»Alle bad seind gutt« |
20.05.2011 13:11 Uhr |
Von Ernst-Albert Meyer / Schon im Mittelalter verordneten die Ärzte ihren Patienten medizinische Bäder, und die ersten Kurorte verzeichneten hohe Besucherzahlen. Im 16. Jahrhundert setzte dann der Verfall des Badewesens ein, und um 1700 schminkten und puderten sich die Menschen lieber, als sich zu waschen.
Welche Bedeutung das Baden an den Höfen des Mittelalters besaß, zeigt folgende Vorschrift: Am Vorabend des Ritterschlages mussten die Knappen als Symbol geistiger Reinigung ein Bad nehmen. Von Kaiser Karl dem Großen (742 bis 814) berichtet die Chronik, dass er in Aachen oft in Gesellschaft von Verwandten badete.
Bei der allgemeinen Beliebtheit des Badens war das Verbot eine wirksame Strafe. So durften in Klöstern ungehorsame Mönche und Nonnen eine gewisse Zeit lang nicht baden. Auch in der Fastenzeit, in der Karwoche und später generell freitags waren allen guten Christen die Badefreuden untersagt.
Freiwilliger Verzicht
Abstinenz galt als Zeichen der höchsten Buße und Reue. So soll der deutsche Kaiser Heinrich IV. (1050 bis 1106) die Weihnachtsfeiertage des Jahres 1076 »non balneatus et intonsusus« (ungebadet und ungeschoren) verlebt haben. Heinrich war auf dem Weg nach Canossa, um durch tiefste Reue päpstliche Verzeihung zu erlangen. Er hatte den Papst für abgesetzt erklärt und war deshalb von diesem exkommuniziert worden.
Als besonders bußfertig galt derjenige, der Arme, Kranke und Pilger badete. Chronisten berichten von mancher geistlichen und weltlichen Persönlichkeit, die mit solchen barmherzigen Taten vor aller Augen beim Volk sehr populär wurden: die Bischöfe von Mainz und Utrecht, die Mutter von Kaiser Heinrich IV. und die Landgräfin Elisabeth von Thüringen (1207 bis 1231), die vier Jahre nach ihrem Tod von Papst Gregor IX. heiliggesprochen wurde. Auch Elisabeth badete lieber andere als sich selbst. Als man sie endlich überredete, ein Bad zu nehmen, tauchte sie nur eine Zehe ins Wasser und erklärte damit das Bad für beendet. Gänzlicher Verzicht auf das Baden galt im Mittelalter als Ausdruck größter Frömmigkeit.
Amüsant ist auch folgende Episode: Eine Dame von Stand war in heißer Liebe zu einem Mönch entbrannt und bedrängte ihn hart. Alle Versuche des Mannes, sie von diesem sündigen Verlangen abzubringen, schlugen fehl. Da riss der Mönch sich in seiner Verzweiflung die Kutte vom Leib und zeigte ihr seinen von Dreck und Ungeziefer starrenden Körper – und augenblicklich war die Dame von ihrem »Liebeswahn geheilt«.
Aus Angst vor Ansteckung mieden die Bürger in Zeiten von Pest, Typhus und Cholera die öffentlichen Bäder. Wer es sich leisten konnte, stellte zu Hause einen eigenen Badezuber auf. Weil Baden ein geselliges Vergnügen war, ergänzte der Zuber das Mobiliar eines Wohnraums in Bürgerhäusern und Burgen. Jeder Hausherr sah es als eine ehrenvolle Aufgabe an, seinem Gast ein Bad zu bereiten und ihm das nötige Badezubehör wie Badehemd, Badelaken, Badehut zu schenken. Auf Burgen empfing jeden ermüdeten Gast und die von Reise, Kriegszug oder Turnier Heimkehrenden ein wärmende Bad, das auch der Wundversorgung diente.
Private Stube mit Zuber
Im 16. Jahrhundert besaß dann jedes bessere Bürgerhaus eine eigene Badestube. Wie in einem Salon empfingen dort der Hausherr und seine Gemahlin Freunde mit ihren Frauen und tafelten mit ihnen im Wasser. Mitte des 16. Jahrhunderts vermerkte der Bürgermeister von Stralsund sogar in seinen Tagebüchern datumsgenau, mit welchen Gästen er zu Hause badete. Am 3.10.1562 trug er ein: »do badede ick in minem stauen (Badezuber). D. Kethel vnd sine vruw badeden mit mi.«
Mancherorts achteten die städtischen Behörden darauf, dass das private Baden die Einkünfte der öffentlichen Bäder nicht zu sehr schmälerte. In Görlitz erlaubten sie die privaten Badestuben in den Jahren 1440 und 1476 ausdrücklich nur zum eigenen Gebrauch. Doch es gab noch einen wichtigeren Grund für behördliches Eingreifen: die Brandgefahr, die von den privaten Badestuben ausging. So forderten die Görlitzer Statuten, die »badestoben« nur im Erdgeschoss der Häuser einzurichten. Zahlreiche Schriftstücke dokumentieren, dass städtische Beamte die privaten Badestuben regelmäßig besichtigen und diese schließen durften, wenn sie den Brandschutzbestimmungen nicht entsprachen. Ungeachtet der öffentlichen Vorschriften nutzte so manche untreue Ehefrau das »Hausbadstüblein« als geeigneten Ort, ihren Liebhaber zu empfangen, und bisweilen endete das intime Bad mit Mord und Totschlag, wenn der Ehemann die Badenden überraschte.
