Die Narbe bleibt, auch wenn die Wunde heilt |
21.04.2011 14:47 Uhr |
Von Maria Pues / »Die Zeit heilt alle Wunden.« Leider gilt dieser Spruch nur für kleine Verletzungen. Manche hinterlassen bleibende Spuren, auf die Betroffene gerne verzichten würden. Lassen sich Narben überhaupt verhindern oder zumindest verkleinern?
Schade, dass so etwas nur im Film funktioniert: Dr. Leonard McCoy, Arzt des Raumschiffs Enterprise mit Spitznamen »Pille«, beugt sich über einen Verletzten. Er bewegt ein Gerät über die blutende Stelle, das wie ein kleiner Deokristall mit Innenbeleuchtung aussieht. Schon verschwindet die Wunde vor den Augen von Arzt, Patient und Fernsehzuschauer. Und: Nichts bleibt zurück, gar nichts. Schon gar keine Narbe.
Die Realität sieht anders aus. Nach einer Verletzung setzt sofort die Blutgerinnung ein, damit sich die Wunde schnell verschließt. Unter der Borke bildet sich anschließend Bindegewebe in mehreren Schritten. Werden bei tiefen Verletzungen Muskel- und Nervenstränge durchtrennt, nimmt weniger ausdifferenziertes Gewebe ihren Platz ein. Das neue Bindegewebe entspricht in Aussehen und Funktion nicht dem umliegenden, ursprünglichen. Das heißt: Es bleiben Narben zurück, die noch nach Jahren erkennbar sind.
Narbengewebe ist anfangs meist rot, nach Monaten wird es zunehmend heller, oft sogar heller als das umgebende Gewebe. Mit der richtigen Behandlung wirken manche Narben später so unscheinbar, dass sie nur dadurch auffallen, weil sie im Sommer partout nicht bräunen.
Darüber hinaus bilden sich in Narben keine Talg- oder Schweißdrüsen aus, und auch Haare wachsen an diesen Stellen nicht. Da Narbengewebe weniger Kollagenfasern enthält, ist es zudem ziemlich unelastisch. Die genannten Kennzeichen haben alle Narben gemeinsam. Mediziner unterscheiden zusätzlich zwischen atrophen und hypertrophen Narben sowie Wulstnarben (Keloiden).
Manche Narben beurteilen Ärzte »nur« als kosmetisches Problem. Keloide zählen sie zu den krankhaften Narben, die immer einer medizinischen Behandlung bedürfen. Betroffene sehen das meist anders. Sie stören sich genauso an rein kosmetischen Narben. Mancher Frau ist die Freude am Bikini nachhaltig verdorben, falls nach einer endoskopischen Operation der Gallenblase gleich mehrere, wenn auch sehr kurze Narben, ihren Bauch zieren.
So ist es nur zu verständlich, dass immer wieder Kunden in der Apotheke nach einer Narbensalbe oder -creme fragen. Welche Form eine Narbe annimmt, ist kaum vorhersehbar. Zum einen hängt das davon ab, wie gut eine Wunde vernäht oder verbunden worden ist. Zum anderen spielt die Veranlagung eine Rolle.
Der Patient kann allerdings stets »für gute Bedingungen« der Wundheilung sorgen. Dazu benötigt er vor allem einen langen Atem, denn mit »einmal Salbe drauf und fertig« ist es nicht getan. Narben brauchen regelmäßige, tägliche Pflege über Monate hinweg. Und: Je früher diese beginnt, desto besser.
Narben geschmeidig halten
Narbengewebe neigt dazu, mit dem darunterliegenden Gewebe zu verwachsen. Manche Narben ziehen sich darüber hinaus zusammen. Beides schränkt die Beweglichkeit nach und nach ein. Zur Narbenbehandlung haben sich Arzneimittel (wie Contractubex® Gel) mit folgenden Inhaltstoffen bewährt:
Zur Narbenbehandlung sollten die Betroffenen das Präparat mindestens zweimal am Tag von der Mitte der Narbe aus mit kleinen kreisenden Bewegungen nach außen hin leicht einmassieren. Sind die Narben bereits älter oder verhärtet, eignet sich ein Salbenverband. Dabei wird ein Strang Narbengel auf die Narbe aufgetragen und mit einem Verband über Nacht abgedeckt. In Arztpraxen wird das Gel unter Anwendung eines Ultraschallkopfes einmassiert. Das beschleunigt die Wirkung, sodass schon nach etwa fünf Wochen deutliche Verbesserungen zu sehen sind.
Als erfolgreich hat sich auch der Einsatz von Silikonfolien, -pflastern oder -gelen erwiesen. Die Behandlung beginnt etwa zwei Wochen nach Abheilen der Wunde. Folie, Pflaster und Gele (wie Epiderm™, Xeragel™) decken das Narben- und umliegende Gewebe relativ dicht nach außen ab. Dies verhindert den Verlust an Hautfeuchtigkeit, was das Hautareal elastisch hält. Ob Pflaster aus Polyurethan (wie Hansaplast Narbenpflaster®) denselben Wirkmechanismus besitzen, wird vermutet, ist jedoch noch nicht geklärt.
Gewebe mechanisch abtragen
Medizinern stehen darüber hinaus weitere Verfahren zur Verfügung. Sie können zum Beispiel Corticosteroide in hypertrophe Narben und Keloide spritzen. In Einzelfällen verordnen sie auch Zytostatika zur lokalen Anwendung wie 5-Fluorouracil oder Bleomycin. Mit der Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff vereisen sie das überschießende Gewebe und tragen es nach und nach mechanisch ab. Zudem kommen Laser, chirugisches Abschleifen oder auch Operationen zum Einsatz, um Narbengewebe zu entfernen – allerdings mit dem Risiko, dass sich neues bildet.
Jeder Fachmann weiß: Es gibt kein Verfahren, das Narben vollkommen beseitigt. Man kann nur versuchen, sie durch frühzeitige Prophylaxe möglichst klein zu halten, und wenn sie schon bestehen zu verkleinern. Die Wirklichkeit kollidiert hier zuweilen hart mit manchen Kundenwünschen. Um Narben zumindest zeitweise optisch verschwinden zu lassen, können Patienten sie mit Camouflage überdecken. /