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Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im März 2012

23.03.2012  16:56 Uhr

Von Sven Siebenand / Zwei neue Wirkstoffe sind im März auf den deutschen Markt gekommen. Beide Substanzen werden bei Krebs eingesetzt. Vemurafenib ermöglicht eine personalisierte Therapie bei schwarzem Hautkrebs, Vandetanib ist eine neue Therapieop­tion bei einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs.

Am schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom, erkranken in Deutschland jährlich mehr als 15.000 Menschen. Der gefährlichste Hauttumor entsteht, wenn pigmentbildende Hautzellen (Melanozyten) zu bösartigen Tumorzellen mutieren. Als größter Risikofaktor gilt übermäßige Bestrahlung mit UV-Licht, zum Beispiel durch intensive Sonnenbäder.

Bei 15 bis 20 Prozent der Betroffenen wird dieser Krebs erst in einem späten Stadium entdeckt. Dann leben die Patienten meist nur noch sechs bis neun Monate. Wird der Krebs hingegen frühzeitig erkannt, ist er fast immer heilbar. Deshalb sollte jeder seinen Körper regelmäßig auf Auffälligkeiten untersuchen. Wichtig zu wissen: Schwarzer Hautkrebs tritt überall am Körper auf, auch unter den Fußsohlen, den Fuß- oder Fingernägeln und im Genitalbereich. Hautärzte kontrollieren daher auffällige Hautveränderungen am ganzen Körper. Ab dem 35. Lebensjahr übernehmen die Krankenkassen alle zwei Jahre die Kosten solcher Vorsorgeuntersuchungen.

Neues Arzneimittel gegen Hautkrebs

Mit Vemurafenib (Zelboraf® 240 mg Filmtabletten, Roche Pharma) ist seit Mitte März eine neue Therapieoption auf dem deutschen Markt verfügbar. Sie steht jenen Melanompatienten offen, bei denen ein bestimmtes Gen der Tumorzellen verändert ist. Bei etwa der Hälfte der Patienten liegt diese sogenannte BRAF-V600-Mutation vor, die mithilfe eines Gentests nachgewiesen werden kann. Erstmals zieht damit die personalisierte Medizin in die Hautkrebsbehandlung ein.

Das BRAF-Protein regt in der Krebszelle als Teil einer Signalkette das Zellwachstum an und steuert es. Ist es genetisch verändert, teilen sich die Krebszellen unkontrolliert, der Tumor wächst. Vemurafenib blockiert gezielt die Weiterleitung der Signale im Zellinneren. Dadurch kann das Tumorwachstum gebremst oder gar gestoppt werden.

Die empfohlene Dosierung beträgt zweimal täglich vier Tabletten zu je 240 mg. Die Patienten sollten die vier Tabletten jeweils im Zwölfstundenabstand einnehmen. Vergessen sie eine Dosis, können sie diese noch bis zu vier Stunden vor der nächsten nehmen und so das zweimal tägliche Einnahmeschema beibehalten.

Die Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis der Tumor wieder wächst oder – wie es der Hersteller in der Fachinformation formuliert – bis inakzeptable Toxizitäten auftreten. Die möglichen Nebenwirkungen betreffen in erster Linie die Haut. Bei manchen Patienten entstehen zum Beispiel gutartige Hautwucherungen, sogenannte Keratoakanthome, die sich aber durch einen Eingriff entfernen lassen. Zudem sind die Patienten während der Therapie mit Vemurafenib sehr lichtempfindlich. PTA und Apotheker können ihnen daher raten, beim Aufenthalt im Freien die Haut besonders zu schützen, zum Beispiel durch das Auftragen einer Sonnencreme mit sehr hohem Lichtschutzfaktor. Sehr häufig berichteten die Pa­tienten während der Einnahme von Vemurafenib über verminderten Appetit, Husten, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen.

Ärzte müssen sowohl Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen als auch Patienten mit mittlerer bis schwerer Leberfunktionsstörung engmaschig überwachen. Vor und während einer Behandlung mit Vemurafenib müssen bei allen Patienten ein Elektrokardiogramm (EKG) und eine Elek­trolytbestimmung erfolgen, weil eine QT-Verlängerung unter Vemurafenib möglich ist. Diese kann zu Herzrhythmusstörungen führen.