Wirksame Medizin
Wie schon in der Antike diente Wasser auch im Mittelalter ganz unterschiedlichen Heilzwecken: Unter anderem sollte es gegen Epilepsie, Fieber, Lähmungen, Gicht, rheumatische Beschwerden, Unfruchtbarkeit, Erkältungen und Nierenleiden helfen. Häufig verordneten die Ärzte den Besuch einer Badestube oder eines Wildbades, also eines Kurortes mit warmen oder mineralhaltigen Quellen. Besondere Heilkraft sollten nach damaligem Glauben die im Frühjahr genommenen Bäder – die Maibäder – besitzen. Das Maibad, in Gesundheits- und Volkskalendern als Ritual am Ende des Winters empfohlen, war immer ein Warmbad, oft mit einem Zusatz frischer Frühlingskräuter. »Alle bad seind gutt, besonders kreuter bad«, schrieb ein Chronist im 16. Jahrhundert. Ein voller Tag im Badezuber sollte die Gesundheit für ein ganzes Jahr erhalten. Alten Überlieferungen zufolge badeten manche Kranke tagelang ununterbrochen und schliefen sogar im Wasser.
Wunder in Gesundbrunnen
Viel Aufsehen erregten Brunnen, deren Wasser Heilkraft besitzen sollte. Sie erfreuten sich großen Zuspruchs. So wurde beispielsweise ein Schäfer im Jahr 1646 durch das Baden in einem Wunderbrunnen in Hornhausen, einem Dorf am Nordrand des Harzes, vom Fieber geheilt. Als dann dasselbe Wasser eine langjährig gelähmte Bäuerin von ihrem Leiden befreite, war Hornhausen schlagartig berühmt.
Bereits im Jahr 1647 suchten rund 2000 Kranke Heilung im Wasser der sechs Brunnen, sogar gekrönte Häupter. Doch genau so schnell wie es berühmt wurde, geriet Hornhausen wieder in Vergessenheit und die Brunnen verfielen. Ein anderer Gesundbrunnen kam 1646 in Rastenberg bei Weimar in Mode. Er soll Blinde, Krüppel und Lahme geheilt haben.
Gegen Lepra und Gicht
Im Mittelalter behandelten auch manche Ärzte »Aussätzige« in den Lepraspitälern mit Warmbädern, denen sie Kräuter, Alaun oder Kochsalz zusetzten. Der Arzt und Alchemist Martin Rulandus (1532 bis 1602) empfahl 1568 gegen »Aussatz und malatzey…Bader von schwefel.« Die meisten Ärzte hielten hingegen eine Behandlung der Lepra mit Warmbädern für schädlich. Vielmehr empfahlen sie Dampfbäder mit einem wässrigen Kräuterauszug. Geholfen hat vermutlich beides nicht gegen die bakterielle Infektion. Lepra gehörte zu den furchtbaren Geißeln jener Zeit. Die Kranken waren dazu verurteilt, jeglichen Kontakt zu Mitmenschen zu meiden und wurden vor den Toren der Stadt ausgesetzt – daher auch die Bezeichnung »Aussatz«. Wenn die Patienten Glück hatten, fanden sie Aufnahme in einem »Sondersiechenhaus«, meist ebenfalls außerhalb der Stadtmauern. Alle medizinisch Tätigen, auch die Bader, waren verpflichtet, des Aussatzes Verdächtige sofort den Behörden zu melden.
Badestuben nur für Kranke
Warme Bäder verordneten Ärzte auch gegen Beschwerden des Bewegungsapparates, so auch gegen die Gicht (Podagra). Der Schweizer Dichter Johann Wilhelm Simmler (1605 bis 1672) lobte im Jahr 1668 die Wirkung eines solchen Bades: »Gewärmtes Kräuterbad in meinem Ofenkessel; nächst Gott; entbande mich von Podagrames Fessel.« Damals entstanden auch spezielle »Krutbad« (Kräuterbadestuben) nur für Kranke.
