Zu viele Lipide im Blut |
21.04.2011 14:28 Uhr |
Von Andrea Nicolas / Enthält das Blut zu viele Fettpartikel, können sich diese an den Wänden der Adern ablagern. Dieser Prozess geht den meisten Erkrankungen des Herzens und der Gefäße voraus. Daher sollten PTA und Apotheker ihre Kunden darauf hinweisen, ihre Blutfettwerte kontrollieren zu lassen.
Das Cholesterol ist sicher die bekannteste Substanz unter den Blutfetten, für dessen Erforschung bereits viele Nobelpreise vergeben wurden. Die Substanz ist ein essenzieller Bestandteil der Zellmembranen, darüber hinaus auch die Ausgangssubstanz für die Synthese von Vitamin D, Gallensäuren, Nebennierenrinden- und Geschlechtshormonen. Auch wenn in Diskussionen das Augenmerk fast ausschließlich auf das mit der Nahrung zugeführte Cholesterol liegt, so produziert der menschliche Organismus die weitaus größte Menge selbst: ungefähr 90 Prozent, das heißt bei Erwachsenen 1 bis 2 g am Tag, während mit der Nahrung nur 0,1 bis 0,3 g in den Körper gelangen.
Jeder Überschuss an Cholesterol wird zur Leber transportiert, in Gallensäuren umgewandelt oder unverändert mit der Galle in den Darm ausgeschieden. Insgesamt speichert der Körper auf diese Weise rund 140 g Cholesterol. 25 bis 40 Prozent kreisen frei im Plasma und 60 bis 75 Prozent sind an ungesättigte Fettsäuren gebunden, genauer gesagt verestert. Bei einer Routinemessung in der Apotheke werden übrigens meist beide Formen bestimmt, also das sogenannte Gesamtcholesterol.
Triglyceride werden aus drei Fettsäureresten, die an ein Glycerinmolekül gebunden sind, gebildet. Rund 90 Prozent des Nahrungsfettes besteht aus solchen Triglyceriden. Nach ihrer Resorption werden auch sie im Blut transportiert, denn sie dienen als Energielieferant für bestimmte Zellen. Der Organismus speichert sie allerdings auch als sogenanntes Depotfett im Fettgewebe oder in der Leber.
Transport via Kügelchen
Da Blutfette kaum wasserlöslich sind, erfolgt ihr Transport im Plasma innerhalb von Transportvesikeln, den sogenannten Lipoproteinen. Die Lipoproteine aus Lipiden und Proteinen ordnen sich zu Kugeln an mit einem unpolaren Kern aus Cholesterolestern und Triglyceriden und einer zum wässrigen Blut gerichteten Hülle aus polaren Anteilen. Diese bestehen aus Protein, Phospholipiden und den Hydroxygruppen von unverestertem Cholesterol (siehe Grafik). Nach ihrer Dichte werden die Lipoproteine in verschiedene Klassen eingeteilt:
Der Hauptanteil des Cholesterols befindet sich in den LDL-Partikeln, der Rest in den HDL- und VLDL-Fraktionen. Die Chylomikronen enthalten nur geringe Mengen. Sie transportieren vor allem Triglyceride aus der Nahrung. Die VLDL-Vesikel enthalten die Triglyceride aus der Eigenproduktion des Körpers.
Meist Folge einer Fehlernährung
Bei den Fettstoffwechselstörungen unterscheiden Mediziner zwischen Hyper- und Dyslipoproteinämien. Bei der Hyperlipidämie sind einzelne oder alle Blutfettwerte im Serum erhöht, bei der Dyslipoproteinämie ist das Verhältnis zwischen freien Lipiden und den Lipoproteinklassen untereinander gestört. Häufig lassen sich bei Patienten Dys- und Hyperlipoproteinämien gleichzeitig feststellen. Da sich die Therapie beider Störungen aber nicht voneinander unterscheidet, ist die Diagnose für die Behandlung kaum relevant.
