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Interaktionen

Calciumantagonisten und Statine

02.06.2010  11:47 Uhr

Interaktionen

Calciumantagonisten und Statine

von Andrea Gerdemann und Nina Griese

Bei gleichzeitiger Verordnung eines Arzneimittels aus der Gruppe der Statine und eines Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ oder Diltiazem meldet sich das Software-Programm der Apotheken mit einer Interaktion. Welche zusätzlichen Kenntnisse benötigen PTA und Apotheker, damit sie das Risiko für den jeweiligen Patienten richtig einschätzen können?

Klassische Indikationen für Calciumantagonisten sind die koronare Herzkrankheit sowie Bluthochdruck. Bei den Calciumantagonisten unterscheidet man zwischen den Dihydropyridinen wie Nifedipin, Substanzen vom Verapamil-Typ und dem Diltiazem. Die oben genannten Arzneistoffe unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur sowie den pharmakologischen Eigenschaften. So können beispielsweise Verapamil, Gallopamil und Diltiazem zusätzlich bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden.

Das Risiko für Interaktionen variiert ebenfalls stark. Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen sind besonders häufig bei Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ und bei Diltiazem. Ein Grund hierfür ist unter anderem, dass Verapamil und Diltiazem das Isoenzym CYP3A4 hemmen, die Dihydropyridine dagegen nicht.

Lipidsenker vom Typ der Statine werden zur Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen eingesetzt. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Patienten stetig an, die diese Substanzen verschrieben bekommen. An erster Stelle steht das Simvastatin, das mittlerweile 86 Prozent der Statinverordnungen ausmacht. Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen kommen bei den Statinen sehr selten vor; häufiger sind hingegen weniger schwerwiegende Ereignisse wie Muskelschmerzen (Myalgien) und Schädigungen der Muskelzellen (Myopathien), die aber in der Regel keine Spätschäden hinterlassen.

Unterschied im Metabolismus

Viele Interaktionen der Statine sind durch ihre pharmakokinetischen Eigenschaften bedingt. Darin unterscheiden sich allerdings die einzelnen Arzneistoffe erheblich: Bei Simvastatin, Lovastatin und Artorvastatin, die hauptsächlich über das Enzym CYP3A4 metabolisiert werden, muss mit einer Interaktion mit Verapamil oder Diltiazem gerechnet werden. Bei Fluvastatin, Rosuvastatin und Pravastatin ist sie dagegen unwahrscheinlich, da Fluvastatin hauptsächlich über das Isoenzym CYP2C9 und Rosuvastatin nur begrenzt über CYP2C9 verstoffwechselt wird. Pravastatin wird sogar gar nicht über die Enzyme der Cytochrom-P450-Familie metabolisiert.

Alarmzeichen Muskelschmerz

Verapamil oder Diltiazem können die Metabolisierung von Simvastatin, Lovastatin und Artorvastatin hemmen und damit die Plasmaspiegel dieser Statine erhöhen. Steigt der Statin-Plasmaspiegel, ist das Risiko für Myopathien und Rhabdomyolysen erhöht, was sich in Muskelschmerzen und -schwäche äußert. Bei der Rhabdomyolyse werden zudem die quergestreiften Muskelfasern zerstört. Wird das dabei entstehende Myoglobin über den Urin ausgeschieden, färbt sich dieser dunkel. Weitere mögliche Folgen einer Rhabdomyolyse sind eine 10- bis 100-fach erhöhte Aktivität des Enzyms Creatinkinase oder sogar Nierenversagen.

Das Risiko für diese Interaktion ist erhöht bei älteren Patienten, bei Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion, bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sowie bei vorbestehenden Muskelerkrankungen. Für die Beurteilung der Interaktion sollten PTA oder Apotheker berücksichtigen, dass Beschwerden zeitverzögert, möglicherweise sogar erst nach einer mehrwöchigen Kombinationstherapie auftreten.

PTA oder Apotheker sollten die Patienten über das Risiko einer Myopathie informieren und ihnen raten, bei Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder einer Dunkelfärbung des Urins umgehend ihren Arzt aufzusuchen. Dieser wird unter anderem anhand der Creatinkinase-Werte entscheiden, ob das Statin abgesetzt werden muss oder eine Dosisreduktion ausreicht.

