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Hauhechel

Hilfe für die Harnwege

Datum 20.04.2012  13:56 Uhr

Von Monika Schulte-Löbbert / Bereits in der Antike kannten die Menschen die harntreibende Wirkung der Hauhechelwurzel. In Kombination mit Orthosiphonblättern und Goldrutenkraut wird sie noch heute zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten eingesetzt.

Die Dornige Hauhechel mit der botanischen Bezeichnung »Ononis spinosa« gehört zur Familie der Schmetterlingsblütler, der Fabaceae. Ihre Heimat ist Europa und Westasien sowie Nordafrika. Die Pflanze bevorzugt sonnige Standorte mit mageren Lehm- und Kalkböden. Deshalb wächst sie gerne auf trockenen Weiden, brachliegenden Wiesen und an Wegböschungen, sogar bis auf 1500 Meter Höhe. Früher war die Hauhechel weit verbreitet. Heute sind ihre Bestände zwar noch nicht gefährdet, aber wegen Überdüngung zunehmend rückläufig.

Während der Blütezeit bietet die Hauhechel mit ihren zartrosa Schmetterlingsblüten einen wunderschönen Anblick. Doch wer sich ihr nähert, sollte vorsichtig sein: Die Pflanze hat kräftige Dornen, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Auf diese Dornen bezieht sich auch der deutsche Name: Bei einer Hechel handelt es sich um ein eggenartiges Gerät, mit dem früher Flachsfasern bearbeitet wurden. Auch der lateinische Begriff »spinosa« bedeutet »dornig« oder »stachelig«.

Ob sich »Ononis« von dem griechischen Wort »onos« für »Esel« ableitet, ist umstritten. Esel mögen die Pflanze wohl – trotz ihrer Dornen. Auch die Raupe eines kleinen blauen Schmetterlings, des Hauhechel-Bläulings, bevorzugt die Pflanze als Nahrungsquelle.

Volkstümliche Namen wie »Weiberkrieg« oder »Pflugsterz« weisen darauf hin, dass die Pflanze früher eine große Plage für jätende Frauen und Bauern war. Die spitzen Dornen verfingen sich leicht in den Röcken der Frauen. Bauern gruben die bis zu 50 Zentimeter tief in den Boden reichenden Wurzeln mühsam aus, da sie fürchteten, ihr Pflug könne daran Schaden nehmen.

Die Hauhechel ist ein bis zu 60 Zentimeter hoher Halbstrauch mit einer langen und kräftigen Pfahlwurzel. Die leicht rötlichen, behaarten Stängel wachsen meist aufrecht und verholzen teilweise. Sie sind mehr oder weniger dicht mit Kurztrieben besetzt, vor allem im oberen Teil laufen sie in gerade Dornen aus. Die unteren Blätter sind ähnlich wie beim Klee dreizählig gefiedert, die oberen Blätter kleiner und ungefiedert. Alle Blätter sind gezähnt und mit sehr feinen Drüsenhaaren besetzt.

Zur Blütezeit von Mai bis Oktober schmücken rosarote bis hellviolette Schmetterlingsblüten die Pflanze. Sie sitzen meist einzeln in den Blattachseln der Kurztriebe, die an Stängel- und Zweigenden entspringen. Hierdurch entsteht der Eindruck einer mäßig dichten Blütentraube. Im Herbst reifen die Blüten zu etwa ein bis zwei Zentimeter langen weich behaarten Hülsen heran. Die gesamte Pflanze riecht ziemlich unangenehm.

Wirkung ­erkannt

Bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. hat der griechische Naturforscher Theophrast (371 bis 287 v. Chr.) Hauhechel zum ersten Mal botanisch beschrieben und bezeichnete die Pflanze noch als lästiges Unkraut. Der griechische Arzt Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) kannte hingegen die harntreibende Wirkung ihrer Wurzel. In Essig gekocht, empfiehlt er sie auch als Mittel gegen Zahnschmerzen. Die diuretische Wirkung der Hauhechelwurzel war den Heilkundlern des ausgehenden Mittelalters ebenfalls bekannt. So schrieb Lonicerus (1528 bis 1586), ein deutscher Arzt und Naturforscher, in einem seiner Kräuterbücher: »Dieses Kraut ist der fürnehmsten Steinkräutern eines, so den Stein und Harn in Menschen und im Viehe austreiben, daher es auch Steinwurtzel genennet wird.« In der Volksmedizin wird die Wurzel auch bei Gicht und rheumatischen Beschwerden angewendet, vor allem aber als mildes Diuretikum.

Da die harntreibende Wirkung der Hauhechelwurzel viele Jahrhunderte bekannt war, trägt die Pflanze im Volksmund auch den Namen »Harnkraut«. Heute ist sie Bestandteil von Blasen- und Nierentees und harntreibenden Präparaten.

Droge aus Wildsammlungen

Nach dem Europäischen Arzneibuch (Ph.Eur. 7. Ausgabe, Grundwerk 2011) wird die ganze oder geschnittene, getrocknete Wurzel von Ononis spinosa L. verwendet. In der Monographie »Hauhechelwurzel – Ononis radix« lässt das Arzneibuch die Droge auf Identität und Reinheit prüfen, fordert aber keinen Gehaltsnachweis.