Hyper- und Dyslipoproteinämien werden anhand ihrer Entstehung in primäre und sekundäre Formen eingeteilt. Die primären Formen treten seltener auf, sie sind genetisch bedingt und heißen beispielsweise »primäre Hypercholesterolämie« oder »primäre Hypertriglyceridämie«. Führt eine andere Erkrankung an Nieren, Leber oder der Schilddrüse oder Diabetes mellitus, aber auch Fehlernährung und Alkoholmissbrauch zu Störungen des Fettstoffwechsels, werden diese zu den sekundären Formen gezählt.
Fettstoffwechselstörungen diagnostiziert der Arzt, nachdem ein Labor die einzelnen Lipid- beziehungsweise Lipoprotein-Konzentrationen bestimmt hat (Normwerte in Tabelle 1).
Zur Blutabnahme muss der Patient nüchtern sein, das heißt, er darf 14 Stunden zuvor weder gegessen noch Alkohol getrunken haben. Das Hauptaugenmerk des Arztes liegt auf den Werten für Cholesterol und Triglyceride im Serum. Er unterscheidet danach grob drei Arten von Fettstoffwechselstörungen (Tabelle 2).
In Deutschland ist die Hypercholesterolämie am weitesten verbreitet: Untersuchungen zufolge liegt bei 72,6 Prozent der erwachsenen Männer und bei 74,9 Prozent der Frauen der Cholesterolspiegel über 200 mg/dl. In den meisten Fällen sind mehrere Ursachen dafür verantwortlich, häufig ernähren sich die Betroffenen zu fett und bewegen sich zu wenig. Verlässliche epidemiologische Daten zur Hypertriglyceridämie liegen für Deutschland dagegen nicht vor. Ähnlich wie bei der Hypercholesterolämie kommen ein falsches Ernährungsverhalten und Übergewicht als Auslöser in Frage. Auch Alkoholabusus und das metabolische Syndrom spielen eine Rolle. Neben den erhöhten Bluttfettwerten sind reichlich Bauchfett, Bluthochdruck sowie eine Insulinresistenz die Kennzeichen des metabolischen Syndroms.
Messung des/der | Normwerte in mg/dl | Normwerte in mmol/l |
---|---|---|
Gesamtcholesterol | < 200 | < 5,16 |
HDL-Cholesterol | > 40 | > 1,03 |
Triglyceride | < 150 | < 1,70 |
Ist der Fettstoffwechsel gestört, entwickeln die meisten Patienten über kurz oder lang eine Atherosklerose. Laien sprechen von einer Verkalkung der Arterien. Das Problem dabei ist: Lange Zeit bemerken die Betroffenen ihre zu hohen Cholesterol- oder Triglyceridwerte nicht. Erst über Jahre hinweg stellen sich Probleme ein.
Folgen der Atherosklerose
Die Patienten erkranken dann zum Beispiel an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, einer koronaren Herzkrankheit, erleiden einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Es ist also nicht verwunderlich, dass Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Deutschland, aber auch weltweit die Krankheits- und Todesursachenstatistik anführen.
Erkrankung | Gesamtcholesterol mg/dl | Triglyceride mg/dl |
---|---|---|
Hypercholesterolämie | > 200 | < 150 |
Hypertriglyceridämie | < 200 | > 150 |
Kombinierte Hyperlipidämie | > 200 | > 150 |
Die Entstehung der Atherosklerose ist ein ausgesprochen komplexer Prozess. Bei der Hypercholesterolämie tragen die sehr zahlreichen LDL-Partikel im Plasma ganz wesentlich zur Bildung der atherosklerotischen Plaques bei. Ein hoher HDL-Wert von über 40 mg/dl hat eine gewisse Schutzwirkung vor diesem Prozess. Umgekehrt ist das Risiko für KHK bei Frauen wie Männern mit auffällig niedrigen HDL-Werten deutlich erhöht.
Die Entwicklung einer Atherosklerose hängt aber nicht ausschließlich von den Blutfettwerten ab. Auch viele andere Faktoren haben einen großen Einfluss, beispielsweise ob der Betroffene zusätzlich einen Diabetes mellitus oder Bluthochdruck hat oder Raucher ist (siehe Kasten "Risikofaktoren"). Die schädlichen Wirkungen addieren sich dabei nicht einfach nur, sondern das Risiko steigt mit jedem Faktor exponenziell an. Will man das atherogene beziehungsweise kardiovaskuläre Risiko für einen Patienten abschätzen, muss man daher die Gesamtsituation jedes einzelnen analysieren. Die Anzahl seiner Risikofaktoren bildet schließlich die Grundlage dafür, auf welche Konzentration seine Lipidwerte gesenkt werden müssen (siehe Tabelle 3).