Kombination von Fall zu Fall

Verschiedene Untersuchungen bestätigten, dass eine Kombinationstherapie von Simvastatin oder Lovastatin mit Diltiazem oder Verapamil den Statin-Plasmaspiegel erhöhen kann. Darüber hinaus liegen einige Fallberichte zu Rhabdomyolysen vor. Laut Empfehlungen sollten daher Tageshöchstdosen von 20 mg Simvastatin oder 40 mg Lovastatin nicht überschritten werden. Allerdings haben Auswertungen großer Langzeitstudien, beispielsweise der Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S-Studie), bei der die Studienteilnehmer sogar 40 mg Simvastatin als Tagesdosis erhielten, kein erhöhtes Risiko für Myopathien gezeigt, wenn die Teilnehmer gleichzeitig Verapamil oder Diltiazem einnahmen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass eine gleichzeitige Einnahme von Verapamil oder Diltiazem mit Simvastatin, Lovastatin oder auch Atorvastatin nicht grundsätzlich vermieden werden muss. Die gleichzeitige Gabe sollte jedoch nur mit Vorsicht erfolgen. Bedenkt man jedoch, dass bei den Statinen nicht interagierende, alternative Substanzen wie beispielsweise Fluvastatin oder auch Pravastatin zur Verfügung stehen, empfiehlt es sich, sofern möglich, schon auf eine gleichzeitige Gabe dieser Substanzen zu verzichten, um so ein mögliches Interaktionsrisiko zu vermeiden. Bei den Calciumantagonisten kann je nach Indikationsgebiet eventuell auch auf ein Dihydropyridin-Derivat ausgewichen werden.

Fallbeispiel aus der Apotheke

Herr Fättig, 67 Jahre alt und Hausapothekenkunde, reicht in der Apotheke ein Rezept über Simvastatin 30 mg ein. Beim Einscannen des Präparates erscheint auf dem Bildschirm die Interaktion mit Verapamil, das der Hausarzt Herrn Fättig seit etlichen Jahren gegen seine Herzrhythmusstörungen verschreibt. Die Frage der PTA, ob er das Simvastatin zum ersten Mal verordnet bekomme, bejaht Herr Fättig: »Ich hatte einen Kontrolltermin beim Internisten. Das mache ich einmal im Jahr. Dabei wurde festgestellt, dass meine Blutfettwerte nicht in Ordnung sind. Nun hat mir der Arzt dieses Medikament verordnet.« »Weiß Ihr Internist, dass Sie regelmäßig andere Medikamente einnehmen?«, erkundigt sich die PTA. Der ältere Herr antwortet: »Ich erinnere mich, dass wir bei meinem letzten Termin darüber gesprochen haben. Jetzt haben wir das Thema nicht noch einmal angeschnitten. Warum fragen Sie?«

Rücksprache mit dem Arzt

Die PTA erklärt ihm daraufhin, dass das neue Arzneimittel mit dem Verapamil zu einer Wechselwirkung führen kann und bittet ihn um einen Moment Geduld. Sie möchte die Frage mit dem Apotheker klären. Dieser schlägt vor, bei dem Internisten nachzufragen, vor allem da die empfohlene Tageshöchstdosis von 20 mg Simvastatin in Kombination mit Verapamil überschritten ist. Die Rücksprache mit dem Facharzt ergibt, dass ihm die gleichzeitige Verordnung von Verapamil nicht bekannt war. Er bedankt sich für den Hinweis und bittet um Austausch des Simvastatins durch Pravastatin.

Die PTA erklärt Herrn Fättig, dass das Gespräch mit dem Arzt ergeben hat, ihm statt des verordneten Medikaments eine genauso wirksame Substanz zur Senkung der Blutfettwerte abzugeben. Bei diesem Arzneistoff bestehe keine Gefahr einer Wechselwirkung mit Verapamil. Sie erklärt dem älteren Herrn die korrekte Einnahme der Pravastatin-Tabletten und bedankt sich für seine Geduld.

E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
N.Griese(at)abda.aponet.de

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