Ab durch die Mitte |
20.02.2018 11:11 Uhr |
Von Verena Arzbach / Nasalia wirken in der Regel lokal. Es gibt jedoch auch Präparate, bei denen systemisch wirksame Arzneistoffe über die Nase verabreicht werden. Das kann bei verschiedenen Erkrankungen von Vorteil sein.
Als Applikationsort hat die Nase einige Vorteile: Sie ist gut zugänglich, und das Verabreichen eines Nasensprays ist relativ bequem und einfach. Zwar bietet sie nur eine begrenzte Fläche zur Resorption von Wirkstoffen, und es kann nur ein geringes Volumen appliziert werden. Doch ist das Epithel der Nasenschleimhaut relativ dünn und von einem dichten Netz feiner Kapillargefäße durchzogen. Das heißt, Wirkstoffmoleküle, die nicht allzu groß, schwer oder besonders hydrophil sind, werden rasch über die Schleimhaut aufgenommen. Außerdem fehlt bei der nasalen Gabe der hepatische First-Pass-Effekt, Magen-Darm-Trakt und Leber werden also umgangen. Bei der Passage durch diese Organe gehen bei manchen Arzneistoffen relevante Mengen verloren, die eine entsprechend höhere Dosierung erforderlich machen.
Es handelt sich bei Nasalia in der Regel um wässrige Lösungen. Sie sollten zur Vermeidung einer Reizung der Nasenschleimhaut und Schädigung der Zilien möglichst isoton oder schwach hyperton sein und einen pH-Wert von 6,5 bis 7,6 aufweisen. Eine galenische Herausforderung, besonders bei der Formulierung systemisch wirksamer Zubereitungen: Aufgrund der mukoziliären Clearance muss eine genügend lange Verweildauer am Applikationsort erzeugt werden. Das lässt sich beispielsweise über eine Viskositätserhöhung erreichen, etwa durch den Zusatz von Methylcellulose oder Polyacrylsäure.
Überwiegend werden Nasalia zur lokalen Therapie eingesetzt, zum Beispiel in Form abschwellender Nasentropfen und -sprays, als Glucocorticoid-Zubereitungen oder als pflegende Nasensalben. Daneben gibt es aber auch einige systemisch wirksame Formulierungen, die per Nasenspray verabreicht werden. Besonders Peptide und Proteine eignen sich für diese Applikationsroute. Eine wichtige Voraussetzung ist auch, dass das therapeutische Fenster des Wirkstoffs ausreichend groß ist. Denn meist ist die Bioverfügbarkeit in der systemischen Zirkulation nach der nasalen Applikation relativ gering. Wirkstoffe, die als Nasenspray verfügbar sind, sind etwa Calcitonin zur Osteoporose-Therapie, Nafarelin bei Endometriose beziehungsweise zur In-vitro-Fertilisation, das Opioid Fentanyl zur Schmerztherapie und der Grippeimpfstoff Fluenz®. Sumatriptan und Zolmitriptan sind ebenfalls als Nasensprays erhältlich. Sie sind eine gute Alternative für Migränepatienten, die perorale Darreichungsformen wegen Übelkeit und Erbrechen während einer Migräneattacke nicht einnehmen können.
Patienten sollten bei der Anwendung entsprechender Nasensprays die Dosiersprühpumpe jeweils kurz und kräftig drücken, bis zum Anschlag oder bis ein Klicklaut ertönt. Andernfalls ist der Sprühstoß eventuell zu niedrig dosiert. Einige Hersteller empfehlen, während des Sprühens leicht durch die Nase einzuatmen, danach durch den Mund wieder auszuatmen. Das ungenutzte Nasenloch kann während des Einsprühens mit einem Finger verschlossen werden. Nach dem Sprühen sollte der Patient den Oberkörper mindestens eine Minute aufrechthalten. Angebrochene Sprühflaschen sollten aufrecht stehend gelagert und nicht allzu stark geschüttelt werden. Sonst kann Luft in den Ansaugschlauch gelangen und Dosierfehler hervorrufen.
Nicht nur in der Medizin, auch bei der missbräuchlichen Anwendung stimulierender Substanzen ist die Applikation über die Nase, das Schnupfen oder Schniefen, ein beliebter Weg des Konsums. Unter anderem Kokain, Crystal Meth, Heroin und nicht zuletzt Tabak werden geschnupft, um eine schnell einsetzende systemische Wirkung zu erzielen.
Das birgt – neben den generellen Gefahren des Drogenmissbrauchs – das Risiko körperlicher Schäden. Der häufige, dauerhafte Konsum von Drogen über die Nase kann die Schleimhäute schädigen. Es kommt vor allem bei Kokain-Konsumierenden mitunter zu schwer heilenden Entzündungen der Nasenschleimhaut, in Extremfällen können Perforationen oder Durchlöcherungen der Nasenscheidewand auftreten. Außerdem stecken sich Verwender beim Schnupfen etwa mit gemeinsam verwendeten Hilfsmitteln wie Geldscheinen oder Röhrchen leichter mit Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder Herpes an.
Von der Nase ins Gehirn
Neben der Resorption über die Nasenschleimhaut können Wirkstoffe auch direkt über den Trigeminus- und den Riechnerv ins Gehirn transportiert werden. Die Regio olfactoria, die Riechzone der Nasenschleimhaut, liegt im oberen Bereich der Nasenhöhle. Dort ist das Gehirn nur durch einen Knochen, das Siebbein, und einige Zellschichten der Schleimhaut von der Außenwelt getrennt. Über die Fasern des Riechnervs (Nervus olfactorius), die das Siebbein durchziehen, können beispielsweise Arzneistoffe schnell ins Zentralnervensystem gelangen, die auf anderem Wege von der Blut-Hirn-Schranke abgehalten würden.
Bislang gibt es noch keine zugelassenen Wirkstoffe, die diese Nase-Hirn-Route nutzen. Interessant wäre dieser Applikationsweg vor allem für Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose. Erforscht wird diese Applikationsroute auch bei Insulin, das aufgrund seiner zentralnervös stimulierenden Wirkung bei Morbus Alzheimer infrage kommen könnte. Ebenso werden unter anderem der mögliche Einsatz des Hormons Leptin bei Adipositas und Naloxon bei Opiat-Überdosierung untersucht. /