Das öffentliche Badewesen verfiel ab dem 16. Jahrhundert nach und nach, weil die Bader und ihr Gesinde durch zunehmende Gewinnsucht, Kupplerdienste und häufigen Alkoholkonsum den eigenen Stand in Verruf brachten. Schon bald gehörten sie deshalb zu den »unehrlichen Berufen«, auf die jeder Bürger mit Verachtung herabblickte. So durften sie beispielsweise in Erfurt und Halle keine Waffen tragen und hatten keinen Zugang zu öffentlichen Ämtern. Manche Zünfte versagten den Kindern der Bader, ihr Handwerk zu erlernen. Vermerke im Taufschein wie »Baders, Henkers oder Spielmanns Kind« wiesen auf die »Unehrlichkeit« des Standes hin. Auch Martin Luther berichtete von der Diskriminierung der Bader, als er schrieb: »Er heißt mich einen Wechselbalg und Bademagds Sohn.«
Freß-, Sauff- und Luderhäuser
In der Tat veränderten sich die öffentlichen Badestuben mit der Zeit immer mehr. Aus Stätten volkstümlicher Fröhlichkeit, körperlicher Reinigung und Gesundheitspflege waren Orte des Lasters, der Unzucht und der Fress- und Saufgelage geworden. In vielen Badestuben gingen Dirnen ein und aus, und auch die meisten Bademägde waren zu Liebesdiensten bereit. Der Tiroler Arzt und Prediger Hippolytus Guarinonius (1571 bis 1654) schimpfte über die Zustände, dass man »nicht wohl unterscheiden kann, ob das Schwitzbad ein Bad oder aber ein Freß- oder Sauff- oder Unzucht- und Luderhauß sei.« Kein Wunder also, dass die besseren Bürger und vor allem »fromme Frauen und anständige Jungfrauen« die öffentlichen Badestuben nicht mehr aufsuchten.
Die Behörden greifen ein
Um dem unsittlichen Treiben Einhalt zu gebieten, trafen die Behörden viele gesetzliche Regelungen. Im Wesentlichen verlangten sie im Bad eine Trennung der Geschlechter. Doch vielerorts ignorierten Männer und Frauen dieses Verbot oder umgingen es geschickt und badeten zusammen. Die Kurorte, die Wildbäder, entwickelten sich in dieser Zeit zu reinen Vergnügungsstätten. Kinderlosen Frauen empfahlen die Ärzte damals Kuren in warmem Schwefelwasser. Doch meist war der Kurerfolg, eine Schwangerschaft, nicht das Ergebnis fleißigen Badens, sondern eines intensiven Liebeslebens.
Als die Holzpreise drastisch stiegen, kletterten auch die Eintrittspreise für die Bäder empfindlich in die Höhe. Damit konnten es sich viele Menschen einfach nicht mehr leisten, eine öffentliche Badestube aufzusuchen.
Das endgültige Aus
Einen schweren Schlag erhielt das Badeleben durch die seit Ende des 15. Jahrhunderts epidemisch auftretende Syphilis. Bald warnten die Ärzte vor dem Besuch öffentlicher Badestuben, da sie diese als Infektionsherde für die furchtbare Krankheit erkannt hatten. Ein genauer Bericht über den Verlauf einer Syphilisepidemie ist aus Brünn überliefert: Am 13. Dezember 1577 wurde dort eine große Anzahl von Badegästen beim blutigen Schröpfen durch nicht gereinigte Schröpfköpfe infiziert. Die Bader durften bei Strafe niemanden, der »an der newen kranckheit, malen Frantzosen, beflecket und kranck« war, in die Badestuben aufnehmen. Viele mussten wegen fehlender Badegäste den Betrieb einstellen oder wurden behördlich geschlossen. Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648), versetzte schließlich den letzten öffentlichen Badestuben den Todesstoß. In den schrecklichen Jahren des Elends, des Hungers und der Seuchen kämpften viele Menschen ums reine Überleben. Da gerieten die öffentlichen Badestuben und auch die privaten »Hausbadstüblein« in Vergessenheit, wurden zerstört oder in Vorratskammern und Backstuben umgewandelt. Schließlich wurde es um 1700 Mode, sich nicht mehr zu waschen. Die Zeit der Duftwässer, Parfüms, Schminken und Puder begann. /
»Die Hydrotherapie hat körperliche und seelische Wirkungen. Sie ist das älteste unserer Naturheilverfahren«, so Professor Dr. Malte Bühring, Inhaber des ersten Lehrstuhls für Naturheilverfahren, Berlin. Trotz ihrer Funktion als Schutzschicht kann die Haut viele Stoffe aufnehmen. Das warme Wasser erweitert die Blutgefäße der Haut und unterstützt die Resorption. Wirkstoffe, die nicht die Hautbarriere passieren, entfalten eine lokale Wirkung. Ätherische Öle gelangen beim Baden mit der Atemluft in Lunge und Körper. Je nach Badezusatz pflegen Bäder die Haut, fördern die Gesundheit oder haben einen therapeutischen Effekt.
Bäder wirken immer auf dreifache Weise: Zum einen verringert der Auftrieb des Wassers das Körpergewicht, was Bewegungen erleichtert, Gelenke und Wirbelsäule entlastet. Zum anderen beeinflusst die Wassertemperatur fast alle Funktionen des Körpers, insbesondere die Durchblutung, die Wärmeregulation und den Muskeltonus. Ätherische Öle, Moor, Schwefel oder Kohlensäure machen Bäder zu wirksamen Heilmitteln bei verschiedenen Krankheiten, beispielsweise bei Hauterkrankungen, vegetativen Störungen, Erkältungskrankheiten, rheumatischen Beschwerden, innerer Unruhe und Nervosität, Schlafstörungen, Stress, Durchblutungsstörungen oder Frauenleiden.