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Raynaud-Syndrom

Erst weiß, dann blau, dann rot

20.04.2012  13:57 Uhr

Von Ute Koch / Der dreiphasige Farbwechsel von Fingern oder ­Zehen, schubartig ausgelöst durch Kälte oder Stress, ist charak­teristisch für das Raynaud-Syndrom. Diese häufige, aber trotzdem recht unbekannte Erkrankung basiert auf Durchblutungs­störungen, die als Folge gefäßschädigender Krankheiten oder ­Medikamente auftreten oder deren Ursache unbekannt ist.

Physiologisch gesehen ist es völlig normal, dass sich unter Kälteeinfluss die kleinen Gefäße der peripheren Gewebe verengen. Die daraus resultierende Minderdurchblutung bewahrt den Körper vor hohen Wärmeverlusten. Beim Raynaud-Syndrom hingegen ziehen sich die arteriellen Gefäßwände krampfartig zusammen (Vasospasmus). Dadurch wird die Durchblutung sehr stark und lange gedrosselt, was zu den charakteristischen Beschwerden führt. Der Name der Krankheit erinnert an den französischen Arzt Maurice Raynaud (1834 bis 1881), der im Jahr 1862 als Erster eine durch Kälte verursachte, anfallsartig auftretende Durchblutungsstörung der Finger beschrieb, die in drei sichtbaren Phasen verläuft: erst Blässe, danach Blau- und letztendlich Rotfärbung. Das Raynaud-Syndrom betrifft jedoch nicht nur die Finger, sondern ebenso – wenn auch seltener – die Zehen. In wenigen Fällen manifestiert sich das Beschwerdebild auch an anderen peripheren Körperstellen wie den Brustwarzen.

Tricolore-Phänomen

Die zu Beginn eines Raynaud-Anfalls blasse bis weiße Farbe der Haut ist Folge der Minderdurchblutung der Gefäße (Ischämie). Manche Patienten klagen gleichzeitig über Gefühllosigkeit und Schmerzen. Danach färben sich die betroffenen Areale blau (Zyanose), bedingt durch eine Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie). Im Anschluss folgt eine vermehrte Durchblutung (reaktive Hyperämie), die zur Rotfärbung führt und von Kribbeln und Klopfen begleitet wird. In Anlehnung an die drei Farben der französischen Flagge (blau-weiß-rot) heißt die Symptomatik auch Tricolore-Phänomen. Dieses ist ein wesentliches Diagnosekriterium.

Mediziner unterscheiden zwischen dem primären und dem sekundären Raynaud-Syndrom. Die primäre Form empfinden die Betroffenen zwar als sehr unangenehm, sie ist aber in der Regel harmlos. Bei der sekundären Form besteht die Gefahr, dass an den betroffenen Arealen Gewebe abstirbt – beispielsweise an den Fingerkuppen (Rattenbissnekrose).

Primär oder sekundär

Bei beiden Formen erhöht sich die Muskelspannung der Gefäßwände schub­artig – häufig ausgelöst durch Kälte, Nässe oder emotionalen Stress. Auch Menschen, die regelmäßig mit stark ­vibrierenden Geräten, zum Beispiel einem Presslufthammer, arbeiten, leiden häufig unter dem Raynaud-Syndrom. Schätzungsweise 7 Prozent der deutschen Bevölkerung sind an der primären Form erkrankt, deren Ursachen unbekannt sind. Gefäßschäden lassen sich nicht nachweisen. Daher sprechen Mediziner synonym vom idiopathischen oder funktionellen Raynaud-Syndrom. Für die primäre Form spricht das symmetrische Auftreten des Tricolore-Phänomens: beispielsweise an den Fingern beider Hände oder den Zehen beider Füße. Ein Zusammenhang mit hormonellen Faktoren wird diskutiert, weil Frauen sehr viel häufiger betroffen sind als Männer. Die erbliche Veranlagung scheint ebenfalls eine Rolle zu spielen.

Ursachen für das sekundäre Ray­naud-Syndrom sind nachweisbare Gefäßschädigungen infolge bestimmter Grunderkrankungen oder als Nebenwirkung einzelner Medikamente. So wird verständlich, dass Männer und Frauen gleichermaßen häufig betroffen sind. Zu den Krankheiten, die ein Raynaud-Syndrom verursachen können, gehören unter anderem rheumatologische Erkrankungen wie Sklerodermie oder systemischer Lupus erythematodes, Engpass-Syndrome wie das Karpaltunnel-Syndrom, die periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie hämatologische Erkrankungen wie die Thrombozytose. Zu den Medikamenten, die als Auslöser infrage kommen, zählen Betablocker, orale Kontrazeptiva sowie Zytostatika.

Für das primäre Raynaud-Syndrom existiert keine kausale Therapie, da seine Ursachen unbekannt sind. Beim sekundären Raynaud-Syndrom stehen hingegen die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung oder das Weglassen des auslösenden Medikamentes im Vordergrund. Beim primären Ray­naud-Syndrom sollen die Betroffenen möglichst die Auslöser meiden, beispielsweise kaltes Wasser, und sich im Winter durch warme Kleidung und Handwärmer in der Manteltasche ausreichend vor Kälte schützen. Wer Stress als Auslöser erkannt hat, sollte eine gezielte Entspannungsmethode, zum Beispiel autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, erlernen und regelmäßig anwenden. Da Rauchen als eigenständiger Risikofaktor für Durchblutungs­störungen gilt, sollte dieses unbedingt unterbleiben.

Bei akuten Beschwerden helfen Wärmeanwendungen mit warmem, jedoch nicht zu heißem Wasser. Außerdem sind Massagen und die aktive Bewegung der betroffenen Finger oder Zehen empfehlenswert. Führen prophylaktische und therapeutische Allgemeinmaßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg, kann der Arzt gefäßerweiternde Medikamente verordnen – etwa ein Nitrat (zum Beispiel Isosorbid-Dinitrat) oder einen Calciumantagonisten (zum Beispiel Nifedipin). Als letzte Möglichkeit kann ein Chirurg auch die für die Gefäßverengung verantwortlichen Nervenbahnen ausschalten (Sympathektomie). /

E-Mail-Adresse der Verfasserin

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