Tag über auf einem Bürostuhl gesessen hat.

Massagen nach dem Training können außerdem dazu beitragen, das Risiko eines Wadenkrampfs zu vermindern. Auch das Schuhwerk gehört auf die Checkliste der Auslöser sowie die Füße selbst. Halten die Beschwerden trotz ausreichender Trink- und Magnesiummengen sowie trotz Dehnungsübungen und Warmlaufen an, sollte ein Orthopäde klären, ob Fehlstellungen des Bewegungsapparates zu den Beschwerden führen.

Senioren: Medikation prüfen

Wenn nicht die nächtlichen Wadenkrämpfe wären, ginge es ihr sehr gut, erklärt die 75-jährige Stammkundin. Sie leidet an Bluthochdruck und Asthma und hat wegen eines Atemwegsinfekts zwei Wochen das Haus gehütet. Endlich kann sie sich wieder um ihren Garten kümmern und freut sich über Spaziergänge, erzählt sie stolz. In ihrem Fall könnte neben zu geringen Trinkmengen wegen des nachlassenden Durstgefühls auch das überstandene Fieber die Wadenkrämpfe mit ausgelöst haben. Durch die erhöhte Körpertemperatur hat sie Flüssigkeit und Elektrolyte verloren, die es nun aufzufüllen gilt. Aber auch die nach Winter und Infekt ungewohnte Betätigung im Garten kommt als Auslöser infrage.

Einfache Dehnübung

Zunächst aufrecht hinstellen und den rechten Fuß einen Schritt vorsetzen. Dann mit geradem Oberkörper nach vorne beugen. Wer möchte, kann sich dabei zum Beispiel an einer Stuhllehne festhalten oder an einer Wand abstützen. Dabei das vordere, rechte Knie beugen. Der hintere, linke Fuß muss flach auf dem Boden stehen und das Bein gerade bleiben, die Ferse »in den Boden« drücken. Schön langsam und nur so weit dehnen, bis in der hinteren Wade ein leichter Zug zu spüren ist. Nicht wippen oder federn. Die Dehnung einige Sekunden halten, dann langsam wieder lösen.

Danach die gleiche Übung mit dem anderen Bein ausführen.

Halten die Beschwerden trotz ausreichender Trinkmengen und physikalischer Maßnahmen wie dehnen und massieren an, muss die ältere Dame ihren Arzt aufsuchen. Nicht zuletzt ist immer zu bedenken, dass ältere Menschen meist zahlreiche Arzneimittel einnehmen. Also muss auch die Medikation überprüft werden. Keinesfalls darf sie die Dauermedikation eigenmächtig verändern.

Ob sich Chininsulfat im Einzelfall für ältere Patienten eignet, sollte der Arzt entscheiden. Zwar ist die Wirksamkeit der Substanz bei Wadenkrämpfen erwiesen, doch zu den seltenen, aber schwerwiegenden Neben- und Wechselwirkungen gehören Herz-Rhythmus-Störungen oder Thrombozytopenie. Die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA hat im Dezember 2006 den Verkehr aller frei verkäuf­lichen, chininhaltigen Präparate untersagt und hält den Einsatz bei Muskelkrämpfen aufgrund der möglichen, schweren Nebenwirkungen für nicht mehr vertretbar. Eine Zulassung besitzt dieser Wirkstoff in den USA nur noch zur Malariabehandlung. Hierzulande ist Chininsulfat rezeptfrei erhältlich. In ihren Leitlinien zur Behandlung von Wadenkrämpfen hat die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) den Evidenzgrad allerdings von »A« auf »B« herabgestuft. Sie empfiehlt zunächst einen Behandlungsversuch mit ein- bis dreimal täglich 5 Millimol Magnesium oral als (Hydrogen-)Aspartat, Orotat oder Oxid.

Ein Tipp für alle

Bei einem akuten Wadenkrampf hilft die »Gegenspannung«, das heißt: im Liegen oder Stehen die Ferse fest von sich weg oder »in den Boden« drücken und die Zehen gleichzeitig zu sich hinziehen. Anschließend lindern Massagen die Missempfindungen. Um erneuten Wadenkrämpfen vorzubeugen, eignen sich oft einfache Dehnungsübungen. Nicht nur, wer beim Sport unter Wadenkrämpfen leidet, profitiert von ihnen vor und nach dem Training. Auch ungeübte Senioren können viele Übungen leicht ausführen. Wichtig ist, dass sie diese regelmäßig wiederholen. /

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