Auch in Sachen Wechselwirkungen gibt es in der Apotheke einiges zu beachten. Der neue Arzneistoff kann die Wirkung von vorwiegend über CYP1A2-metabolisierten Arzneimitteln erhöhen und die Verfügbarkeit von vorwiegend über CYP3A4-metobolisierten Arzneimitteln, einschließlich oraler Kontrazeptiva, verringern. Ferner können bestimmte Arzneimittel wie Rifampicin, Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut-Präparate die Wirksamkeit des Krebsmittels beeinträchtigen und sollten daher nach Möglichkeit vermieden werden.

Neues Mittel bei ­Schild­drüsenkrebs

In Europa erkranken jährlich etwa 48 000 Patienten an Schilddrüsenkrebs. Ärzte unterscheiden hierbei vier Arten. Am häufigsten kommen papil­läre und follikuläre Schilddrüsenkarzinome vor, anaplastische und medulläre deutlich seltener. Etwa 5 bis 10 Prozent der Karzinome gehören zum medul­lären Typ. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom (MTC) stammt im Unterschied zu den papillären und follikulären Typen nicht aus der Schilddrüsenzelle selbst, sondern aus spezialisierten Zellen zwischen den eigentlichen Schilddrüsenzellen.

Seit Mitte März steht mit Vandetanib (Caprelsa® 100 mg/ 300 mg Filmtabletten, AstraZeneca) ein neuer Wirkstoff zur Behandlung des MTC, das nicht operativ entfernt werden kann, lokal fortgeschritten ist oder bereits Metastasen gebildet hat, zur Verfügung. In der Fachinformation weist der Hersteller ausdrücklich darauf hin, dass – im Hinblick auf mögliche Risiken dieser Therapie – die Behandlung mit Vandetanib auf Patienten beschränkt ist, deren Erkrankung symptomatisch-­aggressiv verläuft.

Vandetanib ist ein sogenannter Multityrosinkinase-Inhibitor. Kinasen sind Phosphatreste übertragende Enzyme. Auf zwei unterschiedlichen Wegen richtet die Substanz etwas gegen den Krebs aus: Indem sie den sogenannten VEGF-2 Rezeptor hemmt, wird die Blutversorgung des Tumors (Angioneogenese) beeinträchtigt. Zudem verringert sie die Überlebensdauer und das unkontrollierte Wachstum der ­Tumorzellen, indem sie bestimmte ­Signalwege (unter anderem der Rezeptoren EGF und RET) blockiert.

Die empfohlene Dosierung ist 300 mg Vandetanib oral einmal pro Tag. Die Behandlung kann so lange fortgesetzt werden, bis die Patienten nicht mehr davon profitieren. Patienten mit Schluckbeschwerden können die Tablette in einem halben Glas kohlesäurefreiem Wasser circa zehn Minuten dispergieren und danach die trübe Mischung sofort trinken. Tablettenreste werden erneut mit einem halben Glas Wasser gemischt und getrunken.

Die Liste möglicher Nebenwirkungen von Vandetanib ist lang. Sehr häufig traten zum Beispiel Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Bluthochdruck und Erkrankungen der Haut auf. Aufgrund des Risikos für phototoxische Reaktionen sollten die Patienten bei Aufenthalten im Freien auf entsprechenden Sonnenschutz achten. Besonderes Augenmerk gilt der möglichen Verlängerung des QT-Intervalls. Aus diesem Grund sollte der behandelnde Arzt bei den Patienten auch während der Therapie mit Vandetanib regelmäßig ein EKG durchführen.

Die gleichzeitige Anwendung von anderen Medikamenten, die die QT-Zeit verlängern und/oder Torsade de pointes (eine besondere Form der Tachykardie) induzieren, ist nicht erlaubt. Dazu zählen arsenhaltige Arzneimittel, Cisaprid, Toremifen, Mizolastin sowie Moxifloxacin und bestimmte Antiarrhythmika. Auch sollte Vandetanib nicht mit starken CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Johanniskraut und Carbamazepin kombiniert werden.

Ärzte sollten die Substanz Patienten mit schweren Störungen der Nieren- und Leberfunktion nicht verordnen. In der Stillzeit ist die Therapie mit Vandetanib immer tabu. /

E-Mail-Adresse des Verfassers

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