Kardiovaskuläres Risiko | Zielwerte LDL-Cholesterol (mg/dl) | Zielwerte Triglyceride (mg/dl) |
---|---|---|
hohes Risiko | ||
periphere arterielle Verschlusskrankheit, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Herzinfarktpatienten | < 100 | < 150 |
mittleres bis mäßig erhöhtes Risiko | ||
2 oder mehr Risikofaktoren | < 130 | < 150 |
niedriges Risiko | ||
kein oder 1 Risikofaktor | < 160 | < 150 |
Patienten können mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen ihre Lipidwerte recht gut selbst beeinflussen. Zunächst müssen sie sorgfältig ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten analysieren. Wahrscheinlich müssen die meisten ihre Ernährung umstellen, regelmäßig körperlich trainieren und auf das Rauchen verzichten. Ziel aller Bemühungen ist, die erhöhten LDL-Cholesterol- und Triglycerid-Konzentrationen zu senken und den Wert für das HDL-Cholesterol im Plasma anzuheben.
Ernährung anpassen
Generell können PTA oder Apotheker folgende Empfehlungen aussprechen: Zunächst sollten sich Betroffene kalorien- und fettärmer als bisher ernähren. Auf gesättigte Fettsäuren aus tierischen Produkten wie Fleisch, Wurst, Butter, Käse sollten sie möglichst verzichten und Nahrungsmittel mit ein- oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren bevorzugen. Diese sind vor allem in pflanzlichen Fetten wie Oliven-, Distel- oder Sonnenblumenöl oder auch Fischen wie Kabeljau, Scholle, Forelle, Seelachs enthalten.
Außerdem sollten sie den Ballaststoffanteil ihrer Ernährung erhöhen und falls nötig abnehmen, denn beides verbessert die LDL-Werte. Um die HDL-Werte anzuheben, ist es hilfreich, Übergewicht abzubauen, aber auch mehr Sport zu treiben und nur wenig Alkohol zu konsumieren.
Menschen mit hohen Triglycerid-Werten sind gut beraten, wenn sie ihr Körpergewicht normalisieren und den Alkoholkonsum einschränken. Eine Zusammenfassung der Tipps enthält der folgende Kasten.
Bei erhöhtem LDL-Cholesterol
Bei Hypertriglyceridämie
Quelle: Lipid-Liga
Eventuell reichen diese Maßnahmen nicht, die Blutfettwerte ausreichend zu senken. Dann muss der Arzt zusätzlich Arzneimittel verordnen. Meistens wird das nötig, wenn der Patient schon an einer KHK erkrankt ist oder wenn er weitere Risikofaktoren aufweist. Patienten mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen profitieren sehr von einer LDL-senkenden Pharmakotherapie. Das ist durch Studien inzwischen abgesichert. Am häufigsten helfen ihnen Statine (auch CSE-Hemmer genannt, zum Beispiel Simvastatin, Pravastatin). Zur Therapie kommen auch andere Wirkstoffe in Frage wie Nikotinsäure, Fibrate, Austauscherharze oder Cholesterolresorptionshemmer wie Ezetimib. /
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V.
www.ernaehrung.de/tipps/fettstoffwechselstoerungen
Deutsches Ernährungsberatungs- und Informationsnetz (DEBInet)
www.khk.versorgungsleitlinie.de
Nationale Versorgungsleitlinie »Chronische KHK«
www.assmann-stiftung.de/stiftungsinstitut/procam-tests/procam-schnelltest-score
Mit dem PROCAM-Schnelltest können Frauen und Männer im Alter von 20 bis 75 Jahren ihr persönliches Risiko ermitteln, innerhalb der nächsten 10 Jahre einen Herzinfarkt zu bekommen.