Die Wurzeln werden im März und April oder im September und Oktober ausgegraben und stammen aus Wildsammlungen in Südosteuropa. Die Wurzel wird ausgegraben, gewaschen, zerkleinert und getrocknet. Die frische Wurzel riecht sehr unangenehm.

Zu den Hauptinhaltsstoffen von Ononis radix zählen Isoflavonoide und Triterpene, vor allem α-Onocerin. Außerdem enthält sie Spinonin, ein Glucosid mit seltener Struktur, Medicarpin und kleine Mengen eines ungewöhnlich zusammengesetzten ätherischen Öles mit trans-Anethol, Carvon und Menthol.

Eines der Isoflavonoide, das Genistein, wirkt ähnlich salidiuretisch wie Furosemid, Spinonin hat eine antibakterielle Wirkung und Medicarpin erwies sich als selektiver 5-Lipoxygenase-Hemmstoff. Experimentelle Studien mit Ratten und Mäusen bestätigten die erhöhte Harnausscheidung nach oraler Gabe von Hauhechelextrakt. Für den Menschen erscheint der Isoflavonoidgehalt der Pflanze für diese Effekte jedoch zu gering. Daher sah die Kommission E beim früheren Bundesgesundheitsamt die Wirksamkeit der Hauhechelwurzel allein als nicht ausreichend belegt.

Klinische Studien zur Wirkung der Hauhechelwurzel liegen nur für die fixe Kombination mit Orthosiphonblättern und Goldrutenkraut vor. In einer Placebo-kontrollierten nach GCP-Richtlinien (Good Clinical Practice) durchgeführten Praxisstudie mit 200 Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt konnte die Wirksamkeit der Dreier-Kombination belegt werden. Die Behandlung normalisierte den Harndrang, linderte Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen und reduzierte die Keimzahl in den Harnwegen.

Aufgrund von zwei klinischen Studien bewerteten die Experten der Kommission E jedoch die fixe Kombination mit Orthosiphonblättern und Goldrutenkraut für folgende Indikationen positiv: Zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege, als Durchspülung zur Vorbeugung und Behandlung von Nierengrieß. Die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) empfiehlt die Kombination zusätzlich zur unterstützenden Behandlung von bakteriellen Infektionen des Harntraktes.

Teemischung oder Droge

Hauhechelwurzel ist in vielen fertigen Blasen- und Nieren-Teemischungen enthalten. Ein Tee aus reiner Hauhechelwurzel wird etwas anders zubereitet als ein üblicher Heilpflanzentee, da er erheblich länger ziehen muss. Für eine Tasse werden zwei bis drei Gramm, dies entspricht einem Teelöffel, der fein zerschnittenen oder grob gepulverten Droge mit 150 Millilitern kochendem Wasser übergossen und erst nach 20 bis 30 Minuten abgeseiht. Alternativ kann die gleiche Menge der Droge auch mit kaltem Wasser angesetzt und dann aufgekocht werden. Pro Tag können die Patienten drei bis vier Tassen trinken. Bei der Durchspülungstherapie ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens zwei Litern pro Tag zu achten. Bei Patienten mit Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierentätigkeit ist eine Durchspülungstherapie kontraindiziert. Auch länger anhaltende Beschwerden durch einen Harnwegsinfekt sollten Patienten nicht selbst therapieren, sondern einen Arzt aufsuchen.

Hauhechelwurzel ist außerdem Bestandteil der altbekannten, heute jedoch nur noch wenig gebräuchlichen Teemischung »Species diureticae«. Sie besteht zu gleichen Teilen aus grob ­geschnittener Liebstöckelwurzel, grob geschnittener Hauhechelwurzel, grob geschnittener Süßholzwurzel und zerstoßenen Wacholderbeeren.

Für Patienten, die ungern Tee trinken, gibt es Kombinationen mit Hauhechelwurzelextrakt auch in Form von Tabletten oder Tonica, zum Beispiel Aqualibra® Filmtabletten oder Nephroselect® M Liquidum. Zur Entwässerung dient das Kombinationspräparat Biofax® classic. Es enthält Extrakte aus Birkenblättern, Hauhechelwurzel und Gartenbohnenhülsen. Über einen gesteigerten Harnfluss soll es die Nierenfunktion fördern und eingelagertes Körperwasser ausscheiden. Der Elektro­lyt-Haushalt wird bei der Aquarese nicht gestört, wichtige Mineralstoffe bleiben dem Körper erhalten.

In Homöopathie geschätzt

Die Homöopathie verwendet die Hauhechel bei Erkrankungen des Herzens (Wassersucht), der Niere und der ableitenden Harnwege. Nach dem Homöopathischen Arzneibuch besteht »Ononis spinosa« aus den frischen, zur Blütezeit geernteten oberirdischen Teilen. »Ononis spinosa, äthanol. Decoctum« wird aus den getrockneten unterirdischen Teilen hergestellt und als Präparat in der anthroposophischen Therapie eingesetzt.

Dass die Hauhechelwurzel auch heute noch als Urologicum geschätzt wird, verdankt sie vermutlich ihrer langen Tradition als harntreibende Pflanze – wissenschaftlich ist noch immer die Frage offen, welche Inhaltsstoffe für die Wirkung verantwortlich sind. /

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schulte-loebbert(at)t-online